Obwohl wir während Corona alle schon mal geübt haben, kennen viele noch nicht den Unterschied zwischen offenem Vollzug, geschlossenem Vollzug und Bewährungsstrafe. Hier ein paar anschauliche und sehr aktuelle Beispiele.
„Beim offenen Vollzug werden im Gegensatz zum geschlossenen Vollzug keine oder nur verminderte Vorkehrungen gegen Entweichungen getroffen“, so beschreibt Wikipedia verschiedene Formen der behördlichen Unterbringung. Wie der Leser sofort bemerkt, entspricht der offene Vollzug ziemlich genau der für das verderbte Volk angestrebten Lebensweise, die in Corona-Zeiten schon mal eingeübt wurde. Wikipedia: „Der Gefangene verlässt morgens die Haftanstalt und begibt sich zu seinem Arbeitsplatz. Nach Beendigung der Arbeit kehrt er unverzüglich in die Anstalt zurück und bleibt dort bis zum nächsten Morgen, sofern er keinen Ausgang oder Urlaub hat.“
Ansonsten gilt für den offenen Vollzug im besten Deutschland aller Zeiten: „In der Anstalt kann der Gefangene an den dort angebotenen Freizeit-, Sport- und Behandlungsmaßnahmen teilnehmen“. Das könnte glatt von Klaus Schwab und den Seinen stammen. Und der Rest von Karl Lauterbach und Frank Ulrich Montgomery: „Der Gefangene im offenen Vollzug hat sich aber strikt an die vorgegebenen Regeln zu halten. Alkoholkonsum oder eine verspätete Rückkehr können schnell dazu führen, dass ein Gefangener in den geschlossenen Vollzug verlegt wird.“
Und damit sind wir bei Rupert Stadler. Vergangene Woche gab der ehemalige Audi-Chef Stadler einem Richter am Amtsgericht München das Jawort. Zuvor hatte seine Anwältin Ulrike Thole-Groll in Sachen Diesel-Skandal sein Geständnis verlesen, wobei sie auf jede Silbe achtete, aber entgegen den neuen Audi-Leitlinien nicht genderte. Das war ein bisschen schade, schließlich hätte es sich um das erste Geständnis in diverser Sprache gehandelt. Andererseits ist der Volkswagen-Diesel-Skandal lupenrein weiß, männlich und toxisch. Deswegen kam es auf jede Silbe an, denn das Schuldbekenntnis war Teil einer Absprache zwischen den Anwälten Stadlers, dem Staatsanwalt und dem Gericht, man nennt das frei nach Donald Trump auch „Deal“.
Uli Hoeneß riet ab
Bei einer solchen Verabredung wird traditionell gefeilscht wie im Familienrat von Abu Graichen. Im Falle Stadler stellte sich die Gefechtslage wie folgt dar: Der Staatsanwalt wollte ein hübsches Geständnis und ein Milliönchen als kleine Anerkennung, der Richter wollte möglichst wenig Arbeit, und der Delinquent wollte vor allem eines nicht: einen Kuraufenthalt in der Justizvollzugsanstalt Landsberg am Lech, in der bereits allerhand zweifelhafte Gestalten ihre Freizeit verbrachten. Der Stadler durchaus vertraute Uli Hoeneß rät davon jedenfalls ab.
Stadler einigte sich auf 1,1 Millionen als Ablösesumme für geschätzt ein Jahr hinter schwedischen Gardinen, also ziemlich genau 3.000 Euro pro Tag. Das ist übrigens deutlich billiger als eine Suite im Hotel Adlon bei durchaus ähnlicher Klientel. Die erwartbare Gefängnisstrafe wird im Gegenzug zur Bewährung ausgesetzt, er muss also nicht einfahren, sondern lediglich ab und zu vorschriftsmäßig vor dem Büro des Bewährungshelfers einparken.
Für Stadler ging es in seinem Geständnis vor allem darum, nicht mehr zuzugeben als unbedingt erforderlich, um keine Angriffspunkte für weitere Verfahren und Schadensersatzklagen zu liefern, denn die Anwaltsmeute streicht um Ingolstadt wie der Wolf um Ursulas Pony. Weil ein Versprecher sehr teuer werden kann, ließ Stadler seine Anwältin gestehen und antwortete auf die Frage des Richters, ob er mit den Ausführungen übereinstimme, mit einem kurzen „Ja“.
„Es ist das erste Geständnis eines VW-Konzernvorstands in der strafrechtlichen Aufarbeitung eines der größten deutschen Industrieskandale“, schreibt zeit.de. Jahrelang hatte Stadler beteuert, nichts von einer Betrugssoftware gewusst zu haben. Autos mit von Audi produzierten Dieselmotoren waren dabei durch eine Abschaltautomatik so manipuliert worden, dass sie auf dem Prüfstand zwar Abgasgrenzwerte einhielten, nicht aber auf der Straße. Sie tun also im Prinzip genau das gleiche wie Elektroautos – nur umgekehrt. Die produzieren auf der Straße keine Abgase und jagen sie stattdessen im Kohlekraftwerk durch den Kamin. Als Betrug gilt aber nur die Stadler-Variante, die andere heißt Große Transformation.
Dem Rupert wurde übrigens nicht vorgeworfen, die Manipulation der Autos veranlasst zu haben. Das lässt sich auch schwer beweisen, weil in höheren Etagen der Chef ja an passender Stelle nur mit den Augen rollen muss. Und dann kann man ein paar Jahre darüber prozessieren, ob er gerollt hat, womit er gerollt hat und was er damit gemeint hat. So ähnlich wie bei Bill Clinton und Monica Lewinsky begingen auch Rupert Stadler und sein Technikstab keinen Verkehrsverstoß.
Der Dieselskandal und der Impfskandal
Die Anklage war aber der Meinung, dass er zumindest den Verkauf der gedopten Fahrzeuge bis Anfang 2018 weiterlaufen ließ, obwohl er bereits früher erkannt habe, dass manipuliert gewesen sein könnte, was hinten herauskommt. Und genau das räumte Stadler jetzt in seinem Geständnis ein: Er habe die Möglichkeit gehabt, einzugreifen, dies aber unterlassen. Dies bedauere er sehr. „Ich sehe für mich ein, dass es ein Mehr an erforderlicher Sorgfalt bedurft hätte“, sagte Stadler. Dass Fahrzeuge manipuliert und dadurch Käufer geschädigt wurden, so lautet die Formulierung, „habe ich zwar nicht gewusst, aber als möglich erkannt und billigend in Kauf genommen“.
Die Mühlen der Justiz mahlen zwar langsam, aber sie mahlen. Zumindest in dieser Sache. Irgendwie befördert das meine Fantasie, und deshalb springe ich einmal um fünf bis zehn Jahre in die Zukunft und stelle mir vor, wie ein Chef von Impfstoffdealer Pfizer oder BioNTech seine Anwältin ein Geständnis vorlesen lässt: „Ich sehe für mich ein, dass es ein Mehr an erforderlicher Sorgfalt bedurft hätte“, sagt er, und fügt hinzu, „dass Studien manipuliert und dadurch Menschen geschädigt wurden, habe ich zwar nicht gewusst, aber als möglich erkannt und billigend in Kauf genommen“.
Das wäre dann das erste Geständnis eines Pharma-Konzernvorstands in der strafrechtlichen Aufarbeitung eines der größten Gesundheitsskandale, siehe oben zeit.de. Der Dieselskandal und der Impfskandal haben ja ein bisschen was gemeinsam, beispielsweise dass die Chose zuerst in den USA ruchbar wird. „In Texas geht der Generalstaatsanwalt Ken Paxton gegen die Corona-Impfstoffhersteller vor“, schrieb Felix Perrefort in der vergangenen Woche auf Achgut. Mal sehen, wie sich das entwickelt, denn im Vergleich zu dem, was mit den Impfungen angerichtet wurde, gehören Stadler & Co in das Referat Kleinkriminalität. Gunter Frank schildert das alles dezidiert in seinem von Achgut.com verlegten Spiegel-Bestseller „Das Staatsverbrechen“, den ich als bewusstseinserweiterndes Medikament nur weiterempfehlen kann.
Meinungsverschiedenheiten in der Pharma-Branche
Ansonsten gibt es natürlich auch andere Möglichkeiten, mangelnde Sorgfalt zu sühnen. Sehr gut gefallen hat mir diesbezüglich ein Vorfall in Wittmund, weshalb dieser Sonntagsausflug jetzt vom Süden hoch in den Norden führt. Dort gab es ebenfalls Unregelmäßigkeiten in der Pharma-Branche, die, wie ich finde, in geradezu vorbildlicher Weise aufgearbeitet wurden. Zu diesem Zweck wurde am letzten Sonntag ein luxuriöser Dienstwagen der Marke BMW mit Sprengstoff in die Luft gejagt, der Besitzer war dem Vernehmen nach nicht an Bord, was von den Sprengmeistern und womöglich auch der Polizei aufrichtig bedauert wurde. „Es deutet derzeit vieles darauf hin, dass das Ereignis Clankriminalität zugeordnet werden kann“, sagte der Auricher Inspektionsleiter Stephan Zwerg.
Der leitende Oberstaatsanwalt in Osnabrück meinte in diesem Zusammenhang: „Sie sind sehr gut untereinander vernetzt, haben eigene wirtschaftliche Zweige und Interessen und oftmals sogar eine eigene ‚Paralleljustiz‘ in Form eines Friedensrichters. Außerdem verharmlosen sie gern Straftaten.“ Und ich sage: Der Übergang zwischen Friedensrichter und Aufsichtsrat ist ein fließender.
Die Staatsanwaltschaft Osnabrück gründet jedenfalls so eine Art Wittmund-NATO, wie der Anzeiger für Harlingerland berichtet. Am vergangenen Mittwoch wurde demnach im Auricher Rathaus „eine Kooperationsvereinbarung mit allen Gemeindevertretern der Landkreise Aurich und Wittmund sowie der Steuerfahndung in Oldenburg, den beiden jeweiligen Landräten und der Polizeiinspektion Aurich/Wittmund“ gegründet. Laut Staatsanwalt wird das neue Abschreckungsbündnis dazu dienen, das Zusammenleben in der Region täglich neu auszuhandeln: „Wenn die ihre Brüder holen wollen, holen wir dann die Kollegen“.
Ich hoffe dabei inständig, dass diese mit einem BMW und nicht mit einem Wasserstoffzug anreisen, denn das kann dauern. Und damit zur letzten Station meiner kleinen Reise durch die Strafkolonie Deutsch-Guayana. Sie führt uns in den Main-Taunus-Kreis, der dank 27 Wasserstoffzügen für 500 Millionen Euro nachhaltig stillgelegt wurde. „Dabei sein zu können, wenn Mobilität neu gedacht wird, das ist doch sensationell“, frohlockte 2020 die Bild-Zeitung. Bedauerlicherweise kamen bislang nur sechs der Züge an und stellten sogleich ihren Dienst wegen technischer Schwierigkeiten ein. „Daher standen zunächst die Räder still und die Fahrgäste hilflos auf den Bahnsteigen“, berichtet die Welt, „der Start der weltgrößten Brenstoffzellenflotte war völlig vergeigt, das Chaos perfekt.“ 20 Zugausfälle pro Tag sind seitdem nicht ungewöhnlich.
Die Bahntochter mit dem optimistischen Namen „Start Deutschland GmbH“ schaffte es noch nicht einmal, die ahnungslosen Pendler, Schüler und anderen Fahrgäste über Ausfälle, Verspätungen oder Ersatzverkehr zu informieren. Merke: Wenn in Deutschland etwas neu gedacht wird, dann sollte man möglichst schnell das Weite suchen, egal ob es sich um Lufttaxis, Wasserstoffbusse, Wärmepumpen oder Wirecard-Aktien handelt. In einem Beschwerdebrief einer Bürgerin, den der Bürgermeister von Kelkheim zitierte, heißt es: „Ich komme mir vor, als würden wir im Kongo leben.“
Inzwischen werden alte Dieselloks in das Notstandsgebiet beordert, um so etwas ähnliches wie Bahnverkehr wiederherzustellen. Das Gleiche passierte übrigens zuvor mit den Wiesbadener Wasserstoffbussen, die ich an dieser Stelle bereits gewürdigt habe. Ich empfehle dem Main-Taunus-Kreis außerdem, zusätzlich ein paar hundert Toyota-Buschtaxis aus Kinshasa anzurufen, um die Gestrandeten zu bergen, womit man auch rassistischen Vorurteilen gegen das kongolesische Transportsystem entgegenwirken könnte.
Die schwer traumatisierten Bediensteten der „Start Deutschland GmbH“ haben sich übrigens reihenweise krankgemeldet, ein Dutzend vom neuen Denken schwer traumatisierter Lokführer reichte sogar die Kündigung ein. Offener Vollzug ist ja noch recht, aber geschlossene Anstalt geht dann doch zu weit.
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