Dirk Maxeiner / 31.03.2019 / 06:29 / Foto: Tim Maxeiner / 92 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Dein Auto als Staats-Trojaner

Stellen Sie sich mal Folgendes vor: Jeder Fremde, der die deutsche Grenze überschreitet, bekommt obligatorisch eine elektronische Fußfessel an die Hacke geklebt. Damit können die Staatsorgane jederzeit feststellen, wann er sich wo aufhält und ob er sich dabei an die Gesetze hält. Als Begründung für dieses Verfahren wird die öffentliche Sicherheit angegeben, denn von solchen Personen könnten Risiken für die Allgemeinheit ausgehen. Das wäre der lupenreine Generalverdacht und es gäbe in diesem Land zu recht einen veritablen Aufstand. 

So etwas ist einfach undenkbar? Von wegen. Es ist beschlossene Sache. Allerdings betrifft es nicht Zuwanderer aus fernen Weltregionen, sondern die schon länger hier Fahrenden: In drei Jahren (also ab 2022) schreibt der oberste Sowjet in Brüssel die elektronische Vollverwanzung von Neuwagen vor. So wurde es am vergangenen Dienstag vom EU-Parlament  beschlossen. Der Automobilist stehen ja schon länger unter Generalverdacht, für alle Übel dieser Welt verantwortlich zu sein, da darf man schon etwas grober werden. 

Das alles geschieht natürlich nur zum Wohle des Untertanen, dient der Sicherheit und dem Allgemeinwohl. Big Brother nennt sich „ISA“ – Intelligent Speed Assist – zu deutsch: „lntelligenter Geschwindigkeits-Assistent“. Woran erinnert mich diese Art von Formulierung bloß? Ah, an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, den der Bürger seit der neusten Sprachregelung nicht mehr „bezahlt“, sondern „ermöglicht“. Die Zwangsgebühren dafür sind auch kein Rundfunkbeitrag, sondern „eine proaktive, selbstbestimmte Beteiligung der Bürger am gemeinsamen Rundfunk ARD". Und wenn die Regierung dich auf dem Beifahrersitz überwacht und herumkommandiert, dann handelt es sich um einen „intelligenten Geschwindigkeits-Assistenten“. Und ich bin übrigens der Kaiser von China.

Kein Schwein guckt hin

Wie praktisch für die Apparatschicks, dass mal wieder kein Schwein näher hinguckt, was da in Brüssel tatsächlich durchgewinkt wird. Wie sagte Jean-Claude Juncker ohne rot zu werden: "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt."

Es geht nämlich nicht nur um Geschwindigkeits-Überwachung, sondern um Totalkontrolle. Aber ich will das Framing erst einmal den journalistischen Kollegen überlassen:

Ab 2020 stoppt die EU die Unfallgefahr“, meldet DIE Welt begeistert. „Sicherheitssysteme für Neuwagen verpflichtend“, schreibt Focus euphemistisch, „auf menschliches Versagen zurückzuführende Unfälle sollen so verhindert werden. Ab 2022 sollen Neuwagen nicht nur mit Spurhalteassistenten und erweitertem Notbremsassistenzsystem ausgerüstet sein, sondern auch mit einem 'Intelligent Speed Assist'".  

Eine Nuance deutlicher wird man bei MSN-News: „EU knallhart: Alle Neuwagen bekommen Tempo-Bremse.“ Und weiter: „Der ‘Intelligent Speed Assist‘ reduziert die Motorleistung, wenn gegen ein vorgeschriebenes Tempolimit verstoßen wird. Dazu nutzt der ISA eine Kamera, die Straßenschilder mit Tempolimit-Hinweisen ausliest, den Fahrer alarmiert und schließlich die Motorleistung drosselt“. 

Wer das ganze Ausmaß der Geschichte begreifen will, sollte hingegen „Road & Track“ lesen, das Leib- und Magenblatt der amerikanischen V8-Fraktion. Dort wird das volle Ausmaß der Enteierung und Überwachung so dargelegt:

„Say hi to the government in your car!“ Frei übersetzt: „Sag Hallo zur Regierung auf dem Beifahrersitz“. 

Der Hammer, der sich hinter der Einführung diverser Sicherheitssysteme wie einer Notbremsfunktion (die teilweise durchaus sinnvoll sind) verbirgt, liegt nämlich in einem kleinen Detail, das meist unerwähnt bleibt: Ein sogenannter „Data Logger“ zeichnet auf, wann, wohin und wie schnell du fährst. Staatliche Kontrolettis müssen sich angesichts der Möglichkeiten vorkommen wie ein Zehnjähriger, der im Bonbonshop eingeschlossen wurde.

Solche Data-Logger gibts bereits in vielen Autos. Bislang galt aber zumindest theoretisch eine Vereinbarung des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) mit den Datenschutzbehörden:

"Soweit bei Nutzung eines modernen Kraftfahrzeugs Informationen erzeugt und verarbeitet werden, die eine Verknüpfung mit der Fahrzeugidentifikationsnummer oder dem Kfz-Kennzeichen aufweisen, sind diese als personenbezogen im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes zu werten".

Das dürfte bald hinfällig sein. Die elektronische Massenüberwachung  ist zwar für die Verbrechensbekämpfung verboten, für die Verfolgung von Dieselfahrern wahrscheinlich demnächst erlaubt. Als Hebel dafür dienen die Fahrverbote in den Innenstädten. Ein vom Verkehrsministerium vorgelegter Entwurf zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes sieht  eine elektronische "Überwachung von Verkehrsbeschränkungen und Verkehrsverboten" vor, "die zum Schutz der Wohnbevölkerung oder der Bevölkerung vor Abgasen zur Abwehr von immissionsbedingten Gefahren ergehen". Dafür sollen die Behörden nicht nur Aufnahmen der Fahrzeuge und ihrer Kennzeichen, sondern auch der Fahrer automatisiert erfassen und speichern dürfen.  Geplant sind die automatische Erfassung des Autokennzeichens, von Bildern des Fahrzeuges und des Fahrers, von Ort und Zeit der Teilnahme am Straßenverkehr sowie ein Datenabgleich.

Künftig muss kein Meter mehr unbeobachtet bleiben, weil das Auto seinen Fahrer sogar selbst überwacht und gegebenenfalls bei den Behörden verpfeift, egal ob er falsch parkt oder unberechtigt in der Umweltzone herumirrt. Der Fahrtenschreiber ist immer dabei. Auch Alkohol (Jean-Claude muss draußen bleiben) und Übermüdung werden registriert. Dank eines obligatorischen Verbrauchsmessungsgerätes (schon ab 2020) lässt sich im übrigen auch feststellen, wieviel Benzin der fahrende Klimaschädling dabei verbraucht. Dem Social-Scoring des Automobilisten, methode chinoise, steht somit als Fernziel zur Beglückung der Menschheit nichts mehr im Wege. 

Der Staat ist die größte Datenkrake überhaupt

Wer an die aus dem Auto übertragenen Daten heran kann, steht derzeit noch in den Sternen. Die bisherige Erfahrung verheißt nichts Gutes. Dafür genügt ein Blick auf die Abschaffung des Bankgeheimnisses und die Praxis der Finanzämter, in unseren Konten herumzuschnüffeln. Künftig können sie dann auch gleich überprüfen, ob der Steuerzahler dienstlich unterwegs war oder einen Privatabstecher zu seiner Freundin einlegte. Der gleiche Staat, der vorgibt, mit absurden Gesetzen wie der Datenschutzverordnung DSGVO die „Privatsphäre“ der Bürger zu schützen, ist selbst die größte Datenkrake überhaupt, aber kaum Gegenstand öffentlicher Empörung, medialer Aufmerksamkeit oder gar juristisch bindender Einschränkungen. Er weiß schon heute mehr über den Bürger, als dieser jemals freiwillig eingeräumt hätte.

Was ist das eigentlich für ein negatives Menschenbild, das dieser Staat von seinem Bürger hat? Während man offenbar davon ausgeht, dass nur grundgütige Menschen aus der Ferne zu uns streben, denen man bis zum Beweis des Gegenteils und darüber hinaus Vertrauen schenken sollte, ist beim gemeinen Autofahrer davon auszugehen, dass dieser besoffen, übermüdet und mit kriminell überhöhter Geschwindigkeit unterwegs ist. Irgendwie scheint mir das Menschenbild unserer Gesetzesfabrikanten ein wenig gespalten. Ein Land, das nicht einmal seine Grenzen bewacht, führt für Autofahrer die elektronische Käfighaltung ein.

Schöne, flotte Autos geraten also nicht nur aufgrund der neuen EU-Abgasregelungen in Europa auf die rote Liste. Was soll ein tolles Auto, wenn Papa Staat dir den Saft abdreht wie bei einem Autoscooter auf der Kirmes, wenn der Chip verbraucht ist?  Das alles geht allmählich an die Seele des Autos, an seine Idee an sich. Das Auto ist eben nicht nur etwas, es MEINT etwas. Es meint Freiheit und Autonomie. Die alten Griechen hatten noch keinen blassen Schimmer vom Auto, aber von Autonomie verstanden sie etwas: Diese umfasste das Recht, „die eigenen inneren Angelegenheiten unabhängig von einer anderen Macht bestimmen zu können“. Und genau das wird jetzt Stück für Stück zerstört. Für den Fortbestand der Automobilindustrie ist die seelische Entkernung des Autos wahrscheinlich eine noch viel größere Gefahr als prohibitive Verbrauchs- und Abgasvorschriften

Sich selbst zu zitieren, ist ja fast so peinlich wie von sich selbst in der dritten Person zu sprechen. Ich mache aber jetzt mal eine Ausnahme, weil man in diesem Beruf  ab einem gewissen Alter alles schon mal geschrieben hat. Jedenfalls überkam mich bereits vor 25 Jahren in dieser Sache ein seherischer Gedanke, den ich für die Nachwelt im SPIEGEL deponierte

"Im Grunde ist der Schritt genial: Das Auto wird zur Straßenbahn, und keiner hat's gemerkt. Die Autoindustrie wird weiter und weiter Autos bauen. Nur daß diese Autos irgendwann keine Autos mehr sind, sondern hübsche Einzelabteile einer republikumspannenden Vorortbahn. Der Vorgang erinnert ein wenig an die Erfahrung jenes Jesus-Schnitzers aus Oberammergau, der auf Geheiß seines Kunden immer mehr Schmerz ins Gesicht seines Heilands schnitzen muß. Bis er zuviel nachgebessert hat und flucht: "Verdammt, jetzt grinst er."

Ach so, hier noch ein praktischer Tip: Die letzten unverwanzten Neuwagen werden bald gehandelt werden wie eine blaue Mauritius. Suchen sie am besten gleich am Montag den Dealer ihres Vertrauens auf. Ich fürchte, es gibt demnächst Wartelisten und lange Schlangen.

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er) Portofrei zu beziehen hier.

Foto: Tim Maxeiner

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Hjalmar Kreutzer / 31.03.2019

Oh, oh, welch „schöne“ Nachrichten am Sonntagmorgen! Die Kfz.-Mechatroniker werden bald die ungekrönten Könige sein, es wird ein Statussymbol sein, „jemanden zu kennen“. Sie werden sich vor Liebenswürdigkeiten und Bakschisch nicht retten können, wie in der DDR im Wettlauf um einen Werkstatt-Termin für den Trabbi. Hauptsache, sie kennen den Trick, div. Kameras im Auto und den Datalogger lahm zu legen. Mancher Vater wird seine Kinder schelten: „Hättet Ihr mal was Anständiges gelernt, statt zu studieren!“ Die Vollverwanzung der Kassenarztpraxen ist übrigens in vollem Gange: Bei Strafe von 1% Honorarabzug, ohne dass es große Aufstände und Ärztestreiks gegeben hätte, müssen die Praxen seit 01. Jan. 2019 an eine „Telematikinfrastruktur“ angeschlossen sein, die online angeblich nur die Versichertendaten abgleichen sollen. Vorfinanzierung mehrere Tausend Euro, zusätzliche Wartungsverträge, soll angeblich alles erstattet werden - wer‘s glaubt. Die Krankenkassen, der Staat, jeder von dem Arzt und Pat. nicht wissen, wer die Daten alles sehen kann, erfahren künftig, dass Fritze Müller am 01. April um 11:30 mit Tripper bei Dr. Mabuse war. Ich werbe bereits damit, dass es bei mir diese elektronische Gesundheitsstasi nicht gibt, höre allerdings zum Jahresende mit dem ganzen Irrsinn auf. 70% der deutschen ärztlichen Untertanen in meiner geliebten kleinen DDR Brandenburg sollen sich schon angestöpselt haben. Ein deutscher Untertan und Pat. teilte mir übrigens mit, dass er seine neue Adresse auf der Krankenversichertenkarte noch nicht habe eintragen lassen, dies solle ich als Arzt ja online machen. Er war ganz baff, dass ich das noch nicht getan hätte. Nun ja, 2017 fanden 87,4% der Wählerschaft die bisherige Politik ooch allet janz knorke hier.

Wolfgang Lechner / 31.03.2019

Sehr geehrter Herr Maxeiner, herzlichen Dank für die Aufklärung zu den Hinterhältigkeiten des jüngsten EU-Komplotts gegen uns Autofahrer. Heute ist mir klar geworden warum mein LANDY “Defender” heißt und wohl auch einer ist.  Nach einer intensiven Unterbodensanierung im vergangenen Jahr kriegt er heuer noch neue Türen. Den Motor des Defi schütze ich schon längst gegen Feinstaub durch einen Schnorchel mit Zyklonfilter. So werden wir, solange es geht, gemeinsam unserem hoffentlich noch nicht so nahen Ende entgegenfahren. Es kommen wieder andere Zeiten. Wir müssen nur durchhalten.

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