Dirk Maxeiner / 26.08.2018 / 06:13 / Foto: Tim Maxeiner / 24 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Die Schlepper-Tour

Bevor sie sich von mir verabschieden, geben mir meine Autos immer noch eine Chance. Undankbare Kisten fliegen einfach auf der Autobahn in die Luft, hinterlassen viel Rauch und eine Ölspur. Und das war’s dann. Nicht so mein Volvo 760. Der hängt an mir. Er stand vor der Tür und vor dem Losfahren flüsterte mir eine innere Stimme mit Ikea-Akzent, ich möge doch einmal den Ölstand des Automatikgetriebes prüfen.  Und tatsächlich: Der Ölstab zeigte null. Null Komma null. Ich goss einen Liter Automatik-Öl nach. Nix. Noch einen Liter. Nix. Noch einen Liter. Nix. Wo geht das Zeugs hin? Drei Oktoberfest-Maß und kein Harndrang. Gibt es das? Ich schaue unterm Getriebe nach. Da tropft nichts. Ja will der mich verarschen? Und wie ich da so unterm Auto liege, zupft mich ein Nachbar am Hosenbein und weist mich auf das Geschehen oben unter der geöffneten Motorhaube hin. Dort brodelte ein mittlerer isländischer Geysir und spuckte ein Gemisch aus heißem Wasser und Automatiköl aus. Auf verschlungenen Wegen, die nur kompliziert erläutert werden können, gelangte das Getriebeöl in den Kühlwasserkreislauf. Grande Katastrophe, Motor schnell abstellen.

Anruf bei einem Freund, der in der niederbayrischen Pampa ein Volvo-Widerstandsnest unterhält. Dortselbst schaut ab und zu ein Wandergeselle vorbei, von Beruf Volvo-Mechaniker und mit allen Automatikwassern gewaschen. Solche Leute werden in Gold aufgewogen. Die Ferndiagnose ergibt: Wenn ich Glück habe, ist ein minimalinvasiver Eingriff möglich. Es folgt die Aufforderung: Bring das Ding vorbei. Aber wie? Fahren ist ja nicht. Ein Autotransporter musste her. So ein kleiner Abschlepper, wie ihn die gelben Engel vom ADAC benutzen. Tatsächlich machte ich einen Leih-Transporter ausfindig, nicht in Niederbayern, sondern am anderen Arsch der Welt, in Oberschwaben. 

Bei Abgleich der maximalen Zuladung mit dem stattlichen Gewicht meines Volvo stellte ich eine gewisse Diskrepanz fest, beschloss aber, meine Brille verlegt zu haben. Wieso soll ich nicht auch mal meine Brille verlegen? Das kommt in den besten Kreisen vor. Wolfgang Schäuble verlegte seine Brille bei einer 100.000-Euro-Parteispende, Cem Özedmir bei der Verbuchung seiner Flugmeilen, beim BAMF in Bremen verlegte sogar die komplette Asylbehörde zwei Jahre lang die Brille. Im übrigen ist der Artenschutz eindeutig das höhere Rechtsgut gegenüber der StVZO.

Das letzte vollanaloge Unternehmen westlich des Urals

Der Auto-Vermieter war eines der letzten vollanalogen Unternehmen westlich des Urals. Vor einer Bauernscheune wartete ein „Peugeot-Boxer“. Mietvertrag handschriftlich. Kurzes Racial Profiling. Ich krieg aber keinen Bonus, keine Ahnung was die Alten Weißen Männer vor mir mit dem Abschleppwagen angestellt haben. Daher bitte Kaution in bar. Nach fünf Minuten war ich on the road. Bei Avis oder Sixt hätte ich in der Zeit noch nicht mal die Nummer für die Warteschlange gezogen.

Zuhause konnte ich dann endlich mal eine richtig schöne Schau abziehen. Kreisende Warnlichter an, Auffahrrampen mit lautem Krawumm herunter, Seilwinde mit Abschlepphaken befestigen. Das alles mitten auf der Straße. Die Polizei, die gleich nebenan residiert, winkte mir kollegial zu. Dann dicht hintereinander mit hoher Geschwindigkeit und Tatütata zwei Streifenwagen Richtung Autobahn. Sah so aus, als seien sie unterwegs zum ZDF, um sich zu entschuldigen. In Zukunft werden sie das ZDF wieder brav vor der Meinungsfreiheit schützen. Oder umgekehrt? Wie war das jetzt noch mal? Man kommt ja ganz durcheinander. Ist aber auch egal.

Ich fühlte mich mit meinem Abschlepper jedenfalls endlich mal halbamtlich, oder zumindest wie jemand, der was Anständiges gelernt hat. Ich verzurrte den Volvo so sorgfältig, als sei es Jakob Augstein in seiner Gummizelle und ging auf die Reise. Auf der A8 kam ich mir vor wie ein gelber Engel und das ging nicht nur mir so. Es war heiß, außerdem Freitag und Urlaubszeit, und alle paar Kilometer standen Urlauber mit geöffneter Motorhaube oder geplatztem Reifen am Wegesrand.

Ein Seenotretter vor Lampedusa ist unter diesen Umständen deutlich schneller vor Ort als ein gelber Engel auf der A8. Sobald die Schiffbrüchigen meiner gewahr werden, winken und gestikulieren sie wild in Erwartung ihres Retters. Aber liebe Leute, ich bin doch nicht das Bündniss Seebrücke. So ist das Leben. Man kann leider nicht jedem helfen. Außerdem helfe ich mir gerade selbst, seht ihr doch. Ich ließ enttäusche Gesichter zurück. Sie erinnerten mich ein wenig an Schiffbrüchige auf einer einsamen Insel, die über sich ein Flugzeug erspähen, aber nicht schnell genug ein Signalfeuer anzünden können.

Volvo-Bürger sind die Elche unter den Wutbürgern

Beim Abschlepperfahren kommt man auf die tollsten Ideen, zumindest geht es mir so. Ich finde jedenfalls, dass die Migrations-Autobahnen dringend vom ADAC betreut werden sollten. Da müssen endlich Profis ran. Die Sache ist doch ganz einfach: Man erwirbt in Dakar oder Lagos eine Plus-Mitgliedschaft für 84 Euro inklusive Auslandskrankenversicherung und macht sich unbesorgt auf den Weg. Da kann kein lokaler Schlepper mithalten. Bleibt der Schrottkahn auf hoher See liegen, schickt der ADAC ein hübsches gelbes Schlauchboot und macht die Fuhre wieder flott. Ist das nicht möglich, gibt es eine Übernachtung in einem ordentlichen Strandhotel. Dauert die Reparatur zu lange, stellt der gelbe Engel einen Leihwagen zur Weiterreise nach Dortmund oder Berlin. Alleine in Afrika warten 1,2 Milliarden potenzielle Neumitglieder auf einen ordentlichen ADAC-Service. Was gibts da noch zu überlegen?

Nach zwei Stunden Fahrt nähere ich mich der Halle meines Freundes. Sie liegt einsam in einem von der Hitze ausgedörrten Tal, nix als Felder und ein paar Kühe am Horizont. Mein Freund lebt dort gemeinsam mit seinen alten Volvos, es sind ausgesprochen zuverlässige Bezugspersonen. Böse Geister und Ahnungslose wie Svenja Schulze werden hier mit vorgehaltenem Kruzifix verscheucht. Volvo-Bürger sind die Elche unter den Wutbürgern, bitte halber Tacho in Metern Abstand.

Es ist tatsächlich 12 Uhr mittags, und ich fühle mich leicht an Fort Laramie erinnert. Um die Halle herum ist eine veritable Wagenburg aus Schwedenstahl in verschiedenen Verfallsstufen aufgebaut. Ich werde meinem Freund zum nächsten Geburtstag ein Warnschild schenken: „Achtung, Sie verlassen jetzt den Einflussbereich der Deutschen Umwelthilfe“. Wir erwägen die Gründung der freien Republik Volvostan, in der nur alte Schweden Asyl bekommen. Für einen Leopard II der Bundeswehr würden wir eine Ausnahme machen, er muss ja nicht fahren, nur schießen. 

Foto: Tim Maxeiner

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Helmut Opper / 26.08.2018

Eine schöne Geschichte und sehr nett zu lesen. Übrigens war sicher der Getriebeölkühler der im Wasserkühler integriert ist im Laufe der Zeit undicht geworden. Hoffentlich reicht ein Spülen der Systeme aus!

Wolfgang Conrad / 26.08.2018

Das Getriebeöl wird mit Wasser gekühlt. Es gibt einen Wärmetauscher, in dem sich Automatikgetriebeöl und Kühlasser von wärmeleitenden Wänden getrennt umfließen.  Diese “ATF-Kühler” verrotten leider mit lästigen der Folge, dass Öl ins Wasser des Kühlsystems fließt und umgekehrt Wasser ins Automatikgetriebe. Hatte mein VW Golf Automatik auch mal. Der Mechaniker (hier gleich nebenan) war pfiffig. Er reinigte das Kühlsystem vom zirkulierenden Öl, indem er reichlich Geschirrspüler-Tabletten im Kühlwasser versenkte, das er ergiebigem Durchströmen des Rohrsystems bließ und wieder von vorne begann, bis er nach vielen Zyklen der Meinung war, dass mein Kühlwasser ölfrei sei. Ich, blauäugig, ließ ihn gewähren. Schließlich war er der Fachmann. Bewahre! Das Geschirrspülzeug ist aggressiv. Jahre später gingen sämtliche Gummischläuche und Verbindungsteile aus Kunststoff des Kühlsystems nahezu gleichzeitig kaputt. Unter meiner Haube spritzte das Wasser wie im dem “Boot”, als es in der Meerenge von Gibraltar am Meeresgrund lag und rundum Wasserbomben detonierten. Alles wird gut!

Ulli Kaden / 26.08.2018

Dieses Land heißt nicht Volvostan, sondern Vollpfostan und liegt nicht jenseits, sondern diesseits des Zaunes.

Hubert Bauer / 26.08.2018

@ M.Roll: “Tatsächlich machte ich einen Leih-Transporter ausfindig, nicht in Niederbayern, sondern am anderen Arsch der Welt, in Oberschwaben.” Was soll lt. diesem Satz aus dem obigen Artikel wohl der “andere” Arsch der Welt sein, wenn nicht Niederbayern? Als gebürtiger Niederbayer kenne ich den Unterschied zwischen Niederbayern und Oberschwaben. Da muss ich nicht eine Landkarte konsultieren, sondern Sie sollten bitte ein Grammatikbuch lesen.

HaJo Wolf / 26.08.2018

Wer um alles in der Welt kommt bei einem BELADENEN Abschlepper, der zudem deutlich als nicht ADAC oder AvD oder Sonstwas Fahrzeug zu erkennen ist, auf die Idee, um Abschlepp-Hilfe heischend zu winken? Naja, die Wahl- und Umfrageergebnisse in diesem Land lassen mich eh am Durchschnitts-IQ der Bevölkerung zweifeln…

Dr. Hans Steinke / 26.08.2018

1.) Ihre Situation kann ich gut nachempfinden (früher Peugeot-Fahrer). 2.) Ohne tiefere Kenntnisse vermute ich mal, dass es sich um einen defekten Simmering handelt. Das setzt eine     gemeinsame Antriebswelle für Wasserpumpe und Getriebeölpumpe voraus. 3.) Das Kühlmittel des Motors dürfte nur noch zu einem geringen Teil aus Wasser bestehen. 4.) Ein neuer Simmering kostet m.W. unter 10 €. Teilen Sie uns die Auflösung mit ? Viel Erfolg ! H. Steinke

Max Gehrmann / 26.08.2018

Auf einen alten Volvo lässt man auch nichts kommen, ich auf meinen auch nicht ;) Welche Automarke verkörpert sonst zugleich die Solidität einer gewissen Nichtangepasstheit mit unaufgeregt neutralem Auftreten? Dass Ingvar Kamprad einen Volvo 240 mit ins Grab nahm, ist symptomatisch.

Walter Wagner / 26.08.2018

Vielen Dank, konnte endlich mal wieder Lachen.

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