Dirk Maxeiner / 08.09.2019 / 06:25 / Foto: Pixabay / 46 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Eine Träne für Frankfurt

Stellt euch vor, es ist Automesse und keiner geht hin. In der kommenden Woche eröffnet die Frankfurter Automobilausstellung IAA ihre Garagentore. Und es wird in mancher Halle so einsam werden wie in einem Plattenhotel am Strand von Rimini im Dezember.  Das Motto „Driving tomorrow“ der „internationalen Plattform für die Mobilitätswende“ scheint nicht so richtig zu funzen, gefällt aber bestimmt der bereits voll elektrifizierten talkenden Klasse (12 Volt).  

Andere ziehen im Angesicht der Mobilitätswende lieber den Stecker. „Driving ohne uns“ heißt das alternative Motto von gut zwei Dutzend Autoherstellern – von Alfa Romeo bis Suzuki, von Aston Martin bis Rolls-Royce – die dem einstmals geheiligten Auto-Gottesdienst fernbleiben (die Italiener werde ich besonders vermissen, weil sich bei denen immer die Foto-Modelle mit den längsten Beinen vor den Kühlergrill schoben). Die abwesenden Hersteller decken etwa zwei Drittel der automobilen Weltproduktion ab, respektive nicht ab, jedenfalls nicht in Frankfurt. Das hat viele Gründe, etwa die mieser werdende  wirtschaftliche Lage der Autoindustrie oder die größenwahnsinnigen Stand- und Hotelpreise in Frankfurt.

Hinzu kommt: Der veranstaltende Verband der Autohersteller (VDA) schmeißt sich mächtig ran an den Autoscham-Zeitgeist, genau wie übrigens der ADAC, dessen Verbandspostille „ADAC Motorwelt“ sich inzwischen liest wie ein Ratgeber für betreutes Elektroroller fahren. Wird aber alles nichts helfen. Ohne Hallelulja und ein bisschen emotionales Ramba-Zamba funktioniert die Messe nicht mehr, das haben andere kirchliche Würdenträger in diesem Lande bereits erfahren müssen. In Ermangelung einer wehrhaften Geistlichkeit wird irgendwann die Kirche angezündet, auch das zeigt sich jetzt in Frankfurt.

Die deutsche Umwelthilfe, ein führendes industrielles Abbruch-Unternehmen, lange Zeit von Autoherstellern gehätschelt und fortlaufend mit Staatsknete am Leben gehalten, kündigt Demonstrationen an. Vermummte, deren militante Brüder im Geiste, haben bereits mit dem Abfackeln und Zerstören Frankfurter Autohäuser begonnen. Der Gedanke, dass man bei dieser Veranstaltung nicht unbedingt dabei sein muss, spart den Herstellern also nicht nur viel Geld, sondern auch viel Ärger.

Höchst ist Geschichte, die Autoindustrie womöglich bald auch

Frankfurt, einzige deutsche Stadt mit einer nennenswerten Skyline, ist für die deutsche Wirtschaftsgeschichte ein Menetekel, und das schon länger. Und damit meine ich jetzt nicht die semi-bankrotte Deutsche Bank oder die semi-bankrotte EZB, deren Bedienstete sich vom obersten Stockwerk ihrer Türme schwindelfrei zuwinken können. Ich meine auch nicht, um das rechtschaffene Spektrum zu erweitern, Rosemarie Nitribitt, die ermordete Frankfurter Edelhure, die den Mercedes 190 SL weltberühmt machte („Nitribitt-Mercedes“).

Einer der größten Steuerzahler weit und breit war vielmehr noch in den 1980er Jahren der Chemie- und Pharmariese Höchst, der dann von Greenpeace und den Grünen (nebst Deutschlands erstem grünen Umweltminister Joschka Fischer) aufgrund meist gewaltig aufgebauschter Störfälle sturmreif geschossen wurde. Immer irrere Forderungen zum Ausstieg aus der „Chlorchemie“ und ein Genehmigungsverfahren für gentechnisch erzeugtes Insulin, das 14 Jahre dauerte, taten ein Übriges. Nach den üblichen erfolglosen Appeasement-Versuchen des seinerzeitigen Höchst-Chefs Jürgen Dormann verschwand das Unternehmen erst nach Frankreich und dann ganz. Höchst ist Geschichte, gentechnisch erzeugtes Insulin hat sich inzwischen weltweit durchgesetzt.

Das Drehbuch für den Automobilstandort Deutschland dürfte, wenn es so weiter geht, einen ähnlichen Verlauf nehmen. Die IAA zeigt, wohin die Reise für die Automobilindustrie geht – ich vermute mal nach Shanghai.

Essener Tafel für prekäre Motorjournalisten

IAA, ich werde dich vermissen, noch nie bin ich besser verköstigt worden als auf dieser Messe. Die einzig noch halbwegs akzeptierte Methode, prekäre Motorjournalisten zu bestechen, ist, ihnen mal was Anständiges zu essen zu geben. Frankfurt kommt in dieser Funktion gleich hinter der Essener Tafel, man muss sich allerdings ab und zu ein paar Reden anhören. Die Pressekonferenzen der Unternehmen wechseln sich im 30-Minuten-Takt ab. Wer jedesmal ein Glas Champagner annimmt, ist spätestens um 12 Uhr Mittags so blau wie ein Bugatti und so breit wie ein Cadillac Fleetwood. Die diversen Buffets schätze ich auf zwei Kilometer Länge und 5 Milliarden Kalorien. Es gibt allerdings nach Auflage und Reichweite gestaffelte Qualitätsunterschiede – ich befand mich meist in der Holzklasse; besonders angenehm in Erinnerung sind mir die Audi-Weißwurst und die VW-Currywurst.

In diesem Jahr muss man sich sogar einen Haufen Elektroautos ansehen und Interesse heucheln, das gehört inzwischen auch in Brumm-Brumm-Kreisen zur geistigen Sonderausstattung. Sogar Porsche stellt sein erstes vollelektrisches Mobil vor, den Taycan mit 761 PS. Das 2,3 Tonnen-Gefährt kostet schlappe 150.000 Euro und geht angeblich weg wie warme Semmeln, besonders bei Leuten, die wegen ihres Privatjets Flugscham empfinden. 

Zur Erholung empfehle ich einen Ausflug auf den Stand der Firma Morgan, so sie denn den Weg aus dem britischen Königreich nach Frankfurt gefunden hat. Dort gibt’s ein Dreirad für Fortgeschrittene, den Morgan Threwheeler. Wiegt nicht einmal 500 Kilogramm, kostet einen Bruchteil des Porsche, hat einen Zweizylinder-Motorradmotor mit 115 PS und sieht aus und fliegt über den Asphalt wie die Dreidecker-Fokker von Manfred von Richthofen. In Sachen Freude am Fahren kommt da garantiert kein elektrischer Kühlschrank mit. Gegen Aufpreis von 140 Euro gibt es außerdem hübsche Aufkleber, sogenannte „Graphic Packs“: ein aufgerissenes Haifischmaul, die Kokarde der Royal Air Force oder (gemalte) Einschusslöcher. Kleiner Tipp: Wenn Sie jemand fragt, woher sie das Ding haben, sagen sie einfach, sie hätten Boris Johnson den Dienstwagen geklaut.

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

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Ilona G. Grimm / 08.09.2019

Danke, Herr Maxeiner, für die knackige Zusammenfassung der Zerstörungserfolge unserer gemeingefährlichen, selbsternannten Umweltschützer Grüne, DUH et al., von denen keiner jemals irgendetwas Wertschöpfendes geleistet hat. Wie sieht es eigentlich mit der Aberkennung der Gemeinnützigkeit der DUH aus? Es darf doch nicht sein, dass dieser bösartige Verein auch noch durch unsere Steuern am Kochen gehalten wird. Kann man als Privatmensch dagegen klagen? Oder im Schutze des Bundes der Steuerzahler? Muss mich mal schlauer machen.

Claudius Pappe / 08.09.2019

IAA ,war das nicht mal die Messe wo Deutschlands Wirtschaftskraft demonstriert wurde ? Wurden die nicht früher vom Bundeskanzler ( männlich)  ,vom Wirtschaftsminister (männlich) oder Verkehrsminister ( männlich) eröffnet ? Oh Deutschland, wie hasste dir verändert ! (würde der Ur-Berliner sagen )

Karl Dreher / 08.09.2019

Man sieht: Die linksrotgrüne Zwangsbeglückung und Verbotsmentaltiät legt Hand an den Wurzeln unseres (hier: Auto-) Industristandortes an. Wen stört’s? Mutti, AKK und Co., auch die CDU (ohne WerteUnion)  jedenfalls nicht! Erschreckend ist auch sonst die Einstellung dieser Politiker. Beispiel: Unsere SPD-Umweltministerin Svenja Schulze. Trotz (auch ihrer) ausdrücklichen Bestätigung des Erfolgs der abgeschlossenen Vereinbarung* mit dem Handel, Plastiktüten möglichst zu vermeiden (Rückgang mittlerweile von 71 auf nur noch 20 Tüten pro Kopf und Jahr; die EU-Vorgaben sind damit deutlich übererfüllt) plant die Umweltministerin ein völliges Verbot. Das nächste hat sie auch schon angekündigt: Ölheizungsverbote sind jetzt ihr nächstes Ziel. Mit dieser politischen Mentalität, gestützt auf selbstgefundene lebensfremde Moralvorstellungen, die anderen aufgezwungen werden,  richtet man Deutschland kurz- oder längstens mittelfristig zugrunde! * pacta sunt servanda, Frau Ministerin, jedenfalls im Rechtsstaat! Verträge sind einzuhalten. Bei diesem Prinzip der Vertragstreue im öffentlichen und privaten Recht handelt es sich um den wichtigsten Grundsatz des öffentlichen ebenso wie des privaten Vertragsrechts. Weder König noch Minister oder Parteien stehen über dem Recht!

Dietmar Blum / 08.09.2019

“Die deutsche Umwelthilfe, ein führendes industrielles Abbruch-Unternehmen, lange Zeit von Autoherstellern gehätschelt und fortlaufend mit Staatsknete am Leben gehalten, kündigt einen „Boykottaufruf“ und „kreative Aktionen“ an. ” Ginge es nicht um eine der Schlüsselindustrien, würde ich den Autoherstellern laut und vernehmlich zurufen: “Es geschieht Euch recht”. IHR habt den Geist aus der Flasche gelassen und liebesdienerisch Figuren gehuldigt, die Euch jetzt am Kanthaken haben. Hättet Ihr zu Anbeginn der Debatte deutlich und mit Nachdruck erklärt, dass die von den Bürokraten und technischen Ignoranten aus den Fingern gesogenen Grenzwerte (noch) nicht machbar sind, und Ihr nachhaltig gedroht hättet, Produktionsstandorte dorthin zu verlegen, wo der Markt/ die Kundschaft sich nicht gängeln läßt, stündet Ihr heute nicht dieser Phalanx selbsternannter grüner Weltverbesserer gegenüber”. Dito den Gewerkschaften, denen das Schicksal der Werktätigen offenbar schnuppe ist.

Chris Groll / 08.09.2019

Hallo Herr Maxeiner. Sehr gut geschrieben, wie man eine Industrienation (nicht nur die Automobilindustrie) an die Wand fährt und viele machen mit. Warum? Aus Opportunismus??, aus Dummheit?? aus Verblendung??, Übernahme aller linken Ideologien???. Leider muss ich diesen Kommentar doch noch mit dem Satz „Es wird böse enden“ beenden.

Sepp Kneip / 08.09.2019

Und dennoch wird lustig weiter getanzt auf der untergehenden Titanic. Wer gedacht hatte, das Speichelleckertum wäre in Deutschland mit dem Dritten Reich untergegangen, hat sich mächtig geirrt. Das Sich-selbst-opfern für die Obrigkeit feiert fröhlich Urständ. Jedes Gemeinwesen stirbt an der fehlenden Zivilkourage derer, die es eigentlich besser wissen müssten, aber den bequemeren Weg der Katzbuckelei wählen. Ohne Rücksicht auf das, was sie damit dem Mitbürger antun. Ein Salvini ist hierzuland weit und breit nicht zu sehen. Auch wenn dieser eine Schlacht verloren hat, den Kampf könnte er dennoch gewinnen.

Gerhard Döring / 08.09.2019

Zitat:“In diesem Jahr muss man sich sogar einen Haufen Elektroautos ansehen und Interesse heucheln, das gehört inzwischen auch in Brumm-Brumm-Kreisen zur geistigen Sonderausstattung.” Gute Taktik, aber ich befürchte Folgen. Wenn die (Manager)Verkäufer sich bald wie die Hyänen auf die verbleibenden Besucher stürzen werden sie meinen es gäbe einen Trend(12 Volt). Das werden sie statistisch einbringen. In den Medien wird das wie jedes Mal kritiklos verbreitet und so geht es weiter den deutschen Gang. Ist das wirklich ein Würstchen oder ein Glas Sekt von dieser Sekte wert?

Andreas Rochow / 08.09.2019

Bei aller Bitterkeit dieses düsteren Ausblicks genießt man bei Lektüre des “Sonntagsfahres” die lebensrettende Portion Maxeiner-Spin. Danke dafür. Die linke Kulturrevolution ist also auch bei einem Großteil der Automobilindustrie angekommen. Beim Betrachten der Sprengung eines überflüssig gewordenen Industrieschlotes befällt mich jedesmal der wehmütige Gedanke, dass das Zerstören schneller geht als das Aufbauen. Mein Autohändler hat übrigens letzte Woche KEINEN EINZIGEN DIESEL in seinem Außengelände stehen gehabt. Auf meine Frage, wohin sie verschwunden seien, erhielt ich die Antwort: “Die Osteuropäer nehmen sie uns reißend ab.” Die Klimairren triumphieren. Und Sarrazin hat wieder einmal recht gehabt.

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