Dirk Maxeiner / 16.10.2016 / 06:10 / Foto: Tim Maxeiner / 3 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Der Schreck des Juchtenkäfers

Der Unimog aus dem Hause Mercedes-Benz ist eigentlich ein Dienstfahrzeug für Waldarbeiter und Winzer, für Stadtwerke und Weltenbummler. Er ist in Fahrzeugform geronnenes deutsches Ingenieurswesen aus der Zeit als es noch den Diplom-Ingenieur gab. Der Diplom-Ingenieur wurde im Zuge des Bologna-Prozesses praktisch abgeschafft, zum Bedauern des gesamten Planeten, denn er galt als Gütesiegel deutscher Tugend und Technik - so eine Art Mercedes auf zwei Beinen mit extrem gut durchblutetem Gehirn. An die Stelle der klassischen Universal-Gebildeten trat inzwischen der Master, eine technische Inselbegabung, wobei die Inseln teilweise ausgesprochen klein sind.

Aber ich will hier nicht über verschüttete Milch klagen, den Unimog gibt es ja noch. Es gibt einen ganz neuen, der sieht fast ein bisschen nach Raumschiff-Enterprise aus und ganz viele alte, denn Unimogs sind vollkommen unkaputtbar. Wenn grüne Männchen in 20 Millionen Jahren bei Stuttgart Ausgrabungen veranstalten, werden sie garantiert auf einen versteinerten „Geräteträger“ stoßen, so heißt der Unimog nämlich offiziell. Am preiswertesten kommt man an ein solches Gefährt bei der Bundeswehr ran, die immer mal wieder ausgemusterte Exemplare mit Kampferfahrung versteigert. Alte Unimogs werden allerdings allmählich teuer, weil sie bei einer Klientel Kultstatus erlangen, die die Farbe grün als Aufforderung zum Bäumeausreissen versteht. Der Unimog ist der finale Schreck des Juchtenkäfers, besonders in Verbindung mit einer Kreissäge.

Extrem gesucht ist übrigens ein wilder Trieb der Unimog-Familie, der Funmog. Irgendein Desperado in Stuttgart Untertürkheim hatte die Idee, das schnöde Arbeitstier mit allerlei Chrom und Zubehör in ein gehobenes Fahrzeug für jene zu verwandeln, die im Falle der Elektroauto-Pflicht im Garten selbst nach Öl bohren wollen. Ich hatte im Zuge einer Reportage die Gelegenheit dieses Prachtexemplar deutscher Ingenieurskunst auszuprobieren.

Beim ersten Anblick des Gefährtes dämmerte mir der Gedanke, dass der Schritt vom Unimog zum Funmog geradezu zwangsläufig war. Der Mensch neigt ja  immer mehr zu simulierter Pflichterfüllung, nicht nur im Bamf sondern auch in Fitness-Studios, in denen Sachbearbeiter zum Stahlarbeiter mutieren und Sekretärinnen Trümmerfrau spielen. Getreu dieser Entwicklung können Bewegungsarme mit dem Unimog technisches Hilfswerk, Feuerwehr oder die erneute Errichtung des Limes simulieren.

„Den Indianer-Überfall haben wir zurückgeschlagen"

Die grobstollige Entwicklungslinie des Automobils wurde beim Funmog konsequent auf die Spitze getrieben. Geländewagen sind ja irgendwo blechgewordene Ersatznatur, der Funmog scheint mir dabei die Rolle der deutschen Eiche übernommen zu haben. An diesem Auto ist alles groß und stark und ewig. Das schärfste aber ist die Hupe. Vom Kabinendach hängt oben in der Mitte ein dicker Kuhstrick herunter. Daran muss der Fahrer mit dem rechten Arm fest ziehen. Wie früher am Abzug, als die Toiletten noch obenliegende Spülkästen hatten. Es ertönt dann ein Tuten wie vom Nebelhorn eines Passagierdampfers. Bei geschlossenen Augen könnte es auch eine Dampflokomotive auf dem Weg nach Carson-City sein. Dazu passt, dass der Auspuff wie ein Schornstein neben dem Führerhaus in lichte Höhen ragt. Heißer Diesel-Qualm bringt die Luft über dem Dach zum Flimmern. Der Fahrer freut sich eigentlich über jede Gelegenheit zu hupen. Diese Hupe sagt nicht „Platz da", sondern: „Hallo, hier bin ich, es freut mich euch gesund zu sehen." Und: „Den Indianer-Überfall haben wir zurückgeschlagen."

Im Kraftfahrzeugschein wird der Funmog schlicht unter „Ackerschlepper und Zugmaschine" geführt.. Die Bodenfreiheit entspricht mit fast einem halben Meter der eines Maultieres. Das Gewicht kommt dem eines ausgewachsenen Elefantenbullen nahe, die Zugkraft ebenfalls. Im angelsächsischen Sprachraum nennen sie den „Funmog" auch „Urban Unimog". Das erinnert an den Film „Urban Cowboy". Der Urban-Unimog genießt jedenfalls die ungeteilte Sympathie des städtischen Publikums, wenn man mal von Kreuzberger Müttertreffs absieht.

Dabei ist der Funmog als Kinderbelustigung unschlagbar. Er ersetzt einen ganzen Vergnügungspark. In kürzester Zeit habe ich etwa 350 Gören spazieren gefahren. Dies gab mir dann auch einen Einblick darin, wie weit es mit der Gewaltbereitschaft unserer Jugend gekommen ist. Selbst die netten Pfarrerskinder von nebenan vergaßen hoch oben im Funmog die gute Kinderstube und vor allem die zehn Gebote. Originalton: „Klasse, jetzt machen wir unsere Straße platt".

Einparken stellt überhaupt kein Problem dar, selbst wenn der Parkplatz besetzt ist 

Der Funmog darf mit dem normalen Auto-Führerschein  gefahren werden. Ein Segelschein ist nicht notwendig, hilft aber. Das Auto klingt nicht nur wie ein Schiff, es giert und schwimmt auch auf den gewaltigen Luftpolstern Marke Michelin. Wer ein bestimmtes Ziel anvisiert, sollte Seitenwind und Massenträgheit mit einkalkulieren. Nach ein paar Tagen hat der Fahrer sich erstaunlich gut daran gewöhnt und er fährt mit Vorhalte.

Auch die besondere Schaltung ist leicht zu lernen. Zunächst einmal gibt es da einen Schalthebel fürs Grundsätzliche: Vorwärts mit kurzer Übersetzung, Vorwärts mit langer Übersetzung oder schlicht Rückwärts. Hat der Fahrer sich entschieden, greift er zu einem zweiten Schalthebel für die Details: Erster bis Vierter Gang. (Nehmen Sie irgendeinen, es spielt keine große Rolle). Auch rückwärts stehen vier Gänge zur Auswahl.

Einparken stellt überhaupt kein Problem dar, prinzipiell sogar wenn der anvisierte Parkplatz besetzt ist. Ansonsten ist das Ding so übersichtlich wie der Eifelturm mit Blick von der Besucher-Plattform. Ausgesprochen amüsant fand ich die Bemühungen einer Politesse, meinen vorschriftsmäßig hinter der Windschützscheibe platzierten Parkschein zu kontrollieren. Das Angebot, ihr mit einer Leiter in die zweite Etage zu helfen, quittierte sie mit der wenig damenhaften Bemerkung: „Verarschen kann ich mich selbst."

Beim Kauf eines Funmog sollte der sensible Käufer auf die Farbe achten. Empfehlenswert ist beispielsweise ein freundliches Dunkelrot. Nicht empfehlenswert sind folgende Farben: Weiß - denkt jeder an einen versprengten UN-Konvoi. Blau - technisches Hilfswerk. Gelb - Gebirgspost (Eilzustellung für Herrn Messner). Besonders abzuraten ist von olivgrün: Es wird spätestens an der Grenze zum Elsass zurückgeschossen.

Folgerichtig unterliegt der Unimog beim Export dem Kriegswaffen-Kontrollgesetz. Als Dienstwagen für Diktatoren und Deutsche Bank-Manager drängt sich das Mobil ja geradezu auf: Die beiden serienmäßigen Aluminiumkisten auf der Ladefläche fassen 50 Millionen Dollar Fluchtgeld in kleinen Scheinen. Zeitweiliges untertauchen ist mit dem Funmog technisch kein Problem (dabei sollten Sie den Schnorchel nicht vergessen). Es lassen sich für den Funmog natürlich auch zahlreiche Einsatzmöglichkeiten finden, die der gesamten Menschheit nutzen. So habe ich meinem Lieblings-Grünen erklärt, der Funmog sei in Energiewende-Zeiten das ideale Notstromaggregat für unser Wohnviertel. Das rückt die Sache mit dem Verbrauch in ein ganz anderes Licht. Steckdose hat er serienmäßig.

Foto: Tim Maxeiner

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Leserpost

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Günter Braun / 17.10.2016

Es muß heißen: An die Stelle der klassischen Universal-Gebildeten trat inzwischen der Master, der Universal-Dilettant.

Joachim Roux / 16.10.2016

Danke,  ich werde mir einen für Ibiza holen! Der Hummer ist doch passé. ..

Michael Scheffler / 16.10.2016

Schöner Text, kleine Korrektur: auf die Masse es an und nicht auf das Gewicht. Denn die Masse muss nach Newton beschleunigt und abgebremst werden. Sie geht gleichfalls in die kinetische Energie ein. Erst aus dem Produkt von Masse und Erdbeschleunigung wird das Gewicht. Merkt ein deutscher Diplomingenieur an ...

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