Dirk Maxeiner / 17.03.2019 / 06:20 / 59 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Bertha und Greta

Autogegner vergessen oft, beziehungsweise sie wissen es erst gar nicht, dass die Karriere des vom Manne geliebten Brummbrumms eng mit einem gewagten feministischen Akt verbunden ist. Es war nämlich Bertha Benz, die Gattin von Carl Benz, die die Erfindung ihres Mannes auf die Überholspur lenkte. Die couragierte Dame investierte ihr Erbe in eine Verbrennungsmaschine mit dazugehörigen Rädern, die als erstes praxistaugliches Automobil gilt. Der von ihrem Mann entwickelte dreirädrige Motorwagen war aber erst einmal ein Flop, weil niemand wusste, was er damit anfangen sollte. 

Aber Bertha Benz wusste es. Als ihre in Pforzheim wohnende Schwester im August 1888 ein Kind zur Welt gebracht hatte, beschloss sie kurzerhand, mit ihren beiden Söhnen dort hin zu fahren. Wozu hat man schließlich ein Auto in der Garage (damals hieß das noch Motorwagen oder pferdelose Kutsche). Von der Werkstatt ihres Mannes in Mannheim nach Pforzheim waren es 106 Kilometer.  

Bertha Benz hatte keinen Führerschein, sowas gab es aber auch noch nicht. Dafür gab es ein Fahrverbot der Mannheimer Polizei für den Motorwagen (ganz nebenbei: Fahrverbote haben in deutschen Städten somit eine Tradition von 130 Jahren, damals fürchtete man allerdings nicht die Luftverschmutzung, sondern scheuende Pferde). Der erste Benz durfte deshalb nur auf ein paar Kilometern ausgewiesener Teststrecke bewegt werden. Was Bertha Benz nicht die Bohne interessierte. Sie brach im Morgengrauen auf, selbstverständlich ohne ihren Göttergatten vorher informiert zu haben. Der ängstliche Carl hätte es garantiert verboten. 

So viele Apotheken wie heute Tesla-Ladestationen

An diesem Tag emanzipierte sich Bertha von männlichen Vorschriften und außerdem die Menschheit von der Eisenbahn. Sie landete gleichsam einen freiheitlichen Doppelsieg, denn die Tour klappte – wenn auch nicht ganz ohne Hindernisse. So musste in den Apotheken am Wegesrand Ligroin, auch bekannt als Waschbenzin, zum Nachtanken aufgetrieben werden (es gab ungefähr so viele Apotheken wie heute Tesla-Ladestationen). Die Alltagstauglichkeit des Automobils war jedenfalls bewiesen und die knatternden Dinger fanden immer mehr Käufer. 

Es lag also nahe, dass Mercedes-Benz, die einzige Automobilmarke mit einem Genderstern auf der Haube, den revolutionären Akt zum Weltfrauentag gehörig feiert. Das tat man mit einem kinoreifen vierminütigen Video, produziert von der Mercedes-Werbeagentur Antoni aus Berlin. Von der Machart ist „Bertha Benz: Die Reise, die alles veränderte“ eine gut gemachte Mischung aus Schlafes Bruder und Italo-Western. Bäuerinnen fallen auf den Feldern auf die Knie, ein Mädchen hält sie für eine Hexe, Männer spucken vor ihr aus. Doch Bertha Benz rollt mit ihren Söhnen unbeirrt durch die Landschaft, improvisiert bei einem Defekt – und das mit ihrem Strumpfband (was der historischen Wahrheit entspricht). Am Schluss heißt es: „Sie glaubte an mehr als ein Auto. Sie glaubte an sich.“ 

Klar, das kann man auch als Zeitgeist-Geschwurbel und leicht anbiedernd empfinden. Geht mir aber in diesem Fall nicht so. Denn der Benz-Kurzfilm hat bei genauem Hinschauen eine zweite Ebene. Und die ist in Zeiten wie diesen ziemlich subversiv. Ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob das nun beabsichtigt ist oder nicht. Aber das ist ja auch egal. Es geht mit dem kleinen Mädchen los, das Bertha Benz erst für eine auf einem Geisterwagen fahrende Hexe hält. Dieses Mädchen ist Greta Thunberg wie aus dem Gesicht geschnitten, die zwei obligatorischen Zöpfe inklusive. Mit einem verschwörerischen Blick weist das Mädchen Bertha Benz den Weg zur örtlichen Spelunke, wo der Apotheker versackt ist. Greta als „Sister in Crime“ von Bertha Benz, das gefällt mir wirklich gut. 

Frauen ziehen während der Landarbeit einen Pflug

Noch besser gefällt mir, wie realistisch die damalige Armut der Bevölkerung gezeigt wird. In der Eingangsszene zieht eine Gruppe von Frauen während der Landarbeit einen Pflug durch ein verschlammtes Feld. Man hatte nicht einmal Pferde für diese Arbeit. Der Verbrennungsmotor machte die Menschen nicht nur mobiler, er ersetzte auch unmenschliche Muskelarbeit, die vielfach zum Alltag gehörte. Er ersetzte auch oft knietiefen Pferdedung, der sich damals in den Straßen der Städte türmte und zur massenhaften Verbreitung von Krankheiten wie Tuberkulose beitrug (Das Stuttgarter Neckartor ist im Vergleich dazu ein Lungen-Sanatorium). 

Als eine der treibenden Kräfte der Industrialisierung halfen der Verbrennungsmotor und bezahlbare Energie, jenen Wohlstand zu schaffen, von dem wir heute alle profitieren. Nicht zuletzt Greta und ihre Mitschüler, die tausendfach dagegen auf die Straße gehen. 

Ich fürchte, es hat ihnen niemand erzählt, wie das Leben in der imaginierten Öko-Idylle der Vergangenheit ohne Kraftwerke, Fabriken und Autos aussah. Vielleicht sollte man das Bertha-Video auf den Lehrplan setzen. Wie heißt es nochmal am Schluss: „Sie glaubte an mehr als ein Auto. Sie glaubte an sich.“ Vor allem glaubte sie an eines nicht: den Weltuntergang.

Foto: Bühler/Automuseum Dr. Carl Benz via Wikimedia Commons

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Lutz Jordan / 17.03.2019

Naja, die Botschaft ist schon klar, aber was haben sich die Macher denn bei der stilistisch an die Italowestern angelehnte Dreck- und Sudelnummer mit Wackelkamera und das noch auf englisch(!) auf der Gestaltungsebene gedacht? So vergammelt war Deutschland vor knapp 130 Jahren, dass es ein Eintopfzerknalltreibling an den Platz an der Sonne führen musste? Dat glöv man!

Michael Scheffler / 17.03.2019

Nun ja Herr Maxeiner, Deutschland unterschied sich schon damals von den umliegenden Ländern. Üblicherweise benutzte man in unserem Land Pferde oder Kühe als Zugtiere. Mit Frauen vor dem Pflug sind Sie einer typischen Mär grünlinker Geschichtsschreibung aufgesessen. Ich empfehle einen Besuch im örtlichen Bauernmuseum. Passt eine Frau in die Trense? Wohl kaum.

Erwin Obermaier / 17.03.2019

Oh mein Gott, wenn das die Klimahysteriker und/oder die Greta-Jünger sehen, daß gibt einen Shitstorm. Bin mal gespannt, wann sich Herr Zetsche entschuldigt,  Besserung gelobt und das Video löschen läßt. Ich habe mir vorsichtshalber eine Kopie gezogen.

E. Albert / 17.03.2019

Chapeau, Mercedes-Benz! Was ist DAS für ein - bitte um Verzeihung- geiler Spot! Interessant, dass er auf englisch ist - wurde der in Schland überhaupt ausgestrahlt oder steht er auf dem Index? (Ich gucke schon länger kein ÖR mehr und weiß es daher tatsächlich nicht…) Ich frage mich immer öfter, wie lange sich die Chef-Etagen sämtlicher Unternehmen - vom Mittelständler bis zum Blue-Chip Konzern - sich diesen Deindustrialisierungs-Irrsinn eigentlich noch gefallen lassen wollen…“she’s a witch” - köstlich!

Jutta Schäfer / 17.03.2019

Die gezeigte Szenerie muss doch jedes Grüninnen-Herz höher schlagen lassen. Knietiefer Schlamm, freilaufende Schweine passen doch gut zu den Eselskarren der Grüninnen. Das Video hat prophetischen Charakter. So sieht sie aus, deren Utopie. Aber leider ist keine Berta Benz in Sicht.

Gerhard Bleckmann / 17.03.2019

Warum heißt es “Der Sonntagsfahrer” die Mehrzahl “Die” wäre richtig

Stefan Riedel / 17.03.2019

Unser Leben, unser aller Leben, ein gigantischer Werbeclip. ( Warum auch nicht?)

Werner Arning / 17.03.2019

Die Menschen (in den Industrienationen) haben sich eine Welt geschaffen, die so sauber, so lebenswert, so sicher ist, wie niemals zuvor. Sie haben sich einen Wohlstand aufgebaut, der ihnen ermöglicht, relativ sorgenfrei zu leben. Und doch ist etwas verlorengegangen, was offensichtlich schwerer wiegt als diese selbst erarbeitete „Lebensqualität“. Denn anstatt sich über das Erreichte zu freuen und es zu genießen, scheint die westliche Welt wild entschlossen zu sein, das Erreichte rückgängig zu machen. Es wieder zu zerstören. Es muss also etwas anderes, wichtiges verloren gegangen sein. Sonst würden sich diese Menschen nicht so verhalten. Was ist dieses Verlorene, welches sie sich zu ersehnen scheinen. Für welches sie gar ihren industriellen Fortschritt opfern möchten? Wissen diese Menschen überhaupt, wonach sie so verzweifelt zu suchen scheinen? Weiß es Greta? Weiß es KGE? Vermutlich nicht. Sie stehen dort und wollen zunächst einmal etwas aufgebautes wieder zerstören. Und wissen nicht, was an die Stelle des Zerstörten treten soll. Es handelt sich mehr um ein Gefühl. Sie basieren ihr Handeln auf einem Gefühl. Sie stehen dort, wie ein Kind, welchem die Eltern abhanden gekommen sind. Verlassen. Was ist es, was sie derart zur Verzweiflung bringt? Warum erhoffen sie sich Menschengeschenke. Was versprechen sie sich von dem Ausstieg aus der Kohle? Sind das nicht vielmehr Hilfeschreie des verlassenen Kindes? Es ruft nach Mama und Papa. Und weiß nicht, wer diese überhaupt sind. Trotzdem sollen sie ihm jedenfalls zur Hilfe kommen. Das ist das Einzige, was dieses Kind weiß. Nämlich, dass es Hilfe braucht. Und nicht nur Greta und KGE brauchen Hilfe, sondern eine ganze Generation, so scheint es.

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