In München erzählte der Vizepräsident der USA 30 Minuten lang, was Achgut.com seit 20 Jahren schreibt und verschreckte das Establishment wie der Jäger das Kitzlein. Da mussten wir uns dann doch erst mal hinsetzen.
Die Funktion dieser Kolumne besteht unter anderem in der seelisch-moralischen Aufrüstung der Leser und meiner selbst, so hat es sich mit der Zeit entwickelt. Es ist ja mitnichten nur so, dass die Leserschaft vom Sonntagsfahrer aufgemuntert wird, es funktioniert auch umgekehrt, die Reaktionen der Leser sind mitunter Balsam für mein zartes Gemüt, etwa wenn wir gerade pleite sind oder mal wieder die Kavallerie, sprich Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel, in Bewegung setzen müssen, um den Gegner ins Leere laufen zu lassen. Diese Art der Daseinsvorsorge ist für das Publikum zwar von hohem Unterhaltungswert, aber meiner Work-Life-Balance nicht wirklich zuträglich.
In dieser Woche wurde meine Laune – und wohl auch die vieler Leser – aber in gänzlich ungewohnter Art befördert. Der amerikanische Vizepräsident mischte sich am Freitag bei der Münchner Sicherheitskonferenz mit einer Rede in die inneren Angelegenheiten dieses Landes ein und zwar „übergriffig“ (Friedrich Merz), „irritierend“ (Olaf Scholz) und „unakzeptabel“ (Boris Pistorius) – also er verfuhr genauso wie wir. Er klärte die versammelten Honoratioren darüber auf, dass ihm weniger der Russe oder der Chinese Kopfzerbrechen bereite, als vielmehr die Repräsentanten Europas und Deutschlands, die zwar sonst nichts auf die Reihe kriegen, aber nach seiner Einschätzung zügig mit der Demontage der Meinungsfreiheit vorankämen.
Er garnierte das mit dem äußerst zielführenden und auch logischen Hinweis: „Wenn Sie vor ihren eigenen Wählern Angst haben, gibt es nichts, was Amerika für Sie tun kann“. Anders ausgedrückt: Wenn ihr künftig die Notrufsäule betätigt, gehen wir nicht mehr dran. Ruft halt den ADAC.
Das solcherart direkt angesprochene hochmögende Publikum blickte drein wie eine Familie bei der Beerdigung vom astreinen Opa – und zwar in dem Moment, als der schlecht gebriefte Trauerredner detailliert von seinem tragischen Herzstillstand im Puff erzählt.
„Ich habe viel darüber gehört, wogegen Sie sich verteidigen müssen, und natürlich ist das wichtig“, sagte Vance, „aber was mir und sicherlich vielen Bürgern Europas etwas weniger klar zu sein scheint, ist, wofür genau Sie sich verteidigen“.
Vance nahm die Bürger vor ihren Regierenden in Schutz
Friedrich Merz hatte da offenbar nicht richtig zugehört, beklagte er doch den Umgang des Amerikaners „mit uns Deutschen“. Die Verallgemeinerung der Kritik auf „uns Deutsche“ ist nämlich genau das, was J.D. Vance nicht gemacht hat. Ganz im Gegenteil: Er nahm die europäischen und deutschen Bürger ausdrücklich in Schutz gegen die in München versammelte größenwahnsinnige Kaste, die glaubt, Meinungen in richtig und falsch unterteilen zu können und jene ausschließt, die nach ihrer Ansicht die falschen Ansichten haben. So geschehen mit unliebsamen Parteien, darunter die AfD, auf der Münchner Sicherheitskonferenz höchstselbst.
Der Vorsitzende der Konferenz, Christoph Heusgen, mag als Prototyp des von Vance angesprochenen erlauchten Kreises gelten. Er war von 2017 bis 2021 Ständiger Vertreter der Bundesrepublik bei den UN und fiel beispielsweise dadurch auf, dass er gemeinsam mit Heiko Maas und der deutschen Delegation hochmütig feixend und kaugummikauend in der UN saß, um Donald Trump zu verspotten, der vor einer zu großen Energieabhängigkeit Deutschlands von Russland warnte. Heusgen war lange Jahre Berater und Vertrauter von Angela Merkel, bis er als Dank für die geleisteten Dienste nach N.Y. befördert wurde, wo er dann, so der Spiegel, „seine Beziehungen spielen ließ, um seiner Frau einen Job bei der UNO in New York zuzuschanzen“.
Der 40-jährige Amerikaner Vance hat sich zielgenau die ideale Veranstaltung ausgesucht, um diesen tadellosen Herrschaften seine unbequeme Wahrheit zu überbringen und ihnen dabei direkt in die Augen zu schauen. Und dies zum für die "Unsere-Demokratie"-Pächter schmerzlichsten Zeitpunkt, nämlich genau eine Woche vor der Bundestagswahl. Besonders gemein waren seine Freundlichkeit und sein konzillianter Ton, seine freie Rede und seine angenehme Körpersprache. Also alles das, was unseren Spitzenapparatschiks abgeht, wie einem Salzwasser-Krokodil gepflegte Tischsitten.
Erst einmal in den Arm kneifen, um es wirklich zu glauben
„Das ich das noch erleben darf“ schrieb mir gestern einer unserer Autoren, und auch ich selbst folgte der Rede von Vance beinahe ungläubig.
Die Achse des Guten wurde vor gut 20 Jahren in Reaktion auf eine großen Welle des Anti-Amerkanismus nach 9/11 gegründet und kämpft seitdem genau für die Meinungsfreiheit, deren Restauration J.D. Vance in München einforderte. Auch für uns war seine Rede irritierend, aber in einem ganz anderen Sinne als für den Genossen Scholz. Wenn Sachverhalte, für deren Publikation man über zwei Jahrzehnte stigmatisiert, geschnitten und gecancelt wurde, den dafür Verantwortlichen plötzlich wortwörtlich vom Vizepräsidenten der USA vorgehalten werden, dann muss man sich erst einmal in den Arm kneifen, um es wirklich zu glauben.
So muss man sich fühlen, wenn man nach 20 Jahren Einzelhaft unvermittelt in die Freiheit entlassen wird, und staunend durch die Stadt flaniert, ohne dass ein Wärter auf der Zinne steht. Ich muss da immer an meinen geliebten Riesenschnauzer denken, der stets wütend am Zaun entlang lief, um endlich Nachbars Katze zu killen. Dann war die Brandmauer samt der Katze plötzlich weg und er lief immer noch an der Demarkationslinie hin und her und kläffte wie ein Wilder.
Alleine die Vorstellung, dass einer von uns zum Bundespresseball eingeladen werden könnte, würde den Laden in eine schwere Identitätskrise stürzen. Zur Sicherheit haben wir ein Redaktionsstatut von Groucho Marx übernommen: "Ich würde keinem Club angehören wollen, der mich als Mitglied aufnimmt." Liebe unabhängige Medien, wir brauchen dringend eine Selbsthilfegruppe, um uns auf diesen nicht ganz unwahrscheinlichen Fall vorzubereiten.
Über weite Strecken hätte ich die Beispiele von J.D. Vance miterzählen können, gleichsam als eine Lesung aus der Achse des Guten. Sie reichten von der Deutungsschlacht um den Ursprung des Wuhan-Virus bis zur Annulierung der Wahl in Rumänien, derer sich ein Ex-EU-Kommissar brüstete. Vor 14 Tagen glaubten die Zensur-Trolle von Correctiv noch, uns wegen eines diesbezüglichen Beitrages vorführen zu können, was sie aber unterließen, siehe oben Steinhöfel/Kavallerie.
Nachdem ich ihre Anfrage und unsere Antwort veröffentlichte, scheint ein Sausen durch den Frack geweht zu haben. In 20 Jahren entwickelt man eine gewisse Routine darin unverbindlich darauf hinzuweisen, dass die edlen Seelen Schaden nehmen könnten: „Im Wettbewerb der Meinungen steht Correctiv selbstverständlich frei, eine eigene Meinung zu artikulieren, die nicht mit unserer übereinstimmt, ich rate aber davon ab, dies in Gestus und Form einer höheren oder gar unabhängigen Instanz zu tun, eine solche sind Sie nämlich nicht."
Doch eher wieder was mit Atomenergie studieren
In den USA stehen solche Machenschaften jetzt auf dem Index, und die entsprechenden Handlanger werden in der Wüste ausgewildert. In Europa gibt der Staat den kleinen Ferkeln weiter die Brust, aber ich würde als junge Nachwuchskraft jetzt doch eher wieder was mit Atomenergie oder Ingeniör studieren.
J.D. Vance war über die Verhältnisse in Deutschland bestens informiert – und seine Zuarbeiter bezogen ihr Wissen garantiert nicht aus ZDF oder ARD, FAZ oder taz, Stern oder Spiegel. Als Journalist sollte man seine Wirkung nicht überschätzen, die Mühlen der Veränderung mahlen langsam, doch auch kleine Rädchen spielen im Getriebe eine Rolle.
Uns von Achgut.com erinnerte die Rede des amerikanischen Vizepräsidenten jedenfalls daran, dass unser Tun – man zweifelt zwischendurch immer mal wieder – nicht ganz so sinnlos sein kann und – pathetisch gesprochen – dass wir auch mal fünf Minuten stolz sein dürfen. Und das gilt genauso für Sie, liebe Leser, nehmen sie jetz bitte Haltung an, ich möchte Ihnen einen Orden ans Revers heften.
Als alter Fahrensmann weiß ich, dass man den Tag nicht vor dem Abend loben darf, aber ein bisschen Hoffnung ist gut für den Kreislauf. Zumal die Rede von Mr. Vance die Umrisse einer Zukunft aufweist, die das Leben der Menschen erleichtert und bereichert und nicht erschwert und mühseliger macht. Der anschwellende Klimagesang hat dazu geführt, dass sich viele eine bessere Welt gar nicht mehr vorstellen können. Jetzt geht dem Chor die Luft aus. Wenn sich herumspricht, dass eine bessere Welt für unsere Kinder möglich ist, werden die Misanthropen sehr einsam, und die Menschen sehr fleißig sein. Deshalb hyperventilieren die ewig Unschuldigen jetzt wie ein durchgedrehtes Windrad im Orkan. Thank you, Mr. Vance!
Dirk Maxeiner ist einer der Herausgeber von Achgut.com. Von ihm ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Zu beziehen hier.