Dirk Maxeiner / 24.11.2019 / 06:25 / Foto: Pixabay / 35 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: „Aha, Du fährst jetzt auch Tesla“.

Die November-Wochenenden sind bei uns mit wiederkehrenden spätherbstlichen Ritualen ausgefüllt. Das liegt zunächst einmal an den drei riesigen Ahornbäumen, die unser Häuschen von allen Seiten überragen. Sie sind wunderschön. Und sie sind die Pest. Sagt Sabine. Das ganze Jahr über segeln die Samen spiralförmig trudelnd vom Himmel und bohren sich in den Boden. Ihre Flugfigur erinnert an einen bei der Luftschlacht um England über dem Kanal abgeschossenen Jagdflieger. Und im Herbst fallen obendrein gefühlte Tonnen von Blättern. 

Ich greife dann stets in die unterste philosophische Schublade und appelliere an meine Frau: „Du musst den ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen gelassen akzeptieren“. Sprich: Das Zeug einfach liegen lassen. Ich befinde mich damit auf der Höhe des Zeitgeistes und der Empfehlungen des NABU: „Haufenweise Gemütlichkeit. Laub liegenlassen und Gutes tun“. Aber Sabine hat ein gebrochenes Verhältnis zur Philosophie und antwortet stets: „Du spinnst“. Das liegt daran, dass ich mich in der Vergangenheit einmal durchgesetzt hatte und im anschließenden Frühjahr lauter kleine Ahornbäume in der Regenrinne sprossen. Seitdem mache ich mir keine Sorgen mehr um das Waldsterben. Fünf Jahre keine Sabine, und die Bude ist eine Ahorn-Plantage. 

Alle paar Jahre engagieren wir einen Kletterkünstler, der sich mit seiner Säge wie ein Eichhörnchen durch die Baumkrone hangelt. Er stutzt die Äste ein bisschen, bevor sie beim Nachbarn in die Mansarde hinein wachsen. Sein altes Auto hat seit Jahren keinen TÜV mehr und ist unter den zu ihm herüberragenden Ästen in einen Dornröschenschlaf versunken. In den Lüftungsschlitzen und Regenrinnen hat sich Moos gebildet und es wachsen darin – na was schon – kleine Ahornbäumchen. Schrottautos sind wunderbare Biotope. Als die Stadt Frankfurt vor vielen Jahren mal eine urbane Biotopkartierung  vornahm, war eine Gebrauchtwagenhalde in der Borsigallee erster Sieger. Wer etwas gegen das Insektensterben tun will, sollte seine alte Blechkiste einfach vor der Tür vermodern lassen.

Sabine ist allerdings gegen diese Form der Kompostierung. Sie verbringt Tage damit, das Ahorn-Laub einzusammeln und in Plastiksäcke zu stopfen. Und mir macht sie damit ein permanent schlechtes Gewissen. Um das zu beruhigen, habe ich ihr vergangene Weihnachten einen Makita-Laubbläser geschenkt, das Feinste vom Feinen mit einem flotten Viertakt-Benzinmotor. Seitdem klingt unser Garten am Wochenende wie Schumis Go-Kart-Rennbahn in Kerpen. 

„Stellen Sie nie den Motor ab?“

Das beflügelt meine Phantasie, denn ich habe eine Vereinbarung mit Buddha, dass ich nach meiner Kompostierung als Automobiltuner reinkarniert werde und eine weitere gut motorisierte Schleife drehe. Ich überlege daher, einen zweiten Makita anzuschaffen. Als Turbolader für meinen alten Volvo-Kombi. Die Idee hab ich neulich in einer dieser Schrauberserien auf D-Max aufgeschnappt. Laubbläser in den Kofferraum, Schlauch nach vorne zum Vergaser, dann Laubbläser auf Vollgas feststellen. Und die Fuhre zischt ab wie Vettel beim Start in Hockenheim. Den Beweis, dass dies funktioniert finden Sie hier.

Der Volvon 940 Kombi ist übrigens mein Herbst- und Winterauto. Rost hat er schon, Beulen auch, außerdem beheizte Sitze und Winterreifen. Ich wechsle deshalb im Herbst nicht die Reifen, sondern das ganze Auto. Das spart Zeit und Geld. Nur die Batterie ist ein bisschen schwach auf der Brust. Deshalb habe ich mit einer Kabeltrommel aus dem Keller ein Ladegerät angeschlossen. Was Sabine zu der vollkommen unpassenden Bemerkung veranlasste: „Aha, Du fährst jetzt auch Tesla“.

Am Samstag hab ich den Volvo dann bis unters Dach mit Laubsäcken beladen und bin zur örtlichen Kompostanlage gefahren. Dort treffen sich sämtliche laubsammelnden Biedermänner des Landkreises, mich eingeschlossen. Weil meine Batterie immer noch schwächelte und ich befürchtete, dass der getreue alte Volvo nicht mehr anspringt, habe ich beim Ausladen den Motor laufen lassen. Es dauerte keine halbe Minute, bis mich die erste laubsammelnde Nervensäge anmachte: „Stellen Sie nie den Motor ab?“. Von wegen Feinstaub, Klima und so. Ich daraufhin: „Entschuldigen Sie bitte, das ist ein Elektroauto und ich lade gerade die Batterie“. Da hat er nix mehr gesagt und ist mit durchdrehenden Rädern vom Hof geschossen.

Was eine schöne Einstimmung für den Abend war. Da bin ich nämlich gemeinsam mit Sabine ins Kino gegangen. Es lief der Film „Le Mans 1966“, den DIE WELT als „reaktionäres Meisterwerk“ besprach, was uns eine unmittelbare Empfehlung war. Der Film erzählt die Geschichte des ersten Ford-Sieges in Le Mans und konzentriert sich auf die Beziehung zwischen dem Rennwagenbauer Carrol Shelby, verkörpert von Matt Damon, und dem britischen Rennfahrer Ken Miles, gespielt von Christian Bale. Es ist kein reines Brumm-Brumm-Epos, ich schwör, sondern hat eine zweite Ebene: Und die schildert, wie viele Wichtigtuer sich in einem Großkonzern verbarrikadiert haben und die Nicht-Wichtigtuer am Arbeiten hindern. Das war richtig gute Unterhaltung, die sich in der Tiefgarage unterm Kino fortsetzte. Dort wurden nach Filmende ein paar tausend brüllende Pferdestärken gezündet. Es war sogar ein stummer Tesla darunter, womöglich muss ich meine Haltung zum Tesla-Fahrer doch mal überprüfen. Vor der Ausfahrtsschranke erhob sich ein Getöse wie am Ende der Geraden von Les Hunaudières. Schade, dass ich meinen Laubsauger noch nicht eingebaut hatte.

Foto: Pixabay

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Wolfgang Richter / 24.11.2019

@ R.Müller—Nur nicht so pessiumistisch. Wie die Merkellegos an den aktuellen Weihnachtsmärkgen belegen, sind die Teile nahezu unbegrenzt wiederversetzbar, jedes Jahr aufs Neue, trotz LKW-Verladung dann auf die Zeit sicher CO2verträglich. Und als Kita-Spaß kann man die auch für jeden Anlaß neu bemalen lassen. Das fördert die Kreativität der Kleinsten. Und macht ihnen von frühester Kindheit an das neuzeitlich mögliche Problem eines bunten Miteinander mit Mahmud und Mohamed klar.

Thorsten Struhs / 24.11.2019

Der Umwelt zuliebe habe ich meinen Laubsauger entsorgt bzw. getauscht:  Gegen 2 Heizpilze…...

S. v. Belino / 24.11.2019

Umwerfend, der Sonntagsfahrer! Wie immer. - Jeder, der in seinem Leben auch nur einen einzigen Ahornbaum sein eigen nennen durfte (musste?), kann Herrn und Frau Maxeiners hortikulturelle Nöte bestens nachempfinden. Allerdings geht es noch schlimmer. Ich hatte als Hausbaum für unseren neu anzulegenden Garten eine deshalb Schwarzerle, auch Zitterpappel genannt, auserkoren, weil mich das sanfte zittrig-klappernde Rascheln, welches die tischtennisschläger-förmigen Blätter bei Wind erzeugen, auf meinen Waldspaziergängen stets fasziniert hatte. Dieses als so angenehm beruhigend empfundene Geräusch fehlte in meinem Garten noch. Allerdings hätte mich der Gärtnermeister(!), der den Jungbaum heranschaffte und pflanzte, unbedingt von einer Schwarzerle im Hausgarten abraten müssen. Nach einigen Jahren fingen hunderte aufdringlich-lästiger Rhizome an, quasi flächendeckend aus dem Boden zu sprießen. Nur, ein simples Ziehen oder Ausgraben ist im Falle von Rhizomen obsolet. Leider schien es dem Erlen-Jungvolk auch im Garten unserer lieben Nachbarn ausnehmend gut zu gefallen, sodass sich dieser drohte, sich in eine Erlen-Baumschule zu verwandeln. Das reichte unseren Nachbarn dann wirklich. Verständlicherweise reagierten sie immer ungehaltener, wenn die Sprache auf die Bäumelein kam. Um des gutnachbarschaftlichen Friedens willen blieb mir also nichts anderes übrig, als den Mutterbaum fällen, und seine sterblichen Überreste fortschaffen zu lassen. Leid tat’s mir dennoch. Hatte er sich zweifellos sehr wohl und willkommen gefühlt in meinen und der Nachbarn Garten. - Übrigens, gegen Laubbläser hab’ ich echt was. Für mich handelt es sich um eine der penetrant-lautesten, unnötigsten und unökologischsten Erfindungen des soeben erst angebrochenen neuen Jahrtausends. Allerdings steht zu befürchten, dass noch etliche weitere “geniale” Erfindungen ähnlichen Kalibers zu erwarten sind.

Werner Liebisch / 24.11.2019

@Ackermann “mit Agent Orange zu Leibe zu rücken, so wie es die Amis in Vietnam gemacht haben…” Das war ganz toll, fragen sie mal die Menschen die heute noch drunter/deswegen leiden, nebst den Autochthonen auch zigtausende US Soldaten… Mir fehlen die Worte…

Leo Hohensee / 24.11.2019

@Thomas Taterka - bei dem Thema haben Sie sich verraten. Bei Ihnen macht auch die Frau den Garten, jedenfalls sind Sie in Ihrem Garten noch keinem Gewächs mit der “Laubsäge” zu Leibe gerückt - mit der “Laubsäge” in gar keinem Fall ! - ertappt ... - schönen Gruß

Wolfgang Richter / 24.11.2019

Lieber Herr Maxeiner, Plastiktüte geht doch gar nicht. Das ist ja so was von hinter dem Zeitgeist. Wie wärs mit dem Verpacken des Laubes in einen der jetzt verfügbaren Jutesäcke aus Nikolausens Fundus. Ggf. kann ich mit einem aushelfen, den ich aus den Niederlanden habe, mit nettem Aufdruck vom “Swarte Pit”.

Claudius Pappe / 24.11.2019

Danke Hagen Müller. 3 große Ahornbäume und keinen Komposthaufen……..... grübel,  grübel…….Schon aus Geiz hätte ich bei einem solchem großen Grundstück die Biotonne abgemeldet und einen Komposthaufen angelegt. Sonst gerne Herr Maxeiner, aber ,,,,,,,,,,,,,,,,,, PS:  hier lassen die nicht so lange hier lebenden Lieferdienstfahrer ihre Motoren dauerhalt laufen. Die Fahler von DHL ( hier: sehr lange hier Lebende ) machen ihre Motoren aus !.....sind keine Streerscoccccer…..

Albert Pflüger / 24.11.2019

Ich habe auch so einen Volvo. Meiner hat keinen Vergaser, dafür serienmäßig Turbo plus. Geht ab wie Luzie. Da wird der Laubbläser nicht mitkommen. Ein geniales Fahrzeug.

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