Dirk Maxeiner / 27.09.2020 / 06:15 / Foto: NHCC/unbekannt / 81 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Die schwarze Liste

Der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt will das Bewusstsein der Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst erweitern. Das ließe sich problemlos mit einer regelmäßigen Zuteilung von Cannabis erreichen. Stattdessen gibt der Justizsenator eine Broschüre heraus, die man leider nicht rauchen kann. Sie trägt den Titel: „Leitfaden für Mitarbeitende der Berliner Verwaltung zum diversitysensiblen Sprachgebrauch“. Darin enthalten sind zahlreiche das Bewusstsein erweiternde Vorschläge, so sind „Ausländer“ ab sofort „Einwohnende ohne deutsche Staatsbürgerschaft“, und „Menschen mit Migrationshintergrund“ verwandeln sich in „Menschen mit internationaler Geschichte“. In dieser Kolumne, die ja dem Sonntagsausflug gewidmet ist, soll es allerdings um „Schwarzfahren“ gehen, das in Berlin ab sofort nur noch als „Fahren ohne gültigen Fahrschein“, stattfinden soll.  

Ich erinnere mich bei dieser Gelegenheit lebhaft an einen Sonntagmorgen als Schwarzfahrender auf dem Weg zum Flughafen Tegel. Ich wurde ohne gültigen Fahrschein erwischt und zwar von einem erstklassig integrierten Menschen mit internationaler Geschichte. Der Fahrkartenautomat hatte keine Scheine angenommen und mein Kleingeld reichte nicht. Vor die Wahl gestellt, als Schwarzfahrender überführt zu werden oder den Flug zu verpassen, nahm ich das Risiko in Kauf, verlor und zahlte schließlich 70 Euro Strafe. „Det is ihr Problem“ kommentierte der Kontrolleur mit internatinaler Geschichte.  

Von diesem Zeitpunkt an betätigte ich mich konsequent als Schwarzfahrender ohne internationale Geschichte und zwar genau bis zu dem Zeitpunkt, als die 70 Euro wieder drin waren. Seitdem bin ich wieder ehrlich und bezahle den nicht vorhandenen Fahrschein als Bewohner Bayerns über den Länder-Finanzausgleich. Das finde ich sehr unbürokratisch, bin aber nicht sicher, ob es die Berliner-Verkehrsbetriebe nachvollziehen können.  

Die größte Ansammlung von Schwarzfahrern ist der Bundestag

Ansonsten hoffe ich auf die Berliner Generalstaatsanwältin Margarete Koppers: Die wollte schon vor zwei Jahren die Gerichte der Stadt entlasten – und den Straftatbestand des Schwarzfahrens abschaffen, für Menschen mit und ohne internationale Geschichte sowie Einwohnende ohne deutsche Staatsbürgerschaft. Das wird allerdings jetzt schwierig, weil es nach Ansicht des ihr vorgesetzten Justizsenators Schwarzfahren ja gar nicht mehr gibt.

Mit ein paar Ausnahmen natürlich. Die größte Ansammlung von Schwarzfahrern ist bekanntlich der Deutsche Bundestag und die Kanzlerin mitsamt ihrem Stab. Sie bewegen sich allesamt mit schwarzen Dienstwagen voran, sogar für den gemeinen Abgeordnetenbestand stellt der Fahrdienst des Bundestages noch 120 schwarze Limousinen zur Verfügung. Merkel und ihre Minister, Steinmeier und seine Entourage, fahren jetzt laut Berliner Sprachregelung alle ohne gültigen Fahrausweis, was ich allerdings schon immer vermutet habe.

Schwarz, eine der beliebtesten Autofarben, jedes fünfte neue Auto wird in schwarz ausgeliefert. Und wo gibt es das schwärzeste Schwarz? Bei Mercedes, BMW, Porsche? Nein, da muss man schon etwas weiter reisen als bis Untertürkheim oder Zuffenhausen: Das sogenannte „absolute Schwarz“ findet sich im Weltraum. In physikalischer Definition ist es die Farbe eines nichtleuchtenden Körpers, der alles Licht schluckt. Statt „absolutem Schwarz“ schlage ich allerdings als künftige Sprachregelung vor: 12 Jahre Merkel. 

Schwarzsehen und Schwarzhören

Auch Mad Max und ähnliche apokalyptische Reiter fahren grundsätzlich Schwarz. Das Roadmovie kommt bestimmt mal wieder spät abends im Fernsehen. Stilecht ist das Zuschauen aber nur, wenn man sich die GEZ-Gebühren spart. Schließlich sind Schwarzsehen und Schwarzhören die Rache des kleinen Mannes an der Gebühreneinzugszentrale. Damit jetzt niemand beleidigt ist, schlage ich als Berliner Ersatz-Terminus für Schwarzseher und Schwarzhörer vor: Durchblicker und Kopfhörer.

Das Attribut schwarz – und hier liegt das Problem – hat oft mit der dunklen, nächtlichen Seite des Daseins zu tun. Es verweist mitunter auf ebenso verbotene wie lohnende Tätigkeiten, man denke nur an Schwarzarbeit, Schwarzhandel oder Schwarzmarkt. Ein schwarzer Lamborghini, der mit Schwarzgeld bezahlt wurde, stellt selbstverständlich ein besonders authentisches Automobil dar. Er ist gewissermaßen absolut schwarz, siehe oben Weltraum. 

Aber zurück in die Bundeshauptstadt, die ja bekanntlich eine feste Heimstatt des Schwarzen Blocks ist. Ich schlage als Alternative zu dem problematischen Wort eine erläuternde Beschreibung vor. Schwarzer Block = Farblicher Beweis dafür, dass der Faschismus als Antifaschismus wieder aufersteht.

Und ganz zum Schluss müssen wir natürlich auch noch auf das Schwarze Loch kommen. Von den verschiedenen schwarzen Löchern am einfachsten zu verstehen sind stellare Schwarze Löcher, die entstehen, wenn ein Stern einer bestimmten Größe seinen gesamten Brennstoff verbraucht hat und kollabiert. Während die äußeren Hüllen dann in einer Supernova abgestoßen werden, fällt der Kern durch seinen Schweredruck zu einem extrem kompakten Körper zusammen. Wer die Formulierung Schwarzes Loch vermeiden will, sage einfach: Berlin.

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

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E Ekat / 27.09.2020

Alice Schwarzer: die Steigerung von Schwarz? Egal, eigentlich wollte ich nur fragen, wie es mit dem Volvo weiteregangen ist. Der Motor war ja noch in Ordnung.

Thomas Brox / 27.09.2020

Da kann doch der zahlende Untertan wieder ganz klar sehen, mit welchen existentiellen Probleme der überlastete Staatsapparat kämpfen muss. Aber es stehen ja jetzt Tarifverhandlungen für den unterbezahlten, unterbesetzten ÖD an. Aber anstatt dankbar zu sein für die enormen Leistungen, beschimpfen doch tatsächlich einige Mitbürger den ÖD als überbesetztes, überbezahltes und - konstruktionsbedingt - unproduktives Biotop, das zwangsweise durch produktive Bereiche unterhalten werden muss, und das unaufhaltsam weiter wuchert. Aber wie der Artikel zeigt, ist es natürlich für die Lebensfähigkeit der Gesellschaft ganz wichtig, dass gerade jetzt, wo Millionen produktiv arbeitender Mitbürger arbeitslos werden oder kurz arbeiten müssen, die Beamten eine satte Gehaltserhöhung bekommen (nachdem viele Beamte monatelang bei vollem Gehalt zu Hause saßen). Die weltweiten Spitzenleistungen im Sicherheitsbereich, in der Ausbildung, in der Forschung, im Auspressen der Bevölkerung, in der Bereicherung durch Umsiedelung und Versorgung inkompatibler Kulturen, im Aufpumpen der Bürokratie, in der weltweit einmaligen Energiewende, in der Infrastruktur, etc. müssen selbstverständlich angemessen belohnt werden. ++ In selbstverschuldeten Krisen wirft jedes Unternehmen Ballast ab, aber der "Staat" ist ja schließlich kein Unternehmen. Die zahlenden Untertanen sind nicht nur verblödet, sie sind auch erbärmlich feige. Das kann gerade man bei solchen Themen sehen.

Uta Buhr / 27.09.2020

Es ist noch nicht aller Tage Abend für alles, was mit der Farbe (oder Nichtfarbe, wie manche behaupten) schwarz zu tun hat. Anschwärzen gehört mit Sicherheit nicht auf den Index jener Worte, die man als politisch Korrekter nicht mehr benutzen darf. Denn die neue alte (Un)Tugend des Anschwärzens - also das Denunziantentum - ist doch in vollem Schwange und politisch mehr als gewollt und gar tatkräftig gefördert. Ein dreifaches Pfui!

Volker Voegele / 27.09.2020

Man darf gespannt sein auf die nächste Kampagne des diversitysensiblen, intellektuell-grünen Justizsenators aus Berlin. Wann wird der Sprachgebrauch-Leitfaden ergänzt durch obligatorische Sprachschulungskurse für die Mitarbeiter der Berliner Verwaltung, wer überwacht die Einhaltung der Sprachregelungen und wie gestaltet man die notwendigen Sanktionen bei Verstößen gegen den Leitfaden. Kommen die diversityunsensiblen Mitarbeiter auf eine „insensitive list“ (- mit oder ohne Foto) und wie wird sich zu tadelndes Verhalten auf ihre Beschäftigungsgruppe oder Karriere auswirken? Schwerwiegende Fragen, die umgehend die Einrichtung von behördlichen Stellen sogenannter „Sprach-KommissarInnen“ erfordern.

Uta Buhr / 27.09.2020

"Du bist verrückt, mein Kind, du musst nach Berlin. Wo die Verrückten sind, da gehörst du hin." Das galt schon vor über 80 Jahren. Ob der Text nun vom k&k Operettenkomponisten Franz von Suppé stammt oder nicht, spielt keine Rolle. Auf jeden Fall würde jener, der diese Worte schrieb, sich heute voll bestätigt fühlen. Wobei das Wort verrückt ja eher noch harmlos klingt für diese Stadt, in der der Irrsinn grassiert und die sich von Tag zu Tag mehr in ein shithole im wahrsten Sinne des Wortes verwandelt. Man denke nur an die stinkenden Hundehaufen auf den Bürgersteigen. Wie wäre es, wenn ein schwarzes Loch Berlin verschlänge. Der ganze Müll wäre mit einem Schlag vom Weltall verschluckt. Mission accomplished. Zurück bliebe eine Mondlandschaft, auf der findige Menschen etwas ganz Neues, Bewohnbares errichten könnten. Man wird ja wohl noch träumen dürfen...

Ilona Grimm / 27.09.2020

@Paul Greenwood: »... ich bin der Meinung Sachsen/Bayern könnten eigenen Weg gehen und Thüringen schlucken.« Bayern auf eigenem Weg? Das ist seit langem Vergangenheit. Der bayerische Corona-König Söder überschlägt förmlich auf der Schleimspur zum Kanzleramt. Ich sehe also ganz SCHWARZ!

Dirk Freyling / 27.09.2020

Die Political Correctness heute ist so lächerlich und kontraproduktiv wie der vergebliche Versuch im 19. Jahrhundert, sexuell besetzte Begriffe wie „Brust“ und „Bein“ beim Servieren eines Huhns zu vermeiden. Stattdessen sprach man von dunklem oder hellem Hühnerfleisch. Statt Andersartigkeiten im Rahmen unserer Gesetze zu akzeptieren, will die Political Correctness über Andersartigkeiten verbal hinwegtäuschen. Es war immer das Bestreben des ängstlichen Kleinbürgers, die politischen Verhältnisse zu verinnerlichen und alle Widersprüche der Wirklichkeit zu verdrängen. Das einzig Nützliche an der Political Correctness ist, dass man an ihrem Gebrauch den idealistisch dummen kleinbürgerlichen Spießer erkennen kann, der seine Putzfrau Raumpflegerin nennt, aber wie eine Putze bezahlt und behandelt.

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