Dirk Maxeiner / 19.02.2023 / 06:15 / Foto: TimsAI / 46 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Unfallfrei mit Vermieterführerschein

Die grüne Spitzenfrau in Berlin, Bettina Jarasch, hat eine Idee: Sie fordert einen „fairen Vermieterführerschein“, der offenbar den bisherigen „unfairen Vermieterführerschein“ ablösen soll. Er bekommt dann vom Staat ein entsprechendes Zertifikat und für sein Auto einen grünen Aufkleber „Ich bremse auch für Mieter“.

Dies ist zugleich als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für vom Aussterben bedrohte Covid-Testcenter und Fahrschulen zu sehen. In den Testcentern könnte beispielsweise jeweils morgens um 10.00 Uhr eine Vermieter-Blutprobe durchgeführt werden. Wer unter 0,8 Promille bleibt, darf sich dann zur theoretischen Prüfung in der nächsten Fahrschule anmelden. Da Berlin das Auto ganz ausrangieren will, haben die Fahrschulen in der Stadt ohnehin ein kleines Nachfrageproblem und könnten sich so mit einem neuen und zukunftsfähigen Geschäftsmodell Fit for 55 machen. 

Im Multiple-Choice-Verfahren sind dann Fragen wie die folgende zu beantworten: 

„Ihr Mieter kocht mit dem Pressspan eines kleingehackten Ikea-Regals auf offenem Feuer in der Mitte des Wohnzimmers ein Rindergulasch. Wie reagieren Sie?" (bitte ankreuzen).

  1. Sie rufen die Feuerwehr.
  2. Sie bitten ihn, das Fenster geschlossen zu halten, um Energie zu sparen.
  3. Sie vergewissern sich, dass das Rindergulasch aus Fairtrade-Beständen stammt.

Die richtige Antwort verrate ich nicht, um den Vermietern unter den Achse-Lesern keinen unlauteren Wettbewerbsvorteil zu verschaffen. 

Ich bedaure es ausdrücklich, dass der „Vermieterführerschein“ erst jetzt Wirklichkeit werden soll. Als über viele Jahre durch Deutschland und das benachbarte Ausland nomadisierender Mieter hätte mir dieser wunderbare Befähigungsnachweis eine Menge seelischer Grausamkeit und Diskriminierung ersparen können. Der Mieter respektive Wohnungssuchende befindet sich ja stets in der Rolle eines Heiratsschwindlers, der Solvenz und langfristige Bindungswilligkeit vortäuschen muss, um einziehen zu dürfen. Dies ist schon per se eine Gerechtigkeitslücke, die dringend geschlossen werden muss. Ich habe mein noch relativ gut funktionierendes Langzeitgedächtnis bemüht, um hier einige exemplarische Grausamkeiten durch unsensible und ungeschulte Vermieter festzuhalten.

Mein erstes möbliertes Zimmer befand sich im Stuttgarter Ortsteil Feuerbach und wurde von mir wegen der strategisch günstigen Lage direkt gegenüber einer Kneipe namens Feuerstüble ausgewählt. Das Zimmer verfügte lediglich über ein Waschbecken und eine Toilette im Hausflur. Außerdem verfügte es über eine Vermieterin ohne Führerschein, die Besuch auf die Tageszeit vor 18.00 Uhr rationierte. Das machte nichts, weil ich die Zeit danach ohnehin im Feuerstüble überbrückte. Eines Nachts kollidierte ich während meiner Rückkehr mit diversen Wänden und Gegenständen, was von der Geräuschkulisse her offenbar den Verdacht auf sogenannten Damenbesuch nahelegte. Die Vermieterin wollte mich offenbar in flagranti erwischen, was sie auch tat, allerdings war ich vorschriftsmäßig allein, urinierte aber gerade in höchster Not in das Waschbecken, um den gefährlichen und unbeleuchteten Weg zur Toilette im Hausflur zu vermeiden. Das Mietverhältnis wurde daraufhin mit grausamer Unbeugsamkeit beendet, ich fühle mich seitdem nachhaltig traumatisiert.

Als besonders unfair empfinde ich im Rückblick, dass mein damaliges Vergehen heute quasi halbamtlich in Glotze und BILD als vorbildlicher Dienst an der Umwelt gelobt wird: Wer einmal am Tag beim Duschen pinkele, hieß es da unlängst, könne rund 2.000 Liter und mehr Wasser im Jahr sparen. Ich frage mich jetzt natürlich, wie viel Wasser ich erst sparen könnte, wenn ich gleich jedesmal beim Pinkeln dusche, vorausgesetzt, es ist gerade eine in der Nähe. Selbst die politisch durchgängig hygienische Schwiegermutter-Postille Brigitte schifft redaktionell in die gleiche Richtung. 

„Vermüllung“ und „obszöne Wandschmierereien“

Das nächste Zimmer befand sich ein paar Kilometer entfernt in einer Villa unterm Dach im vornehmen Stadtteil Stuttgart-Botnang, diesmal mit Toilette und Bad, aber ohne Möbel. Auch diese Heimstatt befand sich in Besitz einer alleinstehenden älteren Dame ohne fairen Vermieterführerschein. Wegen meines wie immer tadellos galanten Auftritts bekam ich den Zuschlag für die begehrten Räumlichkeiten. Mein Image erlitt allerdings schon nach kurzer Zeit einen Unfallschaden, und das lag an der künstlerischen Begabung eines guten Freundes. 

In einem kleinen Raum, der als Küche gedacht war, befanden sich Wasser- und Abwasseranschlüsse in der Wand, die dieser plastisch in ein mit bunter Ölfarbe locker hingeworfenes Abbild der Venus von Milo einbezog. Ansonsten verzichtete ich auf eine Kücheneinrichtung und nutzte den Raum als Abstellort für leere Bier- und Weinflaschen, die ihn schließlich unbegehbar machten. Wie das Unglück es wollte, betrat meine unfaire Vermieterin die Gemächer zwecks Ablesung des Stromzählers und sprach hernach von „Vermüllung“ und „obszönen Wandschmierereien“. Ich bekam Bewährung, gegen die Auflage, einmal in der Woche eine von der Vermieterin bestimmte und von mir zu bezahlende Putzfrau vorzulassen. Es gelang mir, diese zum Doppelagenten umzuschulen.

Bei dem Freund revanchierte ich mich übrigens später, denn auch er besaß einen Vermieter ohne Führerschein. Nach einer ausgiebigen Wanderung durch das Nachtleben von Reutlingen begaben wir uns vollkommen ermüdet zum Schlafen in seine kleine Hinterhaus-Mansarde im benachbarten Pfullingen. Er schlief in seinem Bett ein, ich in der Badewanne, bedauerlicherweise bevor ich das Wasser abgedreht hatte. In den Räumen darunter wähnten sich die Bewohner nach einiger Zeit nicht mehr kurz vor der Schwäbischen Alb, sondern im brasilianischen Regenwald. Dann erschien der unfaire Vermieter mit lautem Pochen an der Tür und drohte mir körperliche Gewalt an, wobei unter anderem das diskriminierende Wort „Du Rotzaff“ fiel. Ich quittierte das mit der zugegeben unpassenden, aber immerhin hochdeutschen Bemerkung: „Schreien Sie mich nicht so an, haben Sie überhaupt Abitur?“ Das war nicht nett, heute würde ich ganz ruhig und mit hinterlistigem Unterton fragen: „Ja haben wir denn überhaupt einen Fairen Vermieterführerschein?“

Mein weiterer Lebensweg führte mich dann nach einiger Zeit in die große weite Welt nach Hamburg, wo ich eine kleine Wohnung in einer Mietskaserne im Professor-Brix-Weg in Altona ergatterte. Da ich immer noch keine Wohnungseinrichtung besaß und eine solche auch als Ausdruck bürgerlicher Spießigkeit grundsätzlich ablehnte, bezog ich die Räumlichkeiten zunächst nur mit einer Matratze und einer Zahnbürste. Allerdings störte mich, dass die Nachbarschaft durch das große Fenster ohne Vorhänge unmittelbaren Einblick in meine Schlafgewohnheiten hatte. Deshalb erwarb ich einige Ausgaben der Bild-Zeitung, schließlich war ich junger Journalist, und klebte die Scheibe mit den spektakulärsten Titelseiten zu. Dies veranlasste die unfaire Nachbarschaft, sich bei meinem unfairen Vermieter über meine „unpassende Fensterdekoration" zu beschweren. Rücksichtslos wurde ich zur Anbringung „ordnungsgemäßer" Sichtschutzmaßnahmen aufgefordert.

Ich sann auf Rache. Da die Wohnung nicht weit von der Reeperbahn lag, entschied ich mich für lokal angepasste rote Papierrollos, die ich im „Speicher-Kaufhaus" am Fischmarkt erwarb, einem Großanbieter fernöstlicher Ramschware. Dort entdeckte ich auch eine kleine blinkende Leuchtschrift „open“, die ich auf der Fensterbank positionierte, um Besuchern schon auf der Straße meine Anwesenheit zu avisieren. Dies steigerte die Anziehungskraft des Wohnblocks enorm und löste immer wieder interessierte Nachfragen an den Gegensprechanlagen aus. Der unfaire Vermieter drohte mir daraufhin mit sofortiger Kündigung. Ich musste die Leuchtreklame entfernen, die roten Rollos aber blieben. Ganz ähnlich wie bei der SPD.

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Zu beziehen hier.

Foto: TimsAI

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T. Weidner / 19.02.2023

Ich warte auf einen Befähigungsnachweis für angehende Politiker und noch wesentlich mehr für angehende Regierungsmitglieder.

O. Ganser / 19.02.2023

Wenn die Autos in Berlin weg sind kommt der Fahrradführerschein und die Fahrradsteuer. Und wenn die Leute dann nur noch laufen, kommt die Schuh-Maut, wie bei Tollcollect elektronisch getrackt. Jeder Schritt kostet. Direkt abgebucht. Luxusschuhe ab 2000 EUR pro Paar sind selbstverständlich befreit, ansonsten gestaffelt nach Schuhgröße multipliziert mit Körpergewicht. Und natürlich ein Heer von Aufpassern, die genauestens überwachen, dass auch alle nur angemeldete Schuhe tragen und niemand barfuß geht! Wo kämen wir denn sonst hin?

Jan Häretikus / 19.02.2023

Ich plädiere für einen Regierendenführerschein (ich bin gegen das Gendern, aber das klingt so besser!). Folgende Anforderungen würde ich festlegen: 1. Nach dem Schulbesuch ist die Lehre eines Berufes und dessen zweijährige Ausübung zu absolvieren, oder 2. nach dem Schulbesuch und vor einem Studium sind zwei Jahre in einer physischen Tätigkeit (auf dem Bau, in einem Handwerk, als Verkäufer in einem Geschäft, o.ä.) zu leisten. 3. Die Amtszeit in jedwedem staatlichem Amt ist auf 8 Jahre begrenzt. Dem muß der „Regierenwollende“ notariell beglaubigt vor Antritt des Amtes zustimmen. Das alles war nur ein Scherz! Was ich befürchte: Die Absenkung des “Wahlalters” und die Aufnahme in eine Wahlliste auf bzw. mit 12 Jahre und danach die Möglichkeit der sofortigen Übernahme eines Staatsamtes; Voraussetzung ist die Mitgliedschaft in der SPD oder bei den Grünen.

Peter Bauch / 19.02.2023

Ich bin Eigentümer eines Mehrparteien-Mietshauses. Anlässlich eines Gespräches über Nebenkostenerhöhungen mit einer durchaus attraktiven alleinerziehenden Mieterin, stellten sich noch weitere Gemeinsamkeiten heraus. So erfuhr sie z.B. ebenfalls erhebliche Diskriminierungen wg. Impfverweigerung. Das Gespräch endete mit ihrer besorgten Frage was eigentlich mit ihrer Bleibe passieren würde, falls ich einmal das Zeitliche segnen sollte. Nun bin ich zwar nicht mehr der Jüngste. Aber Sorge wg. meines Ablebens fand bisher nur im engsten Familienkreise statt. Frage: Genügt es, wenn ich statt der Vermieter-Führerscheinprüfung eine Vermieter-Unbedenklichkeitsbescheinigung der Mieterin vorlegen kann?

Andreas Elmshorner / 19.02.2023

Sehr witzig geschrieben, aber mal ehrlich: Genau solche Mieter wird jeder normaldenkende Vermieter tunlichst vermeiden. Und wäre ich Ihr Mitmieter des möblierten Zimmers nebenan gewesen, hätte ich Ihnen vermutlich was mit dem Waschlappen verpasst, ehe es die Frau Vermieterin überhaupt bemerkt hätte. Schönen Sonntag!

Andreas Mertens / 19.02.2023

Führerschein, geht ja so gar nicht. Das ist nicht nur nicht inklusiv (wo bleiben da die Führer*innen bzw. die Gesamtheit der Führenden) das ist auch schwerst historisch belastet. Und dann auch noch in Berlin. Man stelle sich vor da will eine(r) seinen Hochbunker an die SED/AFD/JWD/ ETC vermieten und kann keinen richtigen Führerschein vorweisen. Das gibt Kontaktschuld bis zum Dorthinaus. Soviel Umweltzertifikate und Fair-Trade-Häkelarbeiten können sie gar nicht kaufen.

T. Schneegaß / 19.02.2023

@Dr. Joachim Lucas: Ach wissen Sie, ich sehe das Ganze nicht so pessimistisch, weil ich einfach hoffe, dass sich diese Leute irgendwann um 360° drehen und damit wieder Vernunft einkehrt. Die Schlimmsten unter denen, wie z.B. die Baerziege, müssten sich allerdings um 720° drehen, um keinen weiteren Schaden anzurichten.

Anna Frieda Glaubitz / 19.02.2023

Wenn das jetzt alles nicht wahr ist, dann ist es aber wirklich gut geschwindelt, Herr Maxeiner. Und das mit dem Waschbecken sehe ich sportlich.

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