Der Präsident der „Deutschen Physikalischen Gesellschaft" Joachim Ullrich ist ein verdienter Wissenschaftler und kluger Kopf. Umso erstaunlicher erscheint deshalb der ideologische Quark, den Deutschlands oberster Physiker ausgerechnet in einem Schreiben an die deutschen Schulen zum Besten gibt.
Vor ein paar Tagen bekam ich Post von einem Physiklehrer an einem Gymnasium in Deutschland. Also von einem der letzten Mohikaner, der die Naturwissenschaften in Deutschland vor dem Herannahen der grünen Männchen retten soll. Und deshalb war er ein bisschen erbost. Denn der Pädagoge hatte auch Post bekommen. Von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft. Das ist ein Verein, so altehrwürdig wie Moses auf dem Berg Sinai, sprich die älteste nationale und auch mitgliederstärkste physikalische Fachgesellschaft der Welt (55.000 Mitglieder). Ihre Tradition geht bis 1845 zurück und fällt vielleicht nicht ganz zufällig mit der Epoche zusammen, in welcher der erste Verbrennungsmotor gezündet wurde.
178 Jahre später wird der Verein jetzt offenbar von einem schlechten Gewissen heimgesucht. Die Kolonisierung des Planeten Wissen scheint ihm wirklich peinlich zu sein. Die Errungenschaften von Aufklärung und Wissenschaft sollen offenbar an die grünen Schamanen restitutiert werden, so ähnlich wie die Benin-Bronzen an die nigerianische Königsfamilie. Dies lässt zumindest ein Physik-Newletter namens „Physik konkret" vermuten, der in Papierform an Schulen – und auch an unseren Physik-Lehrer – geschickt wird, auf dass er dort die Runde in der Fachschaft und im Unterricht machen möge.
Das Anschreiben ist vom Präsidenten, Joachim Ullrich, verfasst. Das ist ein verdienter Wissenschaftler und kluger Kopf. Umso erstaunlicher erscheint deshalb der ideologische Quark, den Deutschlands oberster Physiker zum Besten gibt und auch noch glaubt, bei Schülern und Lehrern damit punkten zu können.
Noch nicht einmal das Gegenteil ist gerade
Unter der tadellos konsensfähigen Überschrift „Nicht fossile Energie: Eine globale Herausforderung für den Klimaschutz“ offeriert El Presidente eine ausgewählte Sammlung grüner Platitüden, die viel mit Gehirnwäsche und wenig mit Physik zu tun haben. Da stolpern ominöse „Klimakipppunkte“ übers Papier, und der „Pfad zur Transformation der Gesellschaft“ wird ausgetreten. „Jüngste Berechnungen“ werden bemüht, um „mit einiger Sicherheit die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen“, damit man nicht „ständig Angst vor Naturkatastrophen“ haben müsse. Das zusammengezimmerte Gedankengebäude ist eigentlich schon von den Grünen besetzt und insgesamt so schräg, dass noch nicht einmal das Gegenteil gerade wäre. Es gipfelt im mahnenden Platitüdumm: „Der Klimawandel wartet nicht“.
Aber Vorsicht, aufgewecktere Gymnasiasten könnten zurückfragen: Seit wann wartet er denn, der Klimawandel? Und woran erkennt man ihn? Sitzt er auf einer Bank im Pausenhof mit einem alten Hut auf dem Kopf und wippt ungeduldig mit den Füßen? Gibts den Klimawandel nicht schon etwas länger und warum wartet er jetzt plötzlich nicht mehr? Wo will er denn überhaupt hin? Und können wir den Herrn aufhalten, wenn er ohnehin schon seit Äonen im irdischen Pausenhof wandelt? „Es handelt sich um billigste Panikmache“, resümmiert der adressierte Studienrat, „und sie ist gerichtet an studierte Physiklehrer, die schwachsinnige Diagramme sofort erkennen (sollten)".
Garniert wird die Aussendung nämlich mit zwei bunten Nonsens-Grafiken die unter Zuhilfenahme mehrerer Achsen und Buntstifte irgendwas mit Wissenschaft symbolisieren sollen. Auf der einen kurven Modellrechnungen übers Papier wie ein Vierjähriger mit seinem ersten Roller durchs Wohnzimmer. Dazu die prognostische Glückskeks-Aussage: „Der CO2-Ausstoß muss drastisch gesenkt werden, um mit einiger Sicherheit eine irreversible Klimakatastrophe zu verhindern“.
In der anderen Grafik baut sich dräuend ein finsterer Berg aus Erdöl, Erdgas und Kohle auf, der dann niedergestreckt wird, als sei jung Siegfried am Werk. Danach geht die Grafik grün ins ewig währende CO2-Nudisten-Paradies über. Der Kipppunkt zwischen Realität und Wunschdenken erfolgt punktgenau an der mit einem Pfeil markierten Stelle „COP 27“. Letzteres hat nix mit Kopf oder gar Köpfchen zu tun, sondern steht für die letzte große UN-Klimasause in Sharm El-Scheik am Roten Meer, also für das Gegenteil. Motto: Und Gott teilte das Meer, um sein Volk zu retten.
Und so will ich das Positive betonen und den Schülern folgende Weisung mit auf den Lebensweg geben: „Schaut her, die Deutsche Physikalische Gesellschaft zeigt euch, wie Physik garantiert nicht funktioniert“. Ansonsten empfiehlt es sich, gleich den Religionsunterricht aufzusuchen.
Erst einmal den großen Klima-Kotau machen
Aber ich will nicht ungerecht sein. Ähnlich wie die Prawda oder das Neue Deutschland muss man die Mitteilungen der Deutschen Physikalischen Gesellschaft auch zwischen den Zeilen lesen. Dann wird es plötzlich interessant. Jedenfalls ist mir in dem Papier eine Passage im Zusammenhang mit der Förderung von nicht-fossilen Energiequellen aufgefallen: „Moderne Windanlagen haben – genau wie Kernenergie – einen Beitrag von jeweils nur vier Prozent“. Man beachte das K-Wort. Will hier jemand womöglich sagen, dass der Atomausstieg vielleicht doch nicht so ganz zielführend ist, traut sich aber nicht, das offen auszusprechen? Es hat sich ja inzwischen in den besseren Industrie-Kreisen etabliert, erst einmal den großen Klima-Kotau zu machen, bevor man zu in Watte verpackter Kritik schreitet. Die Kernkraft-Befürworter – und zu denen muss man die Deutsche Physikalische Gesellschaft in ihrer Mehrheit wohl zählen – müssten es eigentlich besser wissen, denn den gleichen Fehler haben sie anno Tobak schon mal gemacht. Genau genommen, darf die DPG sogar das Copyright für den Begriff „Klimakatastrophe“ beanspruchen.
1986, der Fallout der Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl versetzte Deutschland in Todesangst, lief es plötzlich nicht mehr so rund für die Atomgemeinde. Daraufhin trat der Arbeitskreis Energie der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, dem vor allem der langfristige Ausbau der Kernenergie am Herzen lag, mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit: „Um die drohende Klimakatastrophe zu vermeiden, muss bereits jetzt wirkungsvoll damit begonnen werden, die weitere Emission von sogenannten Spurengasen drastisch einzuschränken.“ Die deutschen Physiker prognostizierten einen Anstieg des Meeresspiegels um bis zu 30 Meter. Sprich: Man wollte das Tschernobyl-Feuer mit Gegenfeuer bekämpfen. Der Spiegel nahm den Ball sogleich auf, platzierte „Die Klimakatastrophe“ auf dem Titel und zeigte dazu einen Kölner Dom, dem das Wasser bis zum Halse stand. Das war der Beginn der Klima-Panikmache, wie wir sie heute kennen. „Wenn du auf einem Ast im Baum sitzt und drunter ein Gaul durchläuft, dann lass dich in den Sattel fallen“, heißt ein Rat alter Fahrensmänner, der in schwierigen Situationen gerne befolgt wird. Auf dem Ast saß die DPG und der Gaul hieß Klimapanik.
Joachim Ullrich weist auch darauf hin (ohne die kleine Vorgeschichte zu erwähnen): „Schon im Jahre 1987 veröffentlichte die Deutsche Physikalische Gesellschaft zusammen mit der deutschen Meteorologischen Gesellschaft DMG den „Aufruf vor drohenden weltweiten Klimaänderungen durch den Menschen“. Mit dem heutigen Kenntnisstand lässt sich daher sagen: Und so verkaufte die Deutsche Physikalische Gesellschaft – frei nach Lenin – 1987 den Strick, an dem inzwischen die ganze deutsche Industrie aufgehängt wird. Allerdings: Der Kölner Dom hat immer noch keine nassen Füße. Stattdessen hat sie die deutsche Energiewirtschaft und die Automobilindustrie, um nur zwei zu nennen.
Um Missverständnisse zu vermeiden: Die durchaus ernsthafte Besorgnis vor einer globalen Erwärmung durch Treibhausgase kam seinerzeit aus der Wissenschaft. Sie hat sich dort recht wechselhaft herausgemendelt. Erst glaubte man an Indizien für eine neue Eiszeit, und Rudi Carrell popularisierte das Thema 1975 mit dem Gassenhauer „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer?". Dann trat die globale Erwärmung an die Stelle der Eiszeit und Hans Joachim Schellnhuber an die Stelle von Rudi Carrell.
Das Thema wurde von verschiedensten Gruppen als panzerbrechende Waffe für die Durchsetzung der eigenen Interessen entdeckt, allen voran von der Politik. Die hat die Klimafrage dann ziemlich willkürlich unter vielen anderen Besorgnissen der Menschheit herausgegriffen und beutet es nun für ihre Zwecke aus.
Und die Mutter der ganzen Chose ist nicht etwa Angela Merkel, sondern Margaret Thatcher. Die britischen Wissenschaftler, die sie vor über 40 Jahren über ihre Erkenntnisse zum Klimawandel informierten, taten dies aus echter Überzeugung. Dass sie aber nachhaltig Gehör fanden, lag an etwas anderem (die eiserne Lady war ja nicht gerade durch eine grüne Agenda aufgefallen). Thatcher wollte das Land aus der Abhängigkeit von Kohle und Öl und insbesondere auch aus dem Würgegriff der Bergarbeiter-Gewerkschaft befreien. Der dafür notwendige Ausbau der Kernenergie musste moralisch gerechtfertigt werden – und dafür bot sich die Klimaerwärmung an.
Das erzählt ganz freimütig Thatchers ehemaliger Energieminister, Lord Nigel Lawson. Die britische Premierministerin investierte deshalb erhebliche Mittel in die britische Klimaforschung und wurde so zur Mutter der Klima-Großforschung. Die britische Climate Research Unit („CRU“) verdankt ihren Aufstieg einer konservativen Politikerin, die die Gewerkschaften erledigen wollte und nur mäßiges Interesse an der globalen Durchschnittstemperatur hatte. Die „Potsdam-Institute“ dieser Welt dienen vor der Hand der Rettung des Weltklimas und hinter der Hand der Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen, was sich gegenseitig nicht ausschließen muss, in Deutschland im Moment aber tut.
Die Schüler-Indoktrination der Deutschen Physikalischen Gesellschaft erzählt zwar nichts Neues zur Physik (dabei gäbe es da eine Menge), liefert aber ein schönes Beispiel, wie dumm auch kluge Leute sein können. Wer glaubt, Ideologen durch Anbiederung zähmen zu können und sich auf einen von ihnen bereitgestellten Gaul setzt, mag zwar von Physik, Technik oder Automobilbau etwas verstehen, hat aber die grundlegenden Lektionen politischer Katastrophen nicht verstanden. Dieser Gaul ist eindeutig durchgegangen.
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