Bei Audi gehört der Verkauf eines Automobils zum geschäftlichen Konzept und das Verbot seiner Nutzung seit neuestem zum politischen Selbstverständnis. Audi-Chef Dussmann legt sich für Tempolimit und Fahrverbote ins Zeug. Dann ist auf der Autobahn mehr Platz für ihn und sein Rennrad.
Stellen Sie sich einmal vor, sie besuchen Ihren liebsten Metzgerladen. An der Ladentür hängt ein Plakat: „Ab heute sind wir vegan!“ Der Metzger hat sich vor der Tür an den Bürgersteig geklebt und skandiert: „Fleisch ist ungesund und schadet dem Klima!“ Drinnen in der unbeleuchteten Theke, wo normalerweise Schweinebauch und grobe Bratwürste drapiert sind, dämmert ein Bündel Karotten vor sich hin. Ansonsten ist die Theke so leergeräumt wie das Langzeitgedächtnis von Olaf Scholz.
Stellen Sie sich ferner vor, sie besuchen Ihren Lieblingswinzer an der Mosel, um ein paar Flaschen feinen Rieslings zu bunkern. Doch der begrüßt Sie mit einem Glas kaltem Wasser. Dann blickt er ihnen tief in die Augen: „Wir müssen umdenken, uns klar werden, dass sich unser Leben ändert.“ Geld „als einziger Regler“ reiche für die aktuelle außergewöhnliche Situation nicht aus. Alkohol mache süchtig und diene obendrein dem Wohlleben, doch damit müsse aus übergeordneten Gründen jetzt Schluss sein: „Um uns in Deutschland besser einzustimmen auf die Lage und die Notwendigkeit des Sparens, müssen wir Sie leider an die regionale Wasserversorgung verweisen.“ Wein produziere man nur noch in China.
Zum Schluss malen Sie sich aus, Sie rufen auf der örtlichen Polizeiwache an, weil jemand über Nacht Ihr neues Auto geklaut hat. Doch der zuständige Beamte weist Sie darauf hin, dass die Strafverfolgungsbehörden diesen Diebstahl nicht mehr verfolgen, sondern ganz im Gegenteil als Dienst an der Allgemeinheit begrüßen. Der Dieb sei nämlich kein Dieb, sondern ein Aktivist, der die Menschheit und die Erdatmosphäre vor schwerem Schaden bewahre. Bevor er auflegt, gibt der Polizist Ihnen noch einen guten Rat: „Beruhigen Sie sich und fahren Sie lieber mal mit dem Rennrad über die Autobahn."
Die neue revolutionäre Unternehmens-Strategie
Sie halten das für durchgedrehte Fantasien? Leider knapp daneben. Ich möchte hier einmal aus einem Interview zitieren, das Audi-Vorstandsvorsitzender Markus Duesmann in der vergangenen Woche der Süddeutschen Zeitung gegeben hat. „Audi-Chef Duesmann offen für autofreie Tage und Tempolimit“ ist der Beitrag überschrieben und es heißt darin: Duesmann habe sich „offen für autofreie Tage und Tempolimits“ gezeigt. Wörtlich sagte er: „Um uns in Deutschland besser einzustimmen auf die Lage und die Notwendigkeit des Sparens, könnte es wieder autofreie Tage geben, so wie in den 1970er Jahren.“ Auch ein Tempolimit könne hilfreich sein. „Wir müssen umdenken, uns klar werden, dass sich unser Leben ändert.“ Geld „als einziger Regler“ reiche für die aktuelle außergewöhnliche Situation nicht aus. Sollte es autofreie Tage geben, würde Duesmann sie so nutzen: „Wenn es ein Sonntag ist, werde ich mit meinem Rennrad über die gesperrte Autobahn fahren.“
Nachdem der inzwischen geschasste VW-Chef Herbert Diess mit der Forderung nach höheren Kraftstoffpreisen brillierte, den raschen „Ausstieg aus der Kohle“ und die „Förderung von Fahrrädern“ forderte, geht nun Duesmann konsequent voran und bringt die Sache zu Ende. Die neue revolutionäre Unternehmensstrategie lässt sich so beschreiben: Der Verkauf eines Automobils gehört zum geschäftlichen, das Verbot seiner Nutzung zum politischen Konzept der Firma. Dies kann man mit einem Puff vergleichen, der aufgrund seiner Compliance-Regeln den Geschlechtsverkehr untersagt.
Mich beschleicht der Verdacht, dass die gedankliche Lieferkette in Markus Duesmanns Hinterstübchen an einer entscheidenden Stelle unterbrochen sein könnte, aber man soll dem Neuen gegenüber ja aufgeschlossen sein. Und so möchte ich mit dem Audi-Chef sagen: „Ich neige nicht zur Sorge. Aber die aktuelle Situation beschäftigt mich schon.“
Die geistige Klammer zwischen 620 PS und Tempolimit
Audi baut Fahrzeuge von 95 bis 620 PS mit einem Schwerpunkt jenseits der 300 PS. Das bisherige Tempolimit der Marke setzt der R 8 GT mit 320 km/h, also der zweieinhalbfachen Richtgeschwindigkeit, respektive der Startgeschwindigkeit eines vollbesetzten Jumbojets.
Die geistige Klammer zwischen 620-PS-Autos und der Forderung nach einem Tempolimit überfordert bedauerlicherweise meine geistigen Kapazitäten, das ist eher etwas für Leute, „die Foucault und Bourdieu für zwei französische Rohmilchkäsesorten halten“ (geklaut bei Henryk M. Broder). Als „einziger Regler“ der Audi-Modellpalette galt bislang das Gaspedal respektive der Geldbeutel, sprich die Kohle des Kunden, aber nun steht in Ingolstadt der „Ausstieg aus der Kohle“ bevor, da bin ich sehr zuversichtlich.
Um den zu beschleunigen, nimmt man in Ingolstadt eine Anleihe im nicht allzu weit entfernten Bayreuth an, beim alten Richard Wagner, der mal gesagt haben soll: „Deutsch sein heißt, eine Sache um ihrer selbst willen zu tun.“ In Bayreuth gibt’s allerdings nur einen Ring, in Ingolstadt hingegen vier, und das merkt man der Duesmann-Regie an: „Andere Marken im Konzern können gegebenenfalls einige Jahre länger als geplant Verbrennerautos produzieren, wenn die Energielage in den kommenden Jahren so bleibt“, sagte der Audi-Chef laut Süddeutsche. Audi wolle wie angekündigt ab 2033 nur noch in China Autos mit Verbrennermotoren bauen, sonst nur noch Elektroautos. „Der Strompreis in Deutschland und in Europa mag jetzt gestiegen sein, aber wir werden unsere Strategie deshalb nicht anpassen.“ Das ist sehr tapfer, aber leider auch sehr blöd, besonders für die Audi-Mitarbeiter. Wie sagte schon der brave Soldat Schwejk: „Maul halten und weiterdienen.“
Aber was soll’s. Zeitgleich zu seinem gedanklichen Einstieg ins Fahrverbot hat Audi letzte Woche den Einstieg in die Formel 1 mit dem Sauber-Team verkündet. Die Veganer machen nebenbei eine Wurstfabrik auf, damit das Volk nicht vom Fleische fällt. Dieser Schritt dient möglicherweise der sonntäglichen Unterhaltung der stillgelegten Massen, die dann wahlweise ihrem Audi in der Garage beim Rosten zuschauen können oder 20 Verrückten, die mit 320 km/h im Kreis fahren. Das Volk soll die Wurst riechen, in sie aber nicht reinbeißen dürfen.
Man soll ja nicht immer nur meckern
Und wo bleibt das Positive? Man soll ja nicht immer nur meckern. Außerdem ist Sonntag, und der geschätzte Leser bedarf ein wenig der Aufmunterung. Deshalb hier drei Meldungen der vergangenen Woche, die mich fröhlich stimmen.
Erstens: Bleiben wir bei der Wurst. Die „Unstatistik des Monats“ widerlegt die mich schwer verunsichernde Behauptung eines Lobbyvereins: „Vegane Weißwurst auf Oktoberfest 2022: Ein voller Erfolg!“ Die Unstatistik weist hingegen nach, dass der Anteil veganer Wurst in den meisten Zelten „null“ betragen habe, ein kleiner Sieg der Marktwirtschaft. Die Kabarettistin Monika Gruber hat also doch recht: Sie dachte bei einer Verkostung der Wurst aus Erbsenprotein jedenfalls eher an „gepresste Sägespäne“, geschmacklich nahe an „Montageschaum, der in ein Kondom abgefüllt wurde, mit einer leichten Kalk-Note im Abgang“.
Zweitens: Volkswagen trennt sich von seiner Beteiligung an der Software-Firma „Argo AI“ und versenkt damit eine 2,6 Milliarden-Investition im Kohlenkeller. Die vom abhandengekommenen Herbert Diess versprochenen Träume vom autonomen Fahren bleiben wie eine gefledderte Pusteblume im Orkus zurück, was ich nicht unbedingt als positiv ansehe. Den Einbruch des autonomen Denkens, also der Realität in Wolfsburg, hingegen schon. Es kann nur besser werden.
Drittens: Elon Musk hat Twitter endlich übernommen und die woke Führungsspitze am selben Tage rausgeschmissen. Vielleicht kauft er ja demnächst Audi.
Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.