Seit Christine Lagarde, Wolfgang Schäuble und Mario Draghi ist das Publikum sich nicht mehr sicher, ob die größten Unholde nun mit gezogener Pistole vor dem Bankschalter stehen und „Geld oder Leben“ brüllen, oder ob sie hinter dem Schalter tätig sind und „Haltet den Dieb“ rufen. Von der Schadenssumme her sind die Bankräuber eher die harmlosere Spezies, weil man Geld schneller verbrennen als klauen kann. Auf jeden Fall wollen sie allesamt an unser Bares, weshalb dieses für den Bürger gerade abgeschafft werden soll. Dann braucht man es ihm nicht mehr zu klauen, sondern kann es gleich behalten. Coole Idee eigentlich.
480 Milliarden Euro stecken beispielsweise im ersten deutschen Bankenrettungspaket. Baut man dafür aus 100-Euro-Noten einen Stapel, wird dieser 480 Kilometer hoch. Die Griechenland Geldverschickung türmt sich mit über 250 Milliarden ebenfalls schon zu einem alpinen Gebirge. Herr Schulz, Herr Juncker und Frau Merkel fahren darauf einen munteren Riesen-Slalom, Lawinenabgänge nicht ausgeschlossen.
Es ist unmittelbar einleuchtend, dass dieser Stapel nicht in ein gescheites Fluchtauto passt, selbst wenn es sich dabei um einen alten Ford-Granada- oder Volvo 740-Kombi handelt. Neuere Automobile taugen nicht einmal mehr, um einen Geldautomaten aus der Verankerung zu reißen, weil die Stoßstangen aus Pappe sind. Die britischen Posträuber beluden 1963 bei ihrem Jahrhundert-Coup einen stabilen Leyland-Lastwagen mit 2,63 Millionen Pfund in Säcken. Aus heutiger Sicht waren das "Peanuts" um im sprachlichen Jargon der Branche zu bleiben..
Inzwischen wird das Geld meist nicht mehr physisch weggeschafft, sondern wie beim Raumschiff-Enterprise gebeamt. Oder es bleibt, wo es ist, und man tut nur so, als ob man es beamt. Die Illusions-Moneten wechseln in Lichtgeschwindigkeit den Besitzer - oder besser: Sie wechseln ihn meist nicht. Sie kommen auf jeden Fall nie da an, wo man sie am dringendsten benötigen würde. Falls die Verantwortlichen eines Tages den Wohnort wechseln müssen, werden sie sich vermutlich ebenfalls mit einem Raumschiff verdünnisieren. Fluchtautos sind eindeutig zu langsam und der Heimatplanet zu unsicher.
Die Geschichte des konventionellen - oder sagen wir mal: ehrlichen - Bankraubes ist hingegen aufs engste mit der Geschichte des Automobils verknüpft, was der Schadensumme gewisse Kapazitätsgrenzen setzt.
Angefangen hat das Ganze am 25. März 1911: „Bankraub mit Kraftwagen!", empörte sich die 'Chicago-Tribune'. Sam Putney, hauptamtlich Schandbube, ließ sein Pferd im Stall und begab sich stattdessen mit einem Ford-T-Modell zur Schicht. Er entkam dem Sheriff samt Beute ungeschoren. Der Gesetzeshüter operierte noch hoch zu Ross. Das Beispiel sollte Schule machen, ein paar Monate später überfiel eine Pariser Anarchistengruppe einen Geldboten mit Hilfe eines schwarz-grünen Luxusschlittens vom Typ Delaunay-Belleville.
Das Gangsterpärchen Bonnie & Clyde stand auf ein Ford-Cabriolet mit Achtzylindermotor und genügend Power um den Häschern zu entkommen. Sie starben auf einer einsamen Strasse in Lousiana hinterm Steuer eines gestohlenen Ford-V8. Sieben Polizisten hatten aus einem Hinterhalt das Maschinengewehrfeuer eröffnet und ihren Fluchtwagen gründlich durchsiebt. Die Vorgehensweise hat seitdem eine gewisse folkloristische Tradition, weshalb sie den US-Cops nur schwer abzugewöhnen ist.
Auch die ehrenwerte Gesellschaft bevorzugte eine standesgemäße Motorisierung: Der Cadillac etwa, der seit 1929 wahlweise auch als Zwölf- oder Sechzehnzylinder mit 185 PS angeboten wurde, war dank seiner guten Fahrleistung beliebt. Die irischen und französischen Gangs (darunter übrigens auch die hochmögende Familie Kennedy), die während der Prohibition ebenfalls groß ins Alkohol-Geschäft eingestiegen waren, tendierten hingegen zu den flotten Achtzylindern von Chrysler und Nash
Als Geheimtipp galt der 29er Lincoln: Al Capone schwor auf den Zweieinhalbtonner - nicht zuletzt wegen dessen zwei Millimeter dicken Blechs. Beim berühmten Valentinstag-Massaker wurde hingegen ein Packard verwendet, den die Mörder als Polizeiauto getarnt hatten. Die Staatsgewalt wollte da nicht nachstehen: Das FBI ließ ein Dutzend frisierter Lincolns kommen, die noch einmal 20 km/h schneller waren als die Unterwelt-Gefährte. Damit nicht genug: Sogar Vorderradbremsen wurden installiert - ein technisches Novum, das erst Jahre später in Serie ging.
Dieses Gespür für technischen Fortschritt hat sich beiden Parteien durch die Jahrzehnte erhalten - auch in Europa. Der Citroen 11 CV, seit 1934 zu Diensten, gilt nicht nur als revolutionäre Konstruktion, sondern auch als klassische Unterwelt-Limousine. Seine dank Frontantrieb hervorragende Straßenlage bescherte der Welt eine Reihe unvergesslicher Verfolgungsjagden. Alain Delon fuhr als Nachkriegs-Gangster in “Vier im roten Kreis” einen schwarzen Plymouth Fury, als Kommissar in “Der Chef” stand ihm ebenfalls ein dicker Ami (ich glaube ein in Frankreich gefertigter Chyrsler) zur Verfügung. Auch die großen Mercedes, Jaguar und der Rover V8 galten in den klassischen Gangster-Milieus der Szene an der Seine und der Themse hoch im Kurs.
Mit welch subtilen Mitteln bisweilen gekämpft wurde, lehrt ein Blick ins frühe Nachkriegsdeutschland. So begab es sich, dass eine Mannschaft von Zigaretten-Schwarzhändlern der Zoll-Fahndung das Nachsehen gab. Die wackeren Beamten griffen daraufhin zu einem der ersten Porsche und blieben dem Tabakwaren-Citroen auf den Fersen. Eine handvoll Reißnägel machte daraufhin dem zu erwartenden Fahndungs-Erfolg ein jähes Ende. Ein deutscher Zollfahnder gibt freilich nie auf: Seit jener schwarzen Stunde thronten kräftige Besen vor den Vorderrädern, die bei Nagelbeschuss einfach herabgelassen wurden. Diese Zöllner waren die schnellsten Straßenkehrer der Welt. Heute ist bei der Behörde nix mehr mit Porsche. Den Jungs sind die Landesgrenzen abhanden gekommen. Damit ihnen nicht langweilig wird, hat man neue für sie erfunden: Jetzt kontrollieren sie den Mindestlohn.