Der Verband der Automobilindustrie (VDA) fordert ein Verbot für Benzin und Diesel, die zu 95 Prozent die Grundlage ihres Geschäftsmodells bilden. Das ist schon eine neue Qualität. Wahnsinn? Sabotage? Erpressung? Stockholm-Syndrom?
Der Verband des Bäckerei- und Konditorhandwerkes verlangt im Interesse des Klimaschutzes ein Brot-Verbot ab 2045. In einem aktuellen Positionspapier spricht sich der Verband für ein ambitioniertes Vorgehen aus, damit auch Torten ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten können. Dies ließ Verbandspräsidentin Marie Antoinette verlauten, gemäß dem seit 1785 bewährten Prinzip „Wenn sie kein Brot haben, dann sollen sie doch Kuchen essen!“ Weniger Brot bedeutet weniger Menschen und damit einen erheblich geringeren ökologischen Fußabdruck, die Umstellung auf Schwarzwälder Kirschtorte ist zwingend erforderlich und sichert die Bedürfnisse der Besserverdienenden nachhaltig. Das können Sie nicht glauben? Ok, müssen Sie auch nicht. Noch nicht.
Aber wie wäre es mit dem hier: „Autobranche fordert Verbot von Benzin und Diesel“. Die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, Hildegard Müller stellte vergangene Woche ein Positionspapier vor, nach dem ab 2045 ausschließlich erneuerbare [und extrem teure und nur in geringen Mengen vorhandene] synthetische Treibstoffe („E-Fuels“) erhältlich sein sollen. Glauben Sie nicht? Sorry, diesmal müssen Sie das glauben – auch wenn es so irre klingt wie die Auferstehung der französischen Königin.
VDA-Präsidentin Müller scheint eigentlich ganz normal, sie ist ein CDU-Gewächs aus Nordrhein-Westfalen und diente eine Zeitlang unter Bundeskanzlerin Merkel als Staatsministerin. Als gelernte Lobbyistin hat Frau Müller gelernt, der Menschheit den größten Stuss zu erzählen und dabei ernst zu bleiben respektive nicht zu erröten.
Die Präsidentin eines Automobilverbandes, die dem staunenden Publikum und den Medienvertretern unwidersprochen erzählt, man müsse Diesel und Benzin – also zu 95 Prozent die Grundlage des Automobilgeschäftes – verbieten, um zu überleben, ist allerdings eine neue Qualität. Sie verdient rethorische Bestnoten, vergleichbar einem vierfachen Rittberger im Eiskunstlauf, belohnt mit der Haltungsnote 6,0 für eine perfekte und fehlerlose Darbietung.
Wissen die Bekloppten, dass sie bekloppt sind?
Solche Bekundungen waren bis vor einigen Jahren nur in einer geschlossenen Abteilung möglich. Das ist eigentlich auch immer noch so, allerdings umfasst die Geschlossene mittlerweile das ganze Land. Früher gab es den Witz: Ein Autofahrer hört aus’m Radio: "Ein Geisterfahrer auf der A7!" Sagt der Fahrer: "Was? Einer? Tausende!" Inzwischen ist das kein Witz mehr. Falls Sie sich derzeit etwas einsam fühlen mit ihrer Fahrtrichtung, so besteht der begründete Verdacht, dass sie normal geblieben sind, passen sie also auf sich auf.
Ich vermute mal, die Bekloppten wissen sogar, dass sie bekloppt sind, damit es aber niemand merkt, hat Frau Müller das Prinzip der Nebelmaschine verinnerlicht: Dabei wird ein wasserbasiertes Nebelfluid in einer Heizpumpe verdampft. Durch den hierbei entstehenden Druck wird das Fluid in kleine Tröpfchen zerrissen und durch eine Düse am Ende des Heizelements ausgestoßen. Nebelmaschinen erzeugen eine Wolke als Effekt. Und die Forderung nach Verboten klingt dann so: „Nur mit einem Kurs, der technologieoffen alle Lösungspotenziale zulässt, kann Europa seine CO2-Reduktionsziele erreichen. Die Politik ist aufgefordert, Anreize für den Hochlauf erneuerbarer Energieträger festzuschreiben und somit Investitionen zu gewährleisten und zu fördern“.
Deshalb sei der Casus hier einmal in einfacher Sprache und Schritt für Schritt erläutert. Zunächst einmal hat sich die Autoindustrie freiwillig in den Klimakatastrophenzug gesetzt, obwohl es sich dabei um ein öffentliches Verkehrsmittel von äußerster Unpünktlichkeit handelt. Seit 1986 nerven uns die einschlägigen Kreise mit der Klima-Apokalypse, damals vom Spiegel visualisiert mit einem Kölner Dom auf dem Titelbild, dessen Türme nur noch zur Hälfte aus den Fluten der Nordsee ragen. Das ganze Gebäude beruht auf Annahmen, Schätzungen und Hochrechnungen und ist in etwa so vertrauenswürdig wie der Fahrplan der Deutschen Bahn, bei dem man ja ebenfalls zum Prinzip Pi mal Daumen übergegangen ist.
Man hat einen Ersatzverkehr eingerichtet, der heißt „Klimakrise“
Jetzt sitzen alle auf dem Kölner Hauptbahnhof, blicken auf den prächtigen Dom, der von der Nordsee noch genauso weit entfernt ist wie 1986, und warten. Alle halbe Stunde kommt die Durchsage, dass sich die Ankunft des Klimakatastrophenzuges leider weiter verzögere. Man hat aber einen Ersatzverkehr eingerichtet, der heißt „Klimakrise“ und ist so etwas wie ein argumentativer Lumpensammler, der jegliche Unbill auf diesem Planeten mitnimmt und zu einem wie auch immer gearteten Klimakompost verdichtet. Diese „Klimakrise“ ist prinzipiell nicht falsifizierbar, wie es dem Wesen von Religionen entspricht: Wenn du krank wirst, will der Herr dich prüfen, wenn du nicht krank wirst, hält er seine schützende Hand über dich, beides gilt als Gottesbeweis. Neufassung: Wenn es wärmer wird, ist Klimakrise, wenn es kälter wird auch, wenn nix passiert, dann ist das nur die Ruhe vor dem Sturm, also auch Klimakrise.
Die Autoindustrie hätschelte und sponserte die Protagonisten dieser schlichten Denkungsart über Jahrzehnte in der vollkommen irrigen Annahme, man hätte sie damit in der Tasche, selbst Greenpeace und die Deutsche Umwelthilfe erfreute sich ihrer Sympathie. Das hatte stets etwas vom Stockholm-Syndrom, ein Phänomen, bei dem Opfer von Geiselnahmen ein positives emotionales Verhältnis zu ihren Entführern aufbauen. Außerdem wollte man unbedingt zu den Guten zählen, das schien förderlich fürs Geschäft. 50 Jahre später haben sie jetzt den Salat. „Die Kapitalisten werden uns noch den Strick verkaufen, mit dem wir sie aufknüpfen“, bemerkte einst Wladimir Iljitsch Lenin.
Und Lenin wird recht behalten: Die „Klimakrise“ ist in Deutschland zur Staatsreligion geworden, und das Automobil wird jetzt samt seiner Hersteller abgewickelt. Weil man das dem Volke nicht so direkt auf die Nase binden will, wird – siehe oben – die Nebelmaschine angeworfen. Das Elektroauto dient dabei als Placebo für die Entzugserscheinungen. Wenn es wirklich konkurrenzfähig wäre, müsste man die Verbrenner ja nicht verbieten, sondern sie würden gemäß dem Schumpeterschen Diktum der schöpferischen Zerstörung von selbst verschwinden. Das wussten die Auto-Vorstände ganz genau, hofften aber (bis zur eigenen Altersgrenze) auf ein Wunder und vor allem reichlich Staatsknete. Die Mehrheit der Kunden verweigert sich aber der für sie schlechteren oder unbezahlbaren Lösung. Die Alternative zum Verbrenner wird daher heißen: Gar kein Auto mehr.
Um das häßliche Wort „Verbrennerverbot“ zu vermeiden
Nach Lenin kommt deshalb an dieser Stelle Alexander Solschenizyn zu Wort: „Wir wissen, sie lügen. Sie wissen, sie lügen. Sie wissen, dass wir wissen, sie lügen. Wir wissen, dass sie wissen, dass wir wissen, sie lügen. Und trotzdem lügen sie weiter.“
Um das häßliche Wort „Verbrennerverbot“ zu vermeiden, hat man nun ein weiteres Placebo installiert, das dem Stand der Dinge nach ebenso scheitern wird wie das E-Auto: Die sogenannten „E-Fuels“, synthetisch hergestellt und vorgeblich „klimaneutral“, leider viel zu teuer und vor allem in zu geringen Mengen herstellbar. Für die Automobilindustrie, die gerade ein E-Auto-Waterloo erlebt, sind sie gewissermaßen die letzte Planke, die nach dem Schiffbruch noch auf dem Wasser treibt. Die EU hält die E-Fuels den Herstellern vor die Nase wie dem Esel die Möhre. Und ihr Verband schreit schon wieder brav „ia, ia“.
Denn wie sollen die E-Fuels durchgesetzt werden? Bingo: Indem man Benzin und Diesel verbietet. Das Ziel sei „ambitioniert“, aber notwendig, sagt der VDA. Bis 2045 soll an deutschen Tankstellen nur noch erneuerbarer Kraftstoff verkauft werden. Das nennt Frau Müller im Ernst „Technologieoffenheit“. Und tritt noch ein wenig nach, aber in die falsche Richtung, gemäß dem bewährten Motto: Haltet den Dieb! „Die Forderungen zielen konkret darauf ab, die bestehenden Vorschriften für Ölhändler und Tankstellenbetreiber im Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG) erheblich zu verschärfen. Für Tankstellenbetreiber würde dies bedeuten, dass sie einen größeren Anteil an erneuerbaren Kraftstoffen beziehen müssten, was zu einer höheren Verfügbarkeit für Verbraucher führt und gleichzeitig die Treibhausgasemissionen senkt“. Von Markt spricht in diesen Industriekreisen schon lange niemand mehr.
Vielen Millionen Kunden ungeniert ins Gemächt getreten
Die meisten deutschen Automobil-Manager vertreten inzwischen Staatsmeinungen und Staatspolitik, weshalb es nicht mehr allzu lange dauern dürfte, zum Staatsunternehmen transformiert zu werden. Wer wissen will, wie so etwas ausgeht, möge sich an die englischen Autoindustrie erinnern, die 1975 in einem staatlichen Markenfriedhof namens BLMC (British Leyland Motoring Corporation) endete, dessen verwertbare Teile dann am Schluss meistbietend in die Welt verhökert wurden. Dies geschieht derzeit übrigens mit vielen deutschen Autozulieferen, die schon reihenweise pleite gehen.
Dazu passt die Wirtschaftsschlagzeile der Woche: Die angeschlagene Meyerwerft in Papenburg, ein wirtschaftliches „Kronjuwel“, an dem rund 17.000 Arbeitsplätze hängen, wird verstaatlicht. Kapitän Olaf Scholz war persönlich mit einem Seenotrettungskreuzer aufgekreuzt und übergab die Milliarden in einen wasserdichten Container. Dies, obwohl die Aida doch mit Diesel fährt. Merke: Je größer das Schiff, desto eher darf es auf Staatsknete hoffen.
Alleine Volkswagen beschäftigt in Deutschland knapp 300.000 Menschen. Es würde mich sehr wundern, wenn Scholz oder sein Nachfolger nicht auch in absehbarer Zeit in Wolfsburg oder Stuttgart anlanden. Dort wird – trotz des offensichtlichen Debakels – in politischer Nibelungentreue das Märchen von der segensreichen und unvermeidlichen E-Wende weiter erzählt: "Unser Ziel: Klimaneutrale Mobilität bis spätestens 2050. Mit Elektro-Antrieb, mit E-Fuels, mit Wasserstoff. Daran arbeiten wir und sind schon heute Europameister bei E-Autos."
Man zieht offensichtlich einen Schrecken ohne Ende einem Ende mit Schrecken vor, weil die Verantwortlichen hoffen, sich vorher noch auf einem Golfplatz am Tegernsee oder einem Landsitz auf Vancouver-Island in Sicherheit bringen zu können. Und mit der Forderung nach dem Verbot von Benzin und Diesel tritt man vielen Millionen von Kunden ungeniert ins Gemächt, die sich das garantiert merken werden.
Um den seelisch-moralischen Zustand der deutschen Automobilindustrie zu beschreiben, möchte ich daher zum Schluss weder Lenin noch Solschenizyn, sondern das schlichte englische „Fubar-Prinzip“ bemühen. „Fucked Up Beyond Any Repair“. Frei übersetzt: „Geschrottet und irreparabel“.
Dirk Maxeiner ist einer der Herausgeber von Achgut.com. Von ihm ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Zu beziehen hier.
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