VW schaufelt sich fleißig sein eigenes Grab – und stellt dazu gleich noch 24 Baggerfahrer ein. Ein neuer wunderlicher Nachhaltigkeits-Gemeinderat mit Umwelt-Apparatschiks soll den Transformations-Glauben des Unternehmens festigen.
In der vergangenen Woche legte das Lufttaxi-Startup Lilium eine Bruchlandung hin, obwohl es überhaupt nie gestartet ist. Nachdem 1,5 Milliarden Euro in heiße Luft verwandelt worden sind, haben nun Bayern und der Bund die Reißleine gezogen und wollen keine weiteren 100 Millionen Euro in den Orkus schicken.
Die meisten unserer Medienkollegen bliesen den Lilium-Ballon fleißig mit auf, werden aber nicht so gerne daran erinnert. Ich will die in all meiner Altersmilde daher hier nicht weiter quälen, sondern einen Vorschlag zur Güte machen. Liebe Medien-Kollegen, liebe Durchblicker, Superanalysten und Geldvernichter von Atomico, Tencent und Earlybird Venture Capital und anderen Lilium-Blindgängern, schaut öfter mal bei uns vorbei ("Flog nicht und rauchte – was war das? Politik!") oder belegt einen Grundkurs in Physik, das hilft schon heute gegen die Depression von morgen.
Und damit sind wir bei Volkswagen. Die große Transformation des Unternehmens zum Elektroautohersteller beziehungsweise Elektroautodarsteller erweist sich, wie ebenfalls auf achgut.com ausführlichst vorhergesehen, als wirtschaftlicher Totalschaden. Die privaten Kunden meiden Batterie-Autos wie der Vampir den Knoblauch und schlimmer noch – „jeder dritte E-Auto-Fahrer wechselt zum Verbrenner zurück“. Es scheint so, dass nicht nur jene Autofahrer elektrische Mobile meiden, die es nicht besser wissen, sondern mittlerweile auch viele von denen, die es besser wissen. Und es harmoniert nicht mit den Sirenengesängen von Volkwagenchef Oliver Blume: „Bisher fahren vor allem technikaffine und umweltbewusste Kunden Elektroautos. Die sehen die Vorteile, denn E-Autos sind inzwischen technisch überlegen.“
Die neue Basta-Physik
Der-E-Gau darf halt keiner sein, weil man jetzt schon so viele Milliarden auf eine Reise ohne Rückfahrschein geschickt hat. Zurückzurudern und sich wieder den Verbrennern zuzuwenden, sei keine Option, sagt VW-Blume: „Zwei Drittel unserer Konzerninvestitionen gehen in die Elektromobilität und neue Technologien“. Das geschieht getreu dem hier gerne zitierten jüdischen Witz: Moische sitzt im falschen Zug, und ein Mitreisender fragt: „Warum steigst Du nicht aus und kehrst um?“ Darauf Moische: „Ich sitze im falschen Zug und mit jeder Station wird die Rückreise länger.“
Ansonsten ist es wie in der Ampel-Politik, die ja auch eine prima Sache ist und nur nicht ausreichend erklärt wurde: „Es gilt, den Großteil der Autofahrer von den E-Autos zu überzeugen und für die neue Technologie zu gewinnen“ (Blume). Den gegenwärtigen pädagogischen Ansatz der Elektroauto-Gemeinde macht in vorbildlicher Weise Frank Thelen klar, laut ntv „einer der bekanntesten und umtriebigsten Investoren des Landes“. Der „frühere Star von Die Höhle des Löwen“ ist schwer überzeugt: „…Wenn man sich die Physik anschaut, ist klar, dass das Elektroauto der absolut beste Weg ist, falls nicht etwas anderes Revolutionäres erfunden wird“. Und weiter meint der "Promi-Investor": „Wir werden elektrische Autos bekommen. Das ist die Zukunft. Punkt". Wikipedia entnehme ich, dass der Mann, kapitalmäßig eine eher mikroskopische Erscheinung, bingo! – in Lilium investiert hat, sein Urteil also ganz besonders qualifiziert ist. Herzliches Beileid. Auch Thelens Investment in die FDP scheint mir von keinem guten Stern begleitet, falls nicht etwas anderes Revolutionäres erfunden wird.
Thelen hat die Physik womöglich angeschaut, noch besser wäre natürlich, er hätte sie verstanden. Aber man kann nicht alles haben im Leben, eine Rakete rückwärts landen, schafft halt doch nur Elon Musk. Frank Thelen seien deshalb „Die besten 31 Bücher zur Physik“ empfohlen. Vielbeschäftigte Menschen werden da in eineinhalbminütigen Zusammenfassungen ins Helle geführt. Für RTL-Löweninvestoren besonders geeignet: „Licht im Dunkeln – Schwarze Löcher, das Universum und wir“. Vielleicht fühlt sich Thelen ja auch bemüßigt, die Reihe der Physikbücher mit einem eigenen neuen Werk zu komplettieren: „Die neue deutsche Basta-Physik“.
Bis dahin aber noch ein paar grobe Basis-Informationen für Auto-Didakten. Je leichter ein Automobil ist, desto weniger Ressourcen werden für die Herstellung benötigt, desto ökologischer und ökonomischer fallen seine Produktion und seine Nutzung tendenziell aus. Ein leichtes Auto braucht weniger Kraftstoff, weniger Reifen, weniger Bremsen und so weiter. Außerdem fährt es flotter und weiter als ein schweres Auto mit gleicher Leistung. Deshalb sind Autohersteller immer bestrebt, Gewicht zu sparen. Oder besser: Sie waren es.
Einem Kleinlastwagen nahe
Der Tank eines Volkswagen-Golf Diesel wiegt inklusive 50 Litern Kraftstoff etwa 70 Kilogramm. Damit kommt der Fahrer rund 1.000 Kilometer weit, tankt in fünf Minuten auf und fährt dann einfach weiter. Ziemlich fantastisch. Die Batterie eines vergleichbaren Volkswagen ID3 wiegt je nach Kapazität zwischen 300 und 550 Kilogramm, also vier- bis achtmal soviel, das Gesamtkunstwerk kommt dann mit bis zu 1,9 Tonnen Gewicht einem Kleinlastwagen nahe. Es ist ungefähr so, als säßen ständig vier bis acht Personen zusätzlich im Auto. Die Fuhre kommt je nach Batterie und Fahrweise 250 bis 400 Kilometer weit, wenn es gutgeht – im Winter kann es auch viel weniger sein. Und jetzt mögen mir der VW-Großwesir Blume und der Mikroinvestor Thelen mal erkären, wo da der Fortschritt liegt. Haben die wirklich die Physik angeschaut oder den Andromedanebel? Und bevor mir jetzt jemand mit Umwelt- oder Klimaschutz kommt, überlasse ich der Neuen Zürcher Zeitung die Anwort: „Deutschlands Strommix gehörte auch im September zu den schmutzigsten in Europa“.
Laut Oliver Blume soll "Volkswagen zum weltweit führenden automobilen Technologiekonzern aufgebaut werden". Er verspricht: "Wir wollen die besten Technologien und Services nachhaltig in die Gesellschaft bringen.” Nun ja, irgendwas mit "Technologie" und "Services" wird sich sicherlich finden, außer vielleicht Batterieautos und Lufttaxis, die haben gerade keinen so guten Lauf. Vielleicht will man künftig ja Dachgepäckträger oder Haltungsrollatoren mit Richtungsanzeiger in die Gesellschaft bringen? Übung macht den Meister: Immerhin 7.000 Menschen sind auf den Wolfsburger Marktplatz gekommen, um Blume dabei zuzuschauen, wie er ein „Zeichen gegen rechts“ setzte, sprich links blinkte. Sehr beeindruckt hat seinerzeit auch der mutige Volkswagenentschluss, der AfD keinen Dienstwagen zu den üblichen Rabatten zu überlassen, denn man sei „grundsätzlich neutral aber nicht gleichgültig“. Außer gegenüber chinesischen Zwangsarbeitern vielleicht, schließlich verkauft Volkswagen in China jedes dritte Auto, die AfD wollte aber nur eins.
„Fest in der Vereins-Philosophie verankert“
Kürzlich haben sie beim Stürmer des VfL-Wolfsburg sogar eine neue Lenk- respektive Denkhilfe getestet. Kevin Behrens wollte ein Regenbogen-T-Shirt für irgendeine "Wir haben uns alle lieb"-Aktion nicht unterzeichnen und soll sich dazu nicht stubenrein geäußert haben, obwohl oder gerade weil er im Bremer Stadteilverein "ATS Buntentor" sozialisiert wurde. Sprich: Der große blonde Kevin, Künstlername "Thor", wollte kein Zeichen für Vielfalt und Toleranz setzen, was in Wolfsburg dem Überholen im Überholverbot mit durchgezogener Linie entspricht und in der katholischen Kirche dem Aufblasen eines Kondoms in der Christmette.
Ist aber kein Problem mehr seit Behrens ein neuer Richtungsanzeiger implantiert wurde. Zum Auftakt der Saison 2023/24 gelang es dem Stürmer im Spiel gegen den 1. FSV Mainz 05, alle drei seiner geschossenen Tore per Kopf ins Netz zu befördern, was ihn schon damals verdächtig machte. Jetzt spricht der Thor wie mein Navigationsgerät: „Meine spontanen Äußerungen waren absolut nicht in Ordnung. Dafür möchte ich mich entschuldigen. Das Thema wurde intern klar besprochen, und ich bitte um Verständnis, dass ich mich dazu nicht weiter äußern möchte.“
Die Technologie ist skalierbar und wird dank künstlicher Intelligenz bald in die Volkswagen-Seriennavigation und die Äußerungen von VfL-Fußballern einfließen. Auf die Frage „Wo geht’s hier zum Puff?“ antwortet das Navi dann: "Der Club und seine Angestellten stehen für Vielfalt und Toleranz, grundsätzliche Werte wie Respekt, Aufrichtigkeit und Offenheit sind seit jeher fest in der Vereins-Philosophie verankert."
Was Volkswagen aber zum kompletten Glück noch gefehlt hat, ist ein neuer Nachhaltigkeits-Beirat. „VW holt sich Autokritiker als Berater“, schreibt Die Welt. Das Gremium bestehe insgesamt aus 24 internen und externen Vertretern. Will sagen: Während Volkswagen mit der Schließung von Standorten droht, erhält die Klima-, Umwelt- und CO2-Ablass-Lobby gut bezahlte neue Versorgungsstellen, um diesen Prozess weiter zu beschleunigen – respektive die restlichen 675.000 deutschen Mitarbeiter in die innere Kündigung zu treiben.
Die Sterbebegleitung des größten deutschen Autoherstellers
Die 2011 von Angela Merkel einberufene „Ethikkomission für eine sichere Energieversorgung“ schuf die Voraussetzungen für die unsicherste Energieversorgung ever und die "Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (kurz Kohlekommission) stellte den letzten Sargnagel für die Deindustrialisierung des Landes zur Verfügung. Dabei halfen unter anderem Experten wie Erzbischof Marx, Landesbischof Ulrich Fischer, Alois Glück, Präsident des Zentralkomitees der Katholiken, Walter Hirche, Präsident der deutschen UNBESCO-Kommission und Weyma Lübbe, Philosophin im deutschen Ethikrat. Die Volkwagen-Nachhaltigkeitskommission steht in dieser Tradition und übernimmt nun die wertschätzende Sterbebegleitung des größten deutschen Autoherstellers, wieder mit ausgewählten Kennern der Sachlage und deren gesammelter Kompetenz.
Darunter William Todts, Chef der Brüsseler Klimalobbyisten von Transport & Environment. Auf dessen Website merkt man deutlich, dass hier auf einer Glatze Locken gedreht werden. Das Voodoosprech („sustainable finance, green batteries and clean cities“) und der pseudowissenschaftich verbrämte Regulierungswahn ist charakteristisch für die NGO- und WEF-Sekte, genauso wie der vorbildlich sparsame Umgang mit eigenen Gedanken. Eine kurze Betrachtung wert ist auch die „Kreislauf-Wirtschafts-Expertin“ Rebecca Tauer von der Umweltorganisation WWF, die ebenfalls spricht wie ein Volkswagen-Navi: "Wir brauchen dringend systemische Veränderungen unseres Wirtschaftens und unseres Konsums". Damit deutet sie zugleich an, dass echten Talenten eine einzige Pointe ausreicht, um durchs Leben zu kommen.
In einem Interview verkündet Rebecca Tauer Bahnbrechendes wie: „Als NGO können wir Bewusstsein und Wissen für Nachhaltigkeit schaffen, fundierte Wege aufzeigen und Tools und Methoden aufbauen, welche viele Unternehmen nutzen können. Natürlich sehen wir uns auch in der Position, den Status quo immer wieder zu hinterfragen und damit eine Veränderung anzustoßen“. Und so geht es weiter mit Julian Zuber, Europachef der Allience for responsible Mining, Martin Piersiak und Aron Cramer vom Netzwerk Business for Social Responsibility und Christina Schildmann von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung, eine Combo, die zuverlässig geeignet ist, bescheuerte Powerpoint-Folien vorzutragen und den produktiven Teil der Bevölkerung damit in die Arme des Ku-Klux-Klan zu treiben.
Die Biologin Frauke Fischer von der Uni-Würzburg arbeitete im Felde in Afrika und scheint mir von ihrem Spezialgebiet der Artenvielfalt tatsächlich etwas zu verstehen. Welche Expertise sie für Volkswagen mitbringt, ist mir aber nicht ganz klar, es sei denn sie setzt sich für den von der großflächigen Verstandabholzung bedrohten Dieselmotor ein, den ich der Anopheles-Mücke eindeutig vorziehe.
Ich möchte Frau Fischer daher an dieser Stelle auf eine interessante Spur lenken, auf die ich zur Jahrtausendwende im Zusammenhang mit den Recherchen für das Buch „Life Counts – eine globale Bilanz des Lebens“ stieß. Zusammen mit einer Reihe Kollegen erstellte ich damals so eine Art „Volkszählung im Tierreich“, wobei wir eine Biotopkartierung der Stadt Frankfurt entdeckten. Als artenreichstes Biotop der Stadt stellte sich nicht etwa der Zoo oder das Mainufer heraus, sondern – bitte anschnallen – eine Gebrauchtwagenhalde auf der Borsigallee. Alles wird gut: Je länger die Volkswagen-E-Autohalden vor sich hinmodern, desto nachhaltiger werden sie.
Dirk Maxeiner ist einer der Herausgeber von Achgut.com. Von ihm ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Zu beziehen hier.
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