Dirk Maxeiner / 13.03.2016 / 11:00 / Foto: Christine und Hagen Graf / 1 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer (12): Es riecht nach Crêpes

Das liebste Forschungsobjekt des Mediziners Iwan Petrowitsch Pawlow waren Hunde. Bei seinen Experimenten stellte er fest, dass ein Hund nicht erst beim Fressen Speichel produziert, sondern bereits beim Anblick der Nahrung. Das nennt sich Konditionierung. Und die funktioniert nicht nur bei Vierbeinern, sondern auch bei Zweibeinern. Mir ging es neulich bei einem Besuch in der Gegend von Saarbrücken so. Da gibt es eine Werkstatt, die ist auf alte Citroens spezialisiert.

Vor der Tür wurde ein künstlerisch wertvoll dahinrostender Citroen HY-Lieferwagen zum Kauf angeboten. Dieses Auto repräsentiert gewissermaßen die Gourmet-Variante des Pawlowschen Experimentes. Der HY war lange Zeit das französische Gegenstück zum guten alten VW-Bus. Kaum taucht eine dieser fahrbaren Wellblechhütten  auf einem Wochen- oder Jahrmarkt auf, löst das die Produktion von Verdauungssäften aus und meinem Gehirn wird mitgeteilt: „Au fein, heute gibt es Crêpes“. Die Frage ist eigentlich nur noch: Crêpe Suzette mit Orangenmarmelade oder eine flambierte Crêpe quarts de plaisir? Frankreichs Volkstransporter verströmt den unwiderstehlichen Duft von Feinkost. Das unterscheidet ihn grundsätzlich von sonstigen betagten Transportfahrzeugen, bei denen der moderne Mensch eher an Feinstaub denkt.

Am Anfang seiner Konzeption stand die Förderung von Frankreichs Handwerk und Handel. Die Supermärkte waren noch nicht erfunden und die Versorgung des ländlichen Frankreich blieb dem ambulanten Gewerbe überlassen. Der HY war ein Held des Kleingewerbes. Die Franzosen nennen ihn nach seinem Vorgänger (Traction Utilitaire série B) auch liebevoll „TUB“, seine deutschen Fans „Dauerwelle“. Das Wellblechkleid war  meistens grau. Außer als Feuerwehr (rot), Polizeibus (blau) oder Ambulanz (weiß).

Ich kenne alle genannten Varianten aus persönlicher Anschauung. Die Graue vom Trampen in Südfrankreich. Man  teilte sich den Laderaum mit mehreren Ziegen, was ein sehr spezielles Geruchserlebnis darstellte. Die Rote von einem Waldbrand im Departement Landes, wo ganze Schwärme von HY-Feuerwehren anrückten. Die Weiße von einem Unfall in Paris und dem anschließenden Transport ins Hospital. Der Sound der lustlosen Ambulanz-Sirene, die vergeblich gegen den Stau anhupte, wird mir ewig unvergessen bleiben. Es klang wie ein verzweifeltes  Röcheln und passte hervorragend zum eigenen Gesundheitszustand. Schließlich die blaue Polizei-Variante. Nach einer Radarkontrolle bat Monsieur Gendarme in das mobile Polizeirevier. Dort wartete ein regelrechtes Tribunal mit einer Schreibmaschine für das Protokoll und sehr ernsten Blicken. Es folgte die Aburteilung als Tagesbester.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Ludwig Arnold / 13.03.2016

Lieber Herr Marxeiner, das wäre ja nicht überraschend, wenn der Hund beim Anblick des Futters Speichel produziert. Mein Biologie-Unterricht ist schon eine Weile her, aber ich glaube mich zu erinnern : Pawlow hat beim Füttern immer ein Glöckchen bimmeln lassen. Später hat allein der Ton des Glöckchens den Speichelfluß hervorgerufen. Das nennt man dann Konditionierung. Ein Gscheithaferl aus Bayern

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Dirk Maxeiner / 24.03.2024 / 06:15 / 88

Der Sonntagsfahrer: UN verbietet VW-Up

Handelt es sich bei einigen Autos, darunter beliebte Volkswagenmodelle, um gemeingefährliche Cyberwaffen? Nach UN-Vorschriften ja. Deshalb dürfen sie ab Juli in Europa nicht mehr verkauft werden. Was…/ mehr

Dirk Maxeiner / 30.04.2023 / 06:15 / 131

Der Sonntagsfahrer: Abu Graichen

Um den grünen Staatssekretär Patrick Graichen hat sich eine Großfamilie auf der grünen Allmende des Wirtschaftsministeriums breitgemacht. Wenn man lange genug filzt und walkt, dann…/ mehr

Dirk Maxeiner / 23.04.2023 / 06:15 / 72

Der Sonntagsfahrer: 500.000 Kilometer

Mein Freund hielt die Hand vor die Augen und wandte sich ab, weil er wusste, was jetzt kommen würde. Etwas in mir bemächtigte sich meiner…/ mehr

Dirk Maxeiner / 16.04.2023 / 06:15 / 36

Der Sonntagsfahrer: Die alte Scheune am Ende der Straße

Die einzige Geisterstadt, die ich bis dahin besichtigt hatte, lag im Death Valley unter dem Meeresspiegel. Dies war die zweite. Und sie hat den unschlagbaren…/ mehr

Dirk Maxeiner / 09.04.2023 / 06:00 / 50

Der Sonntagsfahrer: Die Auferstehung des Diesels

„Der Gekreuzigte ist auferstanden von den Toten, das verkündet uns nicht nur die Frohe Botschaft, das ist die Frohe Botschaft“, hört man in diesen Tagen…/ mehr

Dirk Maxeiner / 02.04.2023 / 06:15 / 97

Der Sonntagsfahrer: „Klimaseniorinnen” in der Steilkurve

Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen „Klimaseniorinnen“, weil der Klimawandel ihr Leben unzulässig verkürzen könnte. Dabei gibt es viel einfachere und kreativere Wege, sein Dasein…/ mehr

Dirk Maxeiner / 26.03.2023 / 06:15 / 78

Der Sonntagsfahrer: Nichts Neues immer dramatischer

Alle Jahre wieder erscheint ein Bericht des „Weltklimarates“, so auch letzte Woche. Und wieder ist das Ende nah. Wirtschaftsminister Habeck will Heizungen und Autos abschaffen,…/ mehr

Dirk Maxeiner / 19.03.2023 / 06:15 / 110

Der Sonntagsfahrer: Hinterm Horizont fährts weiter

Die Zukunft bleibt offen und ist viel mehr als eine Energiesparvariante der Gegenwart. Und das Auto wird dabei weiter eine große Rolle spielen. Die damit…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com