Der Berliner Justizsenator Dirk Behrendt will das Bewusstsein der Beamten und Angestellten im öffentlichen Dienst erweitern. Das ließe sich problemlos mit einer regelmäßigen Zuteilung von Cannabis erreichen. Stattdessen gibt der Justizsenator eine Broschüre heraus, die man leider nicht rauchen kann. Sie trägt den Titel: „Leitfaden für Mitarbeitende der Berliner Verwaltung zum diversitysensiblen Sprachgebrauch“. Darin enthalten sind zahlreiche das Bewusstsein erweiternde Vorschläge, so sind „Ausländer“ ab sofort „Einwohnende ohne deutsche Staatsbürgerschaft“, und „Menschen mit Migrationshintergrund“ verwandeln sich in „Menschen mit internationaler Geschichte“. In dieser Kolumne, die ja dem Sonntagsausflug gewidmet ist, soll es allerdings um „Schwarzfahren“ gehen, das in Berlin ab sofort nur noch als „Fahren ohne gültigen Fahrschein“, stattfinden soll.
Ich erinnere mich bei dieser Gelegenheit lebhaft an einen Sonntagmorgen als Schwarzfahrender auf dem Weg zum Flughafen Tegel. Ich wurde ohne gültigen Fahrschein erwischt und zwar von einem erstklassig integrierten Menschen mit internationaler Geschichte. Der Fahrkartenautomat hatte keine Scheine angenommen und mein Kleingeld reichte nicht. Vor die Wahl gestellt, als Schwarzfahrender überführt zu werden oder den Flug zu verpassen, nahm ich das Risiko in Kauf, verlor und zahlte schließlich 70 Euro Strafe. „Det is ihr Problem“ kommentierte der Kontrolleur mit internatinaler Geschichte.
Von diesem Zeitpunkt an betätigte ich mich konsequent als Schwarzfahrender ohne internationale Geschichte und zwar genau bis zu dem Zeitpunkt, als die 70 Euro wieder drin waren. Seitdem bin ich wieder ehrlich und bezahle den nicht vorhandenen Fahrschein als Bewohner Bayerns über den Länder-Finanzausgleich. Das finde ich sehr unbürokratisch, bin aber nicht sicher, ob es die Berliner-Verkehrsbetriebe nachvollziehen können.
Die größte Ansammlung von Schwarzfahrern ist der Bundestag
Ansonsten hoffe ich auf die Berliner Generalstaatsanwältin Margarete Koppers: Die wollte schon vor zwei Jahren die Gerichte der Stadt entlasten – und den Straftatbestand des Schwarzfahrens abschaffen, für Menschen mit und ohne internationale Geschichte sowie Einwohnende ohne deutsche Staatsbürgerschaft. Das wird allerdings jetzt schwierig, weil es nach Ansicht des ihr vorgesetzten Justizsenators Schwarzfahren ja gar nicht mehr gibt.
Mit ein paar Ausnahmen natürlich. Die größte Ansammlung von Schwarzfahrern ist bekanntlich der Deutsche Bundestag und die Kanzlerin mitsamt ihrem Stab. Sie bewegen sich allesamt mit schwarzen Dienstwagen voran, sogar für den gemeinen Abgeordnetenbestand stellt der Fahrdienst des Bundestages noch 120 schwarze Limousinen zur Verfügung. Merkel und ihre Minister, Steinmeier und seine Entourage, fahren jetzt laut Berliner Sprachregelung alle ohne gültigen Fahrausweis, was ich allerdings schon immer vermutet habe.
Schwarz, eine der beliebtesten Autofarben, jedes fünfte neue Auto wird in schwarz ausgeliefert. Und wo gibt es das schwärzeste Schwarz? Bei Mercedes, BMW, Porsche? Nein, da muss man schon etwas weiter reisen als bis Untertürkheim oder Zuffenhausen: Das sogenannte „absolute Schwarz“ findet sich im Weltraum. In physikalischer Definition ist es die Farbe eines nichtleuchtenden Körpers, der alles Licht schluckt. Statt „absolutem Schwarz“ schlage ich allerdings als künftige Sprachregelung vor: 12 Jahre Merkel.
Schwarzsehen und Schwarzhören
Auch Mad Max und ähnliche apokalyptische Reiter fahren grundsätzlich Schwarz. Das Roadmovie kommt bestimmt mal wieder spät abends im Fernsehen. Stilecht ist das Zuschauen aber nur, wenn man sich die GEZ-Gebühren spart. Schließlich sind Schwarzsehen und Schwarzhören die Rache des kleinen Mannes an der Gebühreneinzugszentrale. Damit jetzt niemand beleidigt ist, schlage ich als Berliner Ersatz-Terminus für Schwarzseher und Schwarzhörer vor: Durchblicker und Kopfhörer.
Das Attribut schwarz – und hier liegt das Problem – hat oft mit der dunklen, nächtlichen Seite des Daseins zu tun. Es verweist mitunter auf ebenso verbotene wie lohnende Tätigkeiten, man denke nur an Schwarzarbeit, Schwarzhandel oder Schwarzmarkt. Ein schwarzer Lamborghini, der mit Schwarzgeld bezahlt wurde, stellt selbstverständlich ein besonders authentisches Automobil dar. Er ist gewissermaßen absolut schwarz, siehe oben Weltraum.
Aber zurück in die Bundeshauptstadt, die ja bekanntlich eine feste Heimstatt des Schwarzen Blocks ist. Ich schlage als Alternative zu dem problematischen Wort eine erläuternde Beschreibung vor. Schwarzer Block = Farblicher Beweis dafür, dass der Faschismus als Antifaschismus wieder aufersteht.
Und ganz zum Schluss müssen wir natürlich auch noch auf das Schwarze Loch kommen. Von den verschiedenen schwarzen Löchern am einfachsten zu verstehen sind stellare Schwarze Löcher, die entstehen, wenn ein Stern einer bestimmten Größe seinen gesamten Brennstoff verbraucht hat und kollabiert. Während die äußeren Hüllen dann in einer Supernova abgestoßen werden, fällt der Kern durch seinen Schweredruck zu einem extrem kompakten Körper zusammen. Wer die Formulierung Schwarzes Loch vermeiden will, sage einfach: Berlin.
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