Wahre Worte. Und um auf die Fernsehpreis Geschichte zu kommen, geriet ich am vergangenen Donnerstag zufällig auf die Verleihung der goldenen Kamera, vom ZDF übertragen. Fazit nach kurzer Zeit: Das war die seit langem größte Ansammlung von Hohlköpfen, die ich gesehen habe, alle in feinem Zwirn. Es war die schiere Selbstbeweihräucherung einer dekadenten, wohlstandsverwahrlosten Kaste. Der Höhepunkt war die Heiligsprechung eines türkischen Doppelpassinhabers, der schon durch Volksverhetzung aufgefallen war und das ausgerechnet durch eine Geschäftsführerin der “Funke” Mediengruppe. Da konnte man nur den Abschaltknopf betätigen, um das eigen Ansehen zu bewahren.
Ach, was bin ich geknickt heute morgen. Gerade beim Frühstück der Bericht über eine gestrige Party unter Jungjuristen, alle um die 30, die Zukunft der Jurisprudenz in der Hauptstadt. Am späten Samstag Abend - schon bier-und weinselig kommt die Rede auf Politik. Und jemand wagt es, die Kanzlerin in Frage zu stellen. Sofort scharen sich die Aufrechten um diese Unperson und betrachten sie neugierig, verwundert, verächtlich. Denn, da ist man sich einig, sie arbeite doch wirklich sehr gut, die Kanzlerin, was sie tue, sei doch alles sehr begrüßenswert, einfach alles. Auf jedes Argument des EINEN Zweiflers in der Runde hagelt es vorwurfsvolle Fragen: Bist Du etwas FÜR Atomstrom? Willst Du etwa den armen Menschen aus Syrien NICHT helfen? All die gutgekleideten Jungakademiker, nicht selten mit Prädikatsexamen sind moralisch vollkommen eins, das schwarze Schaf in ihren Reihen verstummt beschämt und hilflos. Und ich, die Alte, kann nicht fassen ,was ich heute morgen höre. Sind sie schon wieder so gleichgeschaltet, selbst die Hochgebildeten, selbst die Klugen, die künftige Judikative noch dazu? Ich könnte heulen….
Es regt zum Nachdenken an, was Dirk Maxeiner schreibt. Wir grau gewordenen EX - “DDR” ler waren stolz und optimistisch, seit der Flucht oder seit 1989 auf den “DDR” - Blick verzichten zu können, wenn uns auch zuweilen die Meinungsvielfalt zu irritieren vermochte. Dass sie die Hefe im Gärungsprozess der Demokratie darstellt, mußten wir oft erst lernen. (Wobei uns dumme linke Argumente schmerzten und dies immer noch tun.) Inzwischen ist es leider tatsächlich so, dass ich bestimmte Themen in bestimmen Umfeldern besser nicht anschneide. Weniger aus Angst vor Konsequenzen, mehr aus Harmoniebedarf. ( Man ist schließlich im Alter vor derartigen Einschränkungen nicht gefeit.) Wobei die Vergleiche mit den “DDR” - Gegebenheiten hinken. Dort waren die Fronten klarer, hier und jetzt sind sie subtiler, versteckter wenn man so will. Wenn ich aber im obigen Text “sprechen” durch “schreiben” ersetze, ist die Achse an sich schon ein Gegenargument. Lieber Dirk Maxeiner, das wissen Sie selbstverständlich, aber es muss und sollte hier von einem treuen Leser angemerkt werden. Ich denke, aus der Achse ist inzwischen eine Kurbelwelle mit gehörigem Rotationsmoment geworden, auf die der politische Diskurs Deutschland nicht verzichten kann, und auf die auch in zwanzig Jahren noch mit historischem Interesse - und mit Gewinn ! - geblickt werden wird.
Nur wer gegen den Strom schwimmt, erreicht die Quelle.
Wer nicht gegen den Strom schwimmt, kann seine Position nicht halten. Wer mit dem Strom schwimmt driftet bergab.
In jeder Epoche gab es Menschen, die die Relativität des gerade vorherrschenden Zeitgeistes durchschauten und sich von diesem nicht anstecken ließen. Es waren Menschen, deren „geistig-moralisches“ Rüstzeug ausreichend bestückt war, um sich tatsächlich eine eigene Meinung zu bilden. Das war nicht selten lebensgefährlich. Mindestens hatte es den sozialen Ausschluss zur Folge. Doch waren dieses häufig Menschen, die nicht anders konnten. Selbst wenn sie gewollt hätten, es hätte nicht geklappt. Sie durchschauten zu viel, verstanden zu viel, und wenn sie nicht das Glück hatten, Gleichgesinnte zu finden, vereinsamten sie, landeten in Gefängnissen, auf dem Scheiterhaufen oder am Galgen. Oder sie schafften es doch, sich anzupassen, hielten den Mund und würden unglücklich. Die Bibel meint, wenn sie von Propheten spricht, möglicherweise diesen Typus Mensch. Typen, die auf die Gefahr hin des eigenen Unterganges, den Leuten „ihre“ Wahrheit mitteilten. Jedenfalls gab es sie wohl immer schon. Die, die dem Zeitgeist widerstehen.
Das oben zitierte Interview Maischberger/Trittin/Kurz hat einen Platz im Geschichtsbuch verdient: was Trittin absondern wüde, war von vornherein klar. Dieser blutjunge Kurz ist in seiner Gelassenheit aber geradezu übermenschlich. Und Maischberger bleibt, was sie schon immer war: eine Systemschnalle, die gerade wegen ihres Konformismus vom Apparat mit Ehrungen überhäuft wird. Fast ein “Held der Arbeit”, obwohl das schon wieder die tatsächlichen Helden der Arbeit beleidigt, die nie für etwas anderes als für ihre Arbeit gefeiert wurden. Maischberger dürfte ahnen, daß der Wind bald aus einer anderen Richtung weht. Spannend, zu sehen, wie sie jetzt verfährt - versucht sie eine Kehrtwende? Elegant dürfte die kaum ausfallen. Oder legt sie sich das Image der knorrigen Überzeugungstäterin zu, Motto: hier stehe ich, ich kann nicht anders. Fragen über Fragen . . .
Weise Worte
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