Die West-Verbindung der Bundeshauptstadt ist wegen einer maroden Brücke weitgehend gekappt. Rettung könnte ein Flugtaxi namens "Fieseler Storch" aus dem Museum bringen – und weniger vollverblödetes Spitzenpersonal.
Letzte Woche habe ich meinen treuen Audi A2 (Baujahr 2003, 443.000 Kilometer) aus dem Winterschlaf geweckt. Nach einem kurzen „Klack“ des Magnetschalters schüttelte sich der Kleine, stieß ein kleines Wölkchen aus und verfiel dann in das beruhigende Nageln eines Diesel-Generators, der seit 20 Jahren eine Schaf-Station im australischen Outback mit Strom versorgt. Das Geräusch muss unmittelbar auf Tiefenschichten des Gehirns wirken, Babys schlafen ein, und Hunde hören auf zu bellen. Für mich gibt es keinen anheimelnderen Ton, vielleicht abgesehen vom Sound eines Landrover-Wellblechdaches, auf das ein Monsun niedergeht.
Ich spendierte mir und dem Audi fünf Liter Diesel für die Fahrt von Augsburg nach Oberschleißheim und zurück (120 Kilometer). Die Sonne schien prächtig, und ihre Strahlen entfalteten hinter der windschnittigen Frontscheibe eine höchst angenehme Erderwärmung, man nennt das Treibhauseffekt. Ohne den müsste ich jetzt die Heizung anmachen, und der Planet wäre minus 18 Grad kalt und von einer Eisdecke überzogen, meint zumindest das Umweltbundesamt. Da sollte man nicht dran rütteln, schon gar nicht an diesem schönen Morgen, es lebe das CO2!
Obwohl: Vor 20.000 Jahren türmte sich über Berlin ein 200 Meter hoher Gletscher auf. „Als er kam, verschlang er alles Leben. Als er schmolz, hinterließ er uns die Landschaft, in der wir heute leben,“ schreibt die Berliner Zeitung. Als ich im Autoradio die 9-Uhr-Nachrichten mit den neuesten politischen Kapriolen aus Berlin vernahm, war ich nicht ganz sicher, ob es vom Gletscher wirklich eine gute Idee war, sich zurückzuziehen. Übrigens: Am Freitag war der erste „Weltgletschertag“. ZDF-heute dichtete: „Gletscher-Rettung‚ eine Frage des Überlebens‘". Das hätten sie sich, verdammt nochmal, vor 20.000 Jahren überlegen sollen, es wäre uns einiges erspart geblieben.
Ein Besuch in der Flugzeugwerft von Oberschleißheim
Der Himmel über der A8 strahlte in bayrisch Blau, Kaiserwetter. Genau richtig für einen Besuch in der Flugzeugwerft von Oberschleißheim, einer Dependance des deutschen Museums mit einer prächtigen Sammlung von Flugzeug-Oldtimern. Der Flugplatz Schleißheim wurde 1912 für die königlich-bayrische Fliegertruppe gegründet und genießt heute noch den Status als „Sonderlandeplatz“, das heißt, die alten Kameraden können dort starten und landen, was es deutlich erleichtert, eine Transall C 160 vor der Tür des Hangars zu parken.
So eine Immobilie suche ich schon lange, kürzlich stieß ich im Internet auf eine Flugzeughalle in Süditalien für 200.000 Euro, direkt an der Start- und Landepiste eines ehemaligen Feldflughafens, der weitgehend ungenutzt im Dornröschenschlaf vor sich hindämmert. Sogar ein Klo war drin. Mein Plan: Mein klein Häuschen verkaufen, bevor es die Berliner Raffzähne mit einer Zwangshypothek belegen, einen Wohnwagen als Bleibe in den Hangar stellen und ein Ulltralight als Lebensunterhalt anschaffen, mit dem ich Rundflüge für Achse-Leser veranstalte. Ich muss aber noch Sabine überzeugen. Und vielleicht aus Sicherheitsgründen ein kleines Arrangement mit der Mafia oder der Camorra treffen. Steuern zahlen muss man halt überall.
Die Flugzeugwerft Oberschleißheim ist ein idealer Ort, um solchen Träumen nachzuhängen. Zumal die politische Korrektheit, sprich die systematische Verblödung, nach meinem Eindruck noch keinen Einzug gehalten hat. Die treibt eher im Stammhaus in München erste Blüten. Dort hat das Deutsche Museum eine Installation mit Raketenbauern entfernt, auf der ein Bild von Elon Musk zu sehen war, man halte ihn wegen rechter Umtriebe nicht mehr für „salonfähig“. Die Tatsache, dass seine Schöpfungen im Gegensatz zu mancher teutonischen Neuentwicklung (ich komme darauf zurück) zumindest flugfähig sind, muss da zurückstehen.
Vielleicht bringt das Museum ja eine pädagogisch wertvolle Tafel an, die das Vorgehen erläutert. Als Text können sie sich bei Wikipedia bedienen: „Als Exorzismus wird eine meist religiöse Praxis bezeichnet, vermeintlich besessene Menschen und Tiere oder verfluchte Orte und Gegenstände von bösen Geistern zu befreien. Exorzismen werden auch Teufels- oder Dämonenaustreibung genannt und gehören zum Bereich der seit der Antike üblichen apotropäischen Handlungen. Der Exorzist nutzt zumeist beschwörende Exorzismusformeln, um mit dem vermeintlichen Dämon in Kontakt zu treten und ihn schließlich zum Verlassen des Körpers zu bewegen.“ Die gute Nachricht: Man braucht dafür keine Fluglizenz, sondern muss nur bekloppt genug sein.
Gummibärchen und Schokolade für die am Boden in Not Geratenen
Und so ist die Luft- und Raumfahrt gewissermaßen hin- und hergerissen zwischen Salonfähigkeit und Flugfähigkeit. In Oberschleißheim gibt es – ich habe es bereits angedeutet – eine kleine Gemeinheit in der Sammlung. Zwischen Rumpler-Taube, Junkers F 13 und DO 31 (dem einzigen Transportflugzeug der Welt, das senkrecht starten kann) – allesamt bahnbrechende deutsche Pionierleistungen – hängt auch ein „Volocopter“ am Hallendach, ein bahnbrechender Triumph des politischen Willens über die Physik – und ein grandioser Flop.
Das „White Lady“ genannte Flugobjekt erinnert an eine Kombination aus 18 Stabmixern und einem Rhönrad und hob sich 2016 mit seinem Piloten kurz elektrisch in die Lüfte. Das politisch vielgehypte „Flugtaxi“ erwies sich als überaus salonfähig, aber bedauerlicherweise nicht als ausreichend flugfähig: Nach dem Hersteller Lilium meldete 2024 auch Volocopter Insolvenz an, weil die Idee vom elektrischen Flugtaxi mangels Einverständnis der Physik einfach nicht abheben will. Inzwischen wollen Chinesen den Laden übernehmen und noch ein bisschen Geld verbrennen. Als Flugtaxi sei hingegen der Fieseler Storch von 1936 empfohlen, der braucht 50 Meter Wiese zum Start und 20 Meter zur Landung. Warum in die Ferne schweifen, liegt das Gute doch so nah.
Womit dieser Beitrag wieder im Anflug auf Berlin ist, denn dort braucht man eine neue Luftbrücke. Nachdem die Westverbindung der Bundeshauptstadt durch die plötzliche Sperrung der vom Betonkrebs befallenen A100-Ringbahnbrücke unterbrochen ist, sei Autofahrern angeraten, in den betroffenen Notstandsgebieten einen Schlafsack mitzuführen, um die Stauzeiten vom Feierabend bis zur morgendlichen Rushhour zu überbrücken. Ferner empfehle ich, die grünen Betonschikanen auf den Ausweich- und Schleichwegen durch Dixi-Klos zu ersetzen, damit festsitzende Autofahrer zwischendurch ihre Notdurft verrichten können.
Die Reparatur der Brücke erfordert aller Voraussicht nach auch die Stillegung der darunter gelegenen Ringbahntrasse; die Berliner Verkehrsbetriebe sollten deshalb auf den Schienen rings um Berlin eine S-Bahn-Schlafwagenburg errichten – mit Übernachtungsmöglichkeiten für etwa zwei bis drei Jahre und 20 bis 30.000 Schutzsuchende. Schienenersatzverkehr mit Bussen geht ja auch nicht, weil – siehe oben – dort schon die heimatlosen Individualmotorisierten ihre Zelte respektive Dixitoiletten aufgeschlagen haben. Da bleibt für dringende Fälle nur eine Fieseler-Storch Formation, die im Pendelverkehr zwischen Kaiserdamm und Funkturm verkehrt. Zugleich könnten Gummibärchen und Schokolade für die am Boden in Not geratenen abgeworfen werden.
Dankbar für jedes Refugium des gesunden Menschenverstandes
Auf der Rückfahrt von der Flugwerft Oberschleißheim nach Hause beschäftigte mich vor allem eine Frage: Wie kommt es, dass ein Land, welches einst reihenweise Elon Musks hervorbrachte, in die Hände von absoluten Idioten geriet? Also beispielsweise Typen, die seelenruhig seit Jahrzehnten mit ansehen, wie die Hauptstadt – und nicht nur die – durch unterlassene Sanierungs-Maßnahmen ins Chaos gestürzt wird. Oder solche, die diesen Zustand sogar aktiv durch immer neue Verkehrs-Schikanen betreiben?
Ich kann mir nicht helfen, aber irgendwie durchweht die Hallen von Oberschleißheim auch ein bisschen der Geist von Franz Josef Strauß. Der war ja begeisterter Flieger und landete schon mal im Schneetreiben auf dem Moskauer Flughafen. Strauß war gewiss kein Waisenknabe und wohl auch vom Stamme der Nimm. Für sein Land und die Bevölkerung kam dabei aber wenigstens auch was rum, etwa Airbus-Industries. Dies unterscheidet ihn deutlich von heutigen Bruchpiloten, die mit der Last von Billionenschulden abheben wollen, aber keine Ahnung vom Stall-Effekt haben. Siehe hier "Trudeltraining".
Wie ist es zu erklären, dass ein Land, das im personellen Unterbau immer noch so viel Qualifikation und Engagement zu bieten hat, im Oberbau so verrottet? Ich habe keine echte Antwort, spüre lediglich, dass man dankbar sein muss, für jedes Refugium des gesunden Menschenverstandes. Man darf sich die Mitarbeiter der Flugwerft Oberschleißheim, die akribisch mit der Unterhaltung der Ausstellungsstücke und der Restaurierung neuer Exponate beschäftigt sind, als glückliche Menschen vorstellen.
Ein bisschen so geht es mir auch mit dem Audi A2. Der sieht aus wie ein kleiner Zeppelin und besteht aus Aluminium wie ein Flugzeug. Bei umgeklappten Sitzen ist er sogar ein kleines Frachtflugzeug, es fehlen nur noch die Flügel. Der Luftwiderstandsbeiwert beträgt 0,28, war also bereits vor über 20 Jahren so gut wie der des aktuellen VW ID4. Der Audi wiegt knapp 1.000 Kilogramm, der elektrische VW ID4 das doppelte. Mit einer Tankfüllung (35 Liter) fährt der A2 rund 700 Kilometer weit, sein elektrisches Pendant von 2025 schafft höchstens die Hälfte. Irgendwo ist auch der Automobilbau falsch abgebogen. Sie dürfen sich den Besitzer eines alten Audi A2 jedenfalls als glücklichen Menschen vorstellen.
Dirk Maxeiner ist einer der Herausgeber von Achgut.com. Von ihm ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Zu beziehen hier.