Dirk Maxeiner / 17.07.2022 / 06:25 / Foto: Pixabay / 41 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Ein Vogelhaus für Audi

Bei Audi piept es, und so können „interessierte Besucher_innen“ bei der „Green Week“ Vogelhäuschen bauen und einen Beitrag für mehr Biodiversität leisten“. Und die Abteilung Audi Tradition bietet im „Audi museum mobile" ein Diesel-Suchspiel: Wo steckt die illegale Abschaltvorrichtung?

Nächstes Wochenende steht mein Sonntagsziel schon fest: Der „Green Market“ auf der Piazza am Audi Forum Ingolstadt. Dort nehmen normalerweise hochmögende Selbstabholer ihre Acht- oder Zehnzylinder aus regionaler Produktion entgegen. Ab und zu werden dabei auch berühmte Fußballer gesichtet. Dann machen sie ein schönes Foto für den Donaukurier, auf dem sie ihren 600 Pferdchen zart den Kotflügel streicheln.

Doch nächste Woche ist alles anders. Es versammeln sich „Green Neighbours“ aus der Region, so die Pressemitteilung, und präsentieren „ihre Ideen und Produkte für ein umweltschonendes Leben“. Dabei bieten, so Audi, die Themenwochen „Green Neighbour Weeks, Besucher_innen die Möglichkeit, intensiv in das Thema Nachhaltigkeit einzutauchen“. Die Regionalsprache in Ingolstadt – der aufmerksame Leser erkennt es sofort – handelt es sich nicht etwa um Bayerisch, sondern um eine spezielle Variante des Denglisch, gesprochen von „Green Neighbour_innen". Diese regionale Ingolstädter Mundart ist in ihrer Einzigartigkeit dem Schrobenhausener Spargel ähnlich, allerdings ohne Sauce Hollandaise.

Gleichwohl wird Ingolcity-Speech nicht ohne Dressing serviert, bestehend aus einer Prise „Nachhaltigkeit“ und einem Schuss „Verantwortung für kommende Generationen“ – jeweils mit einem Schneebesen angerührt unter Zugabe von „vielseitigem gesellschaftlichem Engagement“ und „Zukunft des Planeten“.​​​ Das Rezept funktioniert eigentlich immer, ist aber ein bisschen überzuckert, so wie der hausgemachte Apfelstreuselkuchen bei Aldi. Der Eintritt ist frei – und einem geschenken Gaul guckt man nicht ins Maul, weiß der Hopfenbauer aus der Hallertau. Und so begibt er sich auf die Audi-Piazza, um die Bleifuß-Planetenretter bei der premiumgerechten Simulation eines autonomen Zentrums zu bestaunen. Oder sie halten (nur geimpft, genesen und getestet) im grünen Programmkino ein nachhaltiges Nickerchen. 

Mit einem schlichten Hammer in ein Naturparadies verwandeln

Für den Green Market am Freitag, „haben die Auszubildenden aus einem ausgedienten elektrischen Erprobungsfahrzeug ein Insektenhotel gebaut“, Ex-Skiprofi Markus Wasmeier und seine „Biene Pauline“ haben ebenfalls einen Auftritt. Das Up-Cycling von Elektroautos zu Insektenhotels halte ich für eine sehr gute Idee, selbst Laien können ein solches Fahrzeug mit einem schlichten Hammer in ein Naturparadies mit vielfältigen Lebensräumen verwandeln, da bietet sich eine fachübergreifende Kooperation mit der Roten Flora an. 

Ich habe ja hier schon mehrmals darauf hingewiesen, dass eine Biotopkartierung in Frankfurt einst ergab, dass es sich bei dem artenreichsten Areal der Stadt um eine Gebrauchtwagenhalde auf der Borsigallee handelte. Prinzipiell spricht auch nichts dagegen, die gesamte Audi-AG in ein Insektenquartier zu verwandeln, für den Anfang schlage ich ein Wespennest im Sitzungsraum des Vorstandes und einen Anopheles-Teich neben der Werksfeuerwehr vor. Die Parkbuchten vor den Ladestationen in Ingolstadt sollten künftig als Heimstadt für Bienenstöcke dienen, denn ab 2035 werden die Bienen vom umweltschädlichen Verbrenner- auf Elektroantrieb umgestellt. Auch sonst kann die Automobiltechnik hier Vorbildliches leisten: Die Bienen summen dann nicht mehr, sondern piepen beim Rückwärtsfliegen.

Bei Audi piept es ohnehin ziemlich viel, und so können interessierte Besucher_innen am 23. Juli Vogelhäuschen für den eigenen Garten bauen und einen Beitrag für mehr Biodiversität leisten“. Bislang beherbergte nach meinem Eindruck besonders die Kommunikations-Abteilung I/GP-C1 einen Vogel, aber prinzipiell gehört natürlich in jedes Büro ab Abteilungsleiter-Ebene ein Vogelhaus, damit sich die gefiederten Freunde auch nachhaltig wohlfühlen.

Ein vertiefender Besuch in der Justizvollzugsanstalt Ingolstadt

Leser, die etwas für die Biodiversität in und um das Audi-Forum tun wollen, können selbstverständlich auch ein selbst gebasteltes Vogelhäuschen spenden und an den Vorstand schicken. Stichwort „Meise“. Die schönsten Einsendungen werden dann später vielleicht im Audi museum mobile ausgestellt, das an beiden Eventtagen geöffnet ist: „Dort gibt es von Audi Tradition unter anderem Exponate mit alternativer Antriebstechnik zu bestaunen“, bahnbrechend ist beispielsweise die illegale Abschalteinrichtung für die Reinigung von Dieselmotoren. Der Clou: Kein Mensch weiß, wo sie steckt. Ich möchte die Besucher hiermit auffordern, diese regionale Spezialität in einer „Mitmachaktion für Groß und Klein“ zu identifizieren.

Zur Vertiefung des Themas empfehle ich dann noch einen Besuch  der Justizvollzugsanstalt Ingolstadt (Offener Vollzug und Eintritt frei, Besuchszeiten hier). Fragen Sie nach dem „Dieselflur“, der architektonisch ein wenig an ein Insektenhotel erinnert. Vom Audi-Forum ist man in nur acht Fahrminuten dort. So gewinnen Sie Einblick, „wie Audi mit Partnerunternehmen aus der Region zusammenarbeitet und so durch kurze Transportwege zu mehr Nachhaltigkeit beiträgt“.

Audi fühlt sich dem Umweltprogramm „Mission:Zero“ verpflichtet, Nomen est Omen. Man will zeigen, „wie man sich für den Erhalt von Biodiversität einsetzt und mit welchen Maßnahmen das Unternehmen seine Standorte naturnah gestaltet“. Bei der Verwandlung des Elektromobils in ein Insektenhotel können beispielsweise „besuchende Kinder mithelfen und sich mit bunten Stiften auf dem Lack verewigen“. Diese Praxis sollte unbedingt auf sämtliche Automobile in und um Ingolstadt erweitert werden. Wenn die Kleinen dann später in Berlin wohnen und in Kreuzberg oder Friedrichshain den 1. Mai feiern, können sie die überall rumstehenden Insektenhotels dann zur Abwechslung anzünden, getreu den drei Zielen des Unternehmens: „Engage, Educate, Empower“. So wächst zusammen, was zusammengehört.

 

Von Dirk Maxeiner ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Portofrei zu beziehen hier.

Leserpost

netiquette:

Gerhard Doering / 17.07.2022

Das werden Hummeln sein welche Audi bevorzugt. Die Hummel hat als Insekt vier Flügel und bringt es fertig rückwärts zu fliegen. Allerdings nur wenn die Flügel 30°c warm sind. Das wird wohl gerade erforscht und wird demnächst bei Audi auch funktionieren. Da ist dann ein simpler Spirituskocher unter den Flügeln, denn meines Wissens kommt Spiritus nicht aus Russland. Warten wir also auf den Audi Insekt.

E. Albert / 17.07.2022

Wenn man das so liest, könnte man meinen, der Vorstand erhielte eine Abwrackprämie für das Unternehmen. Das ist alles nicht mehr zu fassen! Wann sattelt Audi final auf Lastenfahrräder und Fahrradrikschas um?!

Wolfgang Nirada / 17.07.2022

Die Zukunft der Mobilität in Deutschland sind Premium-Esel und Hochleistungskamele das pfeiffen bereits die Meisen vom Solardach… Entsprechendes Fachpersonal für Pflege und Wartung hat man/frau/wtf ausnahmsweise vorausschauend bereits importiert… VW und Audi sind tot - es lebe Kia und Toyota!!!

A. Ostrovsky / 17.07.2022

@Heinrich Bleichrodt : “Ein Volltreffer. Pures Lesevergnügen, würde hier nicht stellvertretend die Deindustrialisierung Deutschlands beispielhaft beschrieben. Leider unumkehrbar.”  Also bei mir macht das kein Vergnügen. Auf welcher Seite sind Sie eigentlich?

Ralf.Michael / 17.07.2022

So langsam verstehe ich, was man immer mit dem Slogan ” Fortschritt durch Technik ” gemeint hat ! Potzblitz aber Auch!

Ferdinand Schulze / 17.07.2022

Hm, wenn man sich die Pressemitteilung von Audi als pdf herunterlädt, steht dort als Datum der 5.10.2021, haben die Krach mit dem Datum oder hapert es mit dem Vorsprung durch Technik? Na ja, unterhaltsam ist es allemal, auch im Rückblick. :-)

Ulla Schneider / 17.07.2022

Aha, wie hübsch:  Der offene Strafvollzug direkt nebenan. Was zahlt denn Audi, falls einige dort “eingesetzt” werden, natürlich auf freiwilliger Basis, so als Wochenlohn? —Ich wollte mal ein Rosenrankengestell aus einer solchen “Heimstadt” bestellen. Die waren unverschämt teuer, da griff der Staat aber richtig zu. Also habe ich es sein lassen. - Ich hätte noch einen anderen Vorschlag. Audi könnte elektrische Bienenhäuser bauen, die genau da , wo Madame Königin gerade Lust hat, hinfahren. So mit Piepnavigator und -sensor an der Krone. Die Versuche starten ja schon in Tirol mit den Zweibeinern. Somit schließt sich der Kreis.—- Haben die Durchlauchten “Manager” im Ausland schon neue Verträge für sich abgeschlossen? Bevor das hier so aussieht wie in Lathen mit einem lianenüberwachsenen grünen Transrapid und in Hülle und Fülle Krabbeltiere in den “Luken”.  - Eine weitere Idee, wäre so ein Auto als Laube im Garten. Hält auf jeden Fall besser als das gekaufte “Schrottholz” neuester Qualli in Germany. -  Besten Dank, Herr Maxeiner für den heutigen Sontagsfahrer!

Michael Lorenz / 17.07.2022

Selbsterniedrigt auf der Rotz-Schleimspur herumzukriechen, die überwiegend von linksgrün gepamperten, wohlstandsverwahrlosten Reichen-Gören hinterlassen wurde, ist eine relativ neue Erfindung,  Ich würde sie gerne nach einem der ganz frühen Protagonisten dieser Technik benennen. Dann kann man knapp, aber allumfassend formulieren: “Audi wurde gekäsert”! Und ich würde gerne noch ergänzen: wozu Audi? Porsche klingt sogar viel schöner (Name UND Motoren!)

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