Eine Pressemitteilung der EU-Kommission zum "Aktionsplan für Europas Autoindustrie" zeigt, mit welcher Übergriffigkeit und Ignoranz nicht demokratisch legitimierte Größenwahnsinnige das Auto torpedieren und den Menschen in Europa schaden.
Sir Peter Alexander Baron von Ustinov war nicht nur ein wunderbarer Schauspieler, sondern auch ein Liebhaber erlesener Automobile. Besonders angetan hatte es ihm sein Maserati Quattroporte von 1968. Wenn er gerade nicht Maserati fuhr, war er immer für ein politisches Bonmot gut. Und eines seiner bekanntesten lautet so: „Politik ist die Kunst, Probleme zu lösen, die man selbst geschaffen hat.“
An schlagenden bundesdeutschen Beispielen mangelt es nicht: Nehmen wir nur die Energiewende samt Atomausstieg oder die jahrelange Corona-Verdunkelung. Beide legten und legen das Land nachhaltig lahm, und diejenigen, die den Schaden verursacht haben, behaupten nun, ihn zu beheben. Wobei sie agieren wie ein Elektriker, der eine durchgebrannte Sicherung durch einen soliden Nagel ersetzt. Das Problem wird nicht gelöst (insofern irrte Ustinov), sondern verschoben, bis die Hütte richtig brennt.
Wie zur Bestätigung flatterte mir vor ein paar Tagen eine Pressemitteilung der EU-Kommission auf den Schreibtisch, deren Überschrift jeden, der das unermüdliche Wirken dieser Truppe schon länger beobachtet, stark beunruhigen muss: „EU-Kommission legt Aktionsplan für Europas Automobil-Industrie vor.“
Nachdem die Brüsseler Planwirtschafts-Kamarilla die europäische und vor allem deutsche Autoindustrie mit einem unsinnigen und überflüssigen E-Autozwang respektive Verbrennerverbot sowie beinahe täglich neuen Auto-Schikanen vor die Wand gefahren hat und (das unternehmerische Umfeld eingeschlossen) Hunderttausende dafür mit Jobverlust bezahlen, weisen die Herrschaften jetzt visionär den Weg aus der selbstfabrizierten Krise. Die Pyromanen machen einen auf Feuerwehr.
Ein Satz voller Schlichtheit, Anmut und Schönheit
Bevor ich die Rettungslyrik Made in Brüssel im Schein eines Warnblinkers beleuchte, ein kleiner Hinweis darauf, wie ein gewisser Donald Trump das Problem zu lösen gedenkt, das er obendrein nicht verursacht hat. Weshalb er auch nicht wie die EU-Kommission vor dem Problem steht, zugeben zu müssen, man habe sich gründlich geirrt. Also sprach Donald Trump: „Ich habe den lächerlichen und unglaublich verschwenderischen Green New Deal – ich nenne ihn den Green New Scam [Betrug]“ – beendet; ich habe mich aus dem einseitigen Pariser Klimaabkommen zurückgezogen und das irrsinnige und teure Mandat für Elektrofahrzeuge beendet. Wir werden die Menschen das Auto kaufen lassen, das sie kaufen wollen.“ Trump hin, Trump her, lassen Sie mich seinen letzten Satz in seiner entwaffnenden Schlichtheit, Anmut und Schönheit noch einmal wiederholen: „Wir werden die Menschen das Auto kaufen lassen, das sie kaufen wollen“.
Vor 20 Jahren wäre dieser Satz noch als blanke Selbstverständlichkeit durchgegangen ("Ja was denn sonst?"), inzwischen wurde das Publikum so eingeschüchtert, dass die Forderung nach freier Marktwirtschaft und Freiheit des Individuums als Delegitimierung des Staates respektive der Obrigkeit geahndet wird: Ja wo kommen wir denn hin, wenn die Menschen das Auto kaufen dürfen, das sie wollen? Essen, was sie wollen? Urlaub machen, wo sie wollen? Sagen, was sie wollen? Denken was sie wollen?
Ich vermute mal: Wir kämen zum Kern und damit zur Lösung des Problems. Allerdings wäre das mit dem gefährlichen Gedanken verbunden, dass das Leben für die Menschen ohne die Rundum-Betreuung der EU-Kommission leichter, schöner und reicher sein könnte. Und sowas darf natürlich auf keinen Fall ruchbar werden.
Deshalb bietet der „Aktionsplan für Europas Automobil-Industrie“ deutlich mehr Lametta als das Trumpsche-Diktum, aber keinen einzigen konsistenten Gedanken. Stattdessen ist er „Ergebnis des strategischen Dialogs über die Zukunft der europäischen Automobilindustrie, den EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Januar eingeleitet hatte“. Ferner sei der Aktionsplan auch das Resultat "eines integrativen und kooperativen Prozesses, der mehrere Diskussionen und die Einbeziehung von Interessengruppen beinhaltete, die durch den Strategischen Dialog über die Zukunft der Automobilindustrie“ initiiert wurden. Auf gut Deutsch: Brüssel veranstaltete ein großes Palaver, bei dem vermutlich auch die Omas gegen rechts, der Synodalrat der katholischen Kirche und der Verein Bobbycar for ever wertvolle Beiträge zum integrativen und kooperativen Prozess leisteten. Mann nennt das auch Bullshit-Bingo, so genannt nach einem Spiel, das die inhaltslose Verwendung zahlreicher Schlagwörter in Vorträgen, Präsentationen oder Besprechungen auf die Schippe nimmt.
"Boaah, wat die nich alles inne Birne haben!"
Bei der EU-Kommission handelt es sich in dieser Hinsicht um Spitzenkräfte und darüber hinaus um ausgesprochene Schnellmerker: „Der europäische Automobilsektor befindet sich an einem kritischen Wendepunkt und steht raschen technologische Veränderungen und zunehmenden Wettbewerb gegenüber“. Manni Manta würde sagen: "Boaah, wat die nich alles inne Birne haben!"
Nur eines haben sie nicht im Kopf, nämlich den gemeinen europäischen Autokäufer: "Der heutige Aktionsplan wird von der Mitteilung zur Dekarbonisierung von Unternehmensflotten begleitet, in der bewährte Verfahren hervorgehoben und die Mitgliedsstaaten ermutigt werden, weitere Maßnahmen zur ökologischen Ausrichtung von Unternehmensflotten zu ergreifen, die rund 60 Prozent der Neuzulassungen ausmachen".
Nachdem der Neuwagenkauf für Privatpersonen immer unbezahlbarer wird, sollen nun große Unternehmen und Institutionen – ohnehin im wachsenden Maße bereits Empfänger von Staatsknete – gehorsamst einspringen, um die Elektroautohalden in den Garagen der Belegschaft zu verklappen. Irgendwann wird dann das Kombinat Volkswagen nur noch Autos für seine Belegschaft bauen, womit bewiesen wäre, dass das Perpetuum mobile doch funktioniert.
Ursula von der Leyen ist sich jedenfalls sicher: „Es gibt so viel ungenutztes Potenzial auf dem Weltmarkt, wenn es um Innovation und saubere Lösungen geht. Ich möchte, dass unsere europäische Automobilindustrie die Führung übernimmt. Wir werden die inländische Produktion fördern, um strategische Abhängigkeiten zu vermeiden, insbesondere bei der Batterieproduktion.“ Mit Batterien kennt Frau von der Leyen sich ja bekanntlich aus, seit ihr Handy aus mysteriösen Gründen das Gedächtnis verlor.
Sogar Walter Ulbricht wäre stolz auf sie, denn das Motto „Überholen ohne Einzuholen“ ist eigentlich sein eingetragenes Markenzeichen. Ulbricht sah 1970 auch viel ungenutztes Potenzial auf dem Weltmarkt und rief die Varieté-Nummer zum Ziel der Wirtschafts- und Sozialpolitik der DDR aus. Wobei Ursula von der Leyen ordentlich Lockstoff ausschüttet, damit die Schieber heranschwirren wie die Fliegen, wenn sie Pheromone wittern: „Unter anderem wird die Kommission 1,8 Milliarden Euro für eine sichere und wettbewerbsfähige Lieferkette für Batterierohstoffe bereitstellen“.
Dank Robert Habeck hat Deutschland dabei ja bereits die Führungsrolle übernommen. Im Falle der Batteriefabrik Northvolt funktionierte die Lieferkette jedenfalls astrein wettbewerbsfähig: Etwa 1,3 Milliarden Euro deutscher Steuerrohstoff wurde sicher und zuverlässig an die schwedische Firma geliefert, die zu diesem Zeitpunkt praktisch schon pleite war. Fest steht: Es ist deutlich leichter und lukrativer, an deutsche Staatsknete zu kommen als an seltene Erden. Für den Abgreifer-Weltmarkt gibt es hierzulande noch viel innovatives und ungenutztes Potenzial. Das Ziel „entlang der Lieferkette einen europäischen Mehrwert zu schaffen“, ist in jedem Fall voll erreicht worden, denn entlang der Lieferkette ist die seltene Kohle irgendwo zwischen Heide in Schleswig-Holstein, Stockholm und Phantasialand abhanden gekommen.
Das ein oder andere selbstbedienende Glied in der Lieferkette
Neben der selbstbedienenden Batterie hat laut Frau von der Leyen auch das selbstfahrende Auto eine große Zukunft vor sich: „Eine Europäische Allianz für vernetzte und autonome Fahrzeuge wird die europäischen Interessengruppen der Automobilindustrie zusammenbringen“, heißt es in dem Papier, getreu der unternehmerischen Maxime „ein Kamel ist ein Rennpferd, das von einem Komitee entworfen wurde“. Und eine von einem Komitee arrangierte Allianz ist das, was man in der Zentralverwaltungswirtschaft der DDR "Kombinat" nannte, laut Wikipedia "horizontal und vertikal integrierte Gruppen von Volkseigenen Betrieben (VEB) mit ähnlichem Produktionsprofil."
Das europäische Auto-Kombinat „soll die Entwicklung von Fahrzeugen der nächsten Generation gestalten und die Entwicklung der gemeinsamen Software und digitalen Hardware zu unterstützen". Und der ist noch besser: "Groß angelegte Testumgebungen und regulatorische ‚Sandkästen‘ sollen Innovatoren die Freiheit geben, ihre Technologien für autonome Fahrzeuge zu testen und zu verfeinern“.
Die Beteiligten haben dabei freilich übersehen, dass Europa längst ein regulatorischer Sandkasten ist, und zwar für schwer erziehbare Dreijährige in der Brüsseler Kita, welche die Automobilindustrie neu erfinden wollen. Die selbstfahrenden Erwachsenen sind leider schon vom autonomen Schiff ins Rettungsboot gestiegen, eine entsprechende Kooperation von VW und Ford ist ergebnislos aufgegeben worden. Auch Google, Apple und Bosch haben sich vom autonomen Fahren weitgehend verabschiedet, genau übrigens wie der Bus in Bad Birnbach. In Niederbayern ist man da erkenntnispraktisch deutlich weiter als in Brüssel, wo übrigens gerade das Audi-Werk geschlossen wurde, eine Viertelstunde vom Europaparlament entfernt.
Aber die EU in ihrem Lauf hält weder Ochs noch Esel auf: „Die Kommission wird den Rechtsrahmen für autonome Fahrzeuge weiterentwickeln. Diese Maßnahmen werden durch gemeinsame öffentlich-private Investitionen in Höhe von rund 1 Milliarde Euro unterstützt, die im Zeitraum 2025–2027 durch das Programm ,Horizont Europa‘ gefördert werden“. Kurzum: Es wird sich sicherlich das ein oder andere selbstbedienende Glied in der Lieferkette finden, dass diese Milliarde einem mildtätigen Zweck hinter dem Horizont zuführt.
Neue Sterbeverordnung für das Verbrenner Automobil
Ganz besonders ingeniös finde ich aber die „Flexibiltätsmöglichkeiten durch eine gezielte Änderung der CO2-Emissionsnormen für Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge“. Dahinter steckt gewissermaßen eine neue Sterbeverordnung für das Verbrenner-Automobil: „Die Änderung würde es den Automobilherstellern ermöglichen, ihre Ziele zu erreichen, indem sie ihre Reduktionsleistungen über einen Zeitraum von drei Jahren (2025–2027) berechnen können. So könnten sie Defizite in einem oder zwei Jahren durch Übererfüllung in den anderen Jahren ausgleichen, während das Gesamtziel für 2025 beibehalten wird“. Dies ist eine ausgesprochen ermutigende Mitteilung, ähnlich der an einen Patienten auf der Intensivstation, dem man mitteilt: „Wir stellen die Geräte nicht gleich, sondern erst übermorgen ab, damit ihr Kreislauf seine Reduktionsleistungen über einen Zeitraum von drei Tagen erbringen kann, wobei das Ende des Ausatmungvorgangs als Gesamtziel beibehalten wird.“
Der „Aktionsplan für Europas Automobil-Industrie“ der EU-Kommission lässt aber niemanden alleine zurück, sondern ist ein Musterbeispiel für mitfühlende Geringschätzung. So wird die Kommission „mit den Sozialpartnern und den Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um die Mittel des Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+) für den Automobilsektor zu erhöhen und Arbeitnehmer zu unterstützen, die sich umschulen und nach neuen Beschäftigungsmöglichkeiten suchen möchten“. Beispielsweise beim Skatspiel auf dem Flur des Arbeitsamtes in Ingolstadt oder beim Flaschensammeln im schönen "Jardin participatif de l'Abbaye de Forest" gleich gegenüber vom Audi-Werk in Brüssel.
Auch will man Daten erheben und zusammenführen, „um die voraussichtlichen künftigen ‚Hotspots‘ von Beschäftigungsverschiebungen und Qualifikationslücken zu ermitteln.“ Die letzte Beschäftigungsverschiebung, die ich persönlich erlebte, war übrigens mein Rauswurf von einem Chefredakteursposten. Schade, dass ich das Wort damals noch nicht kannte, es hätte mich enorm getröstet. Auch der Begriff „Qualifikationslücke“ scheint mir von aufmunterndem Charakter, zumindest für Rechtschreibe-Neulinge.
Schlussendlich wird im Aktionsplan auch für die barrierefreie letzte Reise gesorgt. Für die „Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit Fachkräftemangel, Missverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage und einer alternden Belegschaft“ wird die EU künftig darauf achten, dass beim Bestattungsservice sauber gearbeitet wird. Die entsprechende Institution heißt „Europäische Beobachtungsstelle für faire Übergänge“. Wir sehen uns in der Aussegnungshalle.
Dirk Maxeiner ist einer der Herausgeber von Achgut.com. Von ihm ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Zu beziehen hier.