Dirk Maxeiner / 18.08.2024 / 06:15 / Foto: Montage achgut.com / 140 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Energie-Vandalismus mit und ohne Gaffer

Worin besteht der qualitative Unterschied zwischen der Sprengung der Northstream-Pipeline und der Sprengung des Kernkraftwerkes Grafenrheinfeld am vergangenen Freitag? Antwort: Es gibt keinen.

Nach einem Bericht des Wall Street Journal von vergangener Woche geht es hoch her. Haben die Ukrainer die Nordstream-Pipeline in der Ostsee gesprengt? Und wusste die Bundesregierung sogar vorher davon? Nun ja, die einen sagen so und die anderen sagen so. Ich kann das leider nicht weiter aufklären, schließlich ist die Ostsee an dieser Stelle 80 Meter tief und ich bin ein ganz schlechter Taucher, weil mir immer die Brille beschlägt. 

Was ich aber beweisen kann ist, dass die Bundesregierung von der Sprengung der beiden 143 Meter hohen Kühltürme des stillgelegten Kernkraftwerkes „Grafenrheinfeld“ am vergangenen Freitag, den 16.08.2024 in Bayern vorher wusste. Oder noch krasser: Sie wusste nicht nur davon, sie hat die Sprengung selbst angeordnet. Genau wie vor vier Jahren, als die Kühltürme des Kernkraftwerks Philippsburg dran glauben mussten. Die Zerstörung von Philippsburg wurde sogar mit Fanfaren und Trommelwirbel ins Bild gesetzt.

Da wollte man in Grafenrheinfeld am Main nicht nachstehen und organisierte eine Mischung zwischen Sonnenwendfeier und Teufelsaustreibung. „Kühlturmsprengung in Grafenrheinfeld: Hier ist die beste Sicht“ warb der Bayrische Rundfunk für „eine gute Sicht auf den 30-Sekunden-Wumms“ inklusive Karte und Tipps, wo man der Sprengung am nächsten kommen könne. Das Spektakel ließe sich aber auch aus der Ferne beobachten, denn die Kühltürme stehen im weitläufigen Maintal, hieß es weiter. Eine gute Aussicht böte sich zum Beispiel „vom Wartturm bei Kützberg aus, auf dem Höhenrücken von der Mainleite bei Schweinfurt, vom Schonunger Kreuzberg oder vom Zabelstein“.

Wer war am besoffensten?

Im Angesicht der sehr unterschiedlichen öffentlichen Wahrnehmung einerseits der Sprengung einer intakten Gas-Pipeline und anderertseits der Zerstörung intakter Kernkraftwerke drängt sich eine naheliegende, aber – soweit ich das sehe – von niemandem gestellte Frage auf: Worin liegt eigentlich der qualitative Unterschied zwischen den beiden Ereignissen? Selbst nach längerem Nachdenken komme ich zu dem Schluss: Es gibt keinen.

Sowohl die Sprengung der Pipeline als auch die der sichersten Kernkraftwerke der Welt gefährden die Energieversorgung dieses Landes und seinen Wohlstand nachhaltig. Letzteres wurde von der Bundesregierung selbst ins Werk gesetzt, von ersterem wusste sie womöglich. Der Amtseid unserer Regiereden lautet übrigens: „Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohl des Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, Verfassung und Recht wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegenüber allen üben werde.“  Es wird ja vielfach über Angriffe finsterer Mächte auf unsere Infrastruktur gerätselt, das wesentliche aber erledigen wir selbst.

Die Sprengung von Northstream II wurde angeblich im Kreise besoffener, aber einfussreicher Ukrainer aus vorgeblich vaterländischen Motiven geboren, die Destruktion der deutschen Kernkraftwerke wurde gesichert im Kreise selbstbesoffener, aber einflussreicher deutscher Politiker zum Zwecke der Weltrettung geboren. 

Schlimmer noch: Die Reparatur einer Pipeline ist möglich, die Reaktivierung zerstörter Atomkraftwerke ist praktisch ausgeschlossen. Und außerdem: Die Zertrümmerung der deutschen Atomkraft-Infrastruktur führt zielsicher in eine noch größere Abhängigkeit von russischem Erdgas und anderen Energie-Importen, die die Sprengung der Pipeline – durch wen auch immer – zu einer noch besseren Idee von unserem Land nicht wohlgesonnener Personen machte. Das Bonmot des „Wall Street Journal“ von der „dümmsten Energiepolitik der Welt“ bekommt noch einmal eine ganz besondere Note. 

Logenplatz bei der Demontage des eigenen Wohlstandes

In Grafenrheinfeld kletterte nur ein einsamer Demonstrant nahe am AKW auf einen Strommasten und bewies damit die Größenordnung der deutschen Restvernunft. „Das ist ein Protest gegen den Atomausstieg und die sinnlose Zerstörung der Kraftwerke. Das Kernkraftwerk Grafenrheinfeld ist zwar schon weit im Rückbau, aber ich – und viele andere – sind der Meinung, dass man dieses wieder günstiger ans Netz bringen könnte, als neue Kraftwerke zu bauen“, sagte er „Nius“. Auf die Frage, warum er für Atomkraft sei, meinte er: „Günstiger Strom, CO-frei, läuft.“ Er konnte den Vandalismus der Regierenden aber nur um dreieinhalb Stunden verzögern. Übrigens: Allein dieses Kraftwerk sparte jährlich doppelt so viel CO2 ein wie ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen.

Draußen hatten sich indes zehntausende Schaulustige mit Klappstuhl und gekühlten Bierkisten eingefunden und warteten ungeduldig auf die Zerstörung ihrer Energieinfrastruktur. Es stimmt schon ein wenig nachdenklich, wenn die Bewohner eines Landes angesichts der Beerdigung des eigenen Wohlstandes zuerst von der Sorge befallen werden, den besten Aussichtsplatz zu ergattern. 

Dirk Maxeiner ist einer der Herausgeber von Achgut.com. Von ihm ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Zu beziehen hier.

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Karsten Dörre / 18.08.2024

Was am Freitag gesprengt wurde, war eine zehn Jahre alte Wirtschaftsruine. Weder der Spreng-Volksfestcharakter noch die Kritik an diesem Volksfest spiegelt die wirtschaftliche Relevanz dieser entkernten Kühltürme wieder.

Franz Burgmann / 18.08.2024

Und ich freue mich schon, wenn diese ganzen verdammten Windräder, eines nach dem anderen, wieder aus unseren schönen Landschaften herausgesprengt werden. Diese Zeit wird kommen. Dann, wenn wieder die Vernunft regiert und wir wieder Kernkraftwerke bauen und betreiben.

Irene Luh / 18.08.2024

@Lutz Liebezeit, in Hiroshima und Nagasaki lebten schwerpunktmäßig Christen. Das [!] in Japan. Das wird sehr gerne verschwiegen, von den üblichen Lügenmedien. Das war Absicht!! ++ Ich hörte, habe das bis heute noch nicht überprüft, daß einem Menschen oder seine ganze Familie (mehrere Personen) nicht ein Haar gekrümmt worden sein soll, durch die Atombombe, obwohl mitten im Geschehen.

Hjalmar Kreutzer / 18.08.2024

Verehrte Klara Altmann, „Die Reichweite der Strahlung hängt von der Strahlenart und von deren Energie ab. Sie liegt für Alphastrahlen bei maximal ca. 12 cm in der Luft bzw. maximal ca. 0,15 mm in Gewebe, für Betastrahlen bei maximal ca. 15 m in der Luft bzw. 2 cm in Gewebe. Für Gamma- und Röntgenstrahlung gibt es keine exakt begrenzten Reichweiten, sondern nur stark energie-, material- sowie schichtdickenabhängige Schwächungsfaktoren: Halbwertsdicken in Luft/Gewebe =100m / 15cm bei 1MeV (und 35m / 5cm bei 0,1MeV).“ Quelle Landesamt für Umwelt-, Natur- und Verbraucherschutz (LANUV) NRW.

Ingo Minos / 18.08.2024

@andre schnyder: Bericht aus einer “Grünen Hochburg Berlin” BZ 15,8.24 DIE GRÜNEN UND IHRE WÄHLER LEBEN IN EINER PARALLEL WELT “Jetzt in den Sommerferien zwischen Arminplatz und Bötzowviertel im Prenzlauer Berg in Berlin gibt es besonders viele freie Parkplätze. Denn auch im Lastenrad Kiez fährt man doch lieber mit dem eigenen Auto in den Urlaub. Das gastronomische Angebot in den vielen Lokalen ist eine Reise um die Welt, doch die Bewohner der schick sanierten Altbauwohnungen sind weit weniger divers, als es die Grünen stets propagieren. Ausländische Nachbarn kommen aus Spanien Schweden USA, nicht aber aus der Türkei oder dem Nahen Osten. Für ein Flüchtlingsheim zwischen den Häusern ist leider kein Platz. Es gibt Kitas in denen Englisch gesprochen wird, nicht aber arabisch. Auf dem Spielplatz gibt es argwöhnische Blicke, wenn sich rauchende Roma Frauen mit ihren Kinderwagen nähern. Im Bio Laden gibt es ernsthaft eine “Pizza Antirassisti” (scharf auf Toleranz) zu kaufen. Die Begeisterung für offene Grenzen und unkontrollierte Einwanderung ist aber nicht unendlich: Wer im Kiez jemanden besuchen will, muß mitunter erst die Klingelanlage der Haustür, dann eine zweite am entsprechenden Aufgang passieren. Im Hausflur hängt die eine oder andere Kamera- man weiß ja schließlich nie!” Weiter siehe Artikel BZ.

Rid Banks / 18.08.2024

nun hattet mal einfach rumms gemacht, und oel of olav is very amused…

Ulrich Jäger / 18.08.2024

@A. Ostrovsky, in Frankreich mit einem hohem Anteil “Atomstrom” (67%) werden die KKW im täglichen Lastfolgebetrieb (12h Volllast mit 100%, 3h runter auf 50%, 6h bei 50%, 3h hoch auf 100%) gefahren (nachzulesen im TAB-Brief 47 -  Monitoring: Lastfolgefähigkeit deutscher Kernkraftwerke). Die deutschen Kernkraftwerke waren dafür zwar nicht ausgelegt, prinzipiell ist es aber möglich. Und den “Symbolcharakter” der Kühltürme haben vor allem die Medien und die Politiker erkannt. Oder wie bewerten Sie die Bekanntgabe einer Sprengung durch den BR mit dem Hinweis auf “gute Stellplätze” und die Freudenbekundung durch den Schweinfurter Landrat? Es weiß ja schließlich jeder, der im ÖRR Berichte und zugehörige Bilder über Kraftwerke und den von ihnen ausgehenden Gefahren vorgesetzt bekommt, dass über die Kühltürme entsprechend Kraftwerkstyp entweder das Killergas CO2 oder nuklearer Fallout entweicht (Ironie aus).

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