Dirk Maxeiner / 04.08.2024 / 06:15 / Foto: Montage achgut.com / 42 / Seite ausdrucken

Der Sonntagsfahrer: Flugtaxi Bagdad-Pfarrkirchen

Im bayerischen Pfarrkirchen geht die Polizei der unerlaubten Landung eines überfüllten Sportflugzeugs mit Gästen aus Bagdad nach. Dabei handelt es sich um Fachkräfte: Pilot und Passagiere haben sich als Ersthelfer für überfüllte Züge der Bahn qualifiziert.

Erinnern Sie sich noch an Markus Söders Flugtaxi-Idee? Unter dem Titel „Einmal Lufttaxi Kabul-München“ würdigte ich die im Wahlkampf vom bayerischen Ministerpräsidenten protegierte neue Technologie. Zugegeben, ich nahm sie ein wenig auf den Arm. Vom Sonntagsfahrer erwartet der Leser nun mal einen heiteren Zugang zu den großen und kleinen Problemen der Welt, besonders, wenn sie motorisiert sind. Was keine leichte Aufgabe ist, wie schon Hemingway wusste: „Ein Mann muss starke Schmerzen erleiden, um ein lustiges Buch zu schreiben.“ Und Hemingway wusste nicht einmal etwas von Markus Söder. Weshalb ich ob meiner Schmerztoleranz erwarte, ein bisschen bemitleidet zu werden. 

Der Söder meinte das mit dem Lufttaxi natürlich überhaupt nicht lustig, obwohl er als Stammgast beim Fasching gilt. Dort wurde er unter anderem als Otto von Bismarck, Marylin Monroe, Moses und Shrek gesichtet. Der Weg vom Shrek zum Lufttaxi ist ein kleiner Schritt für den Markus und ein großer für die Menschheit. Doch das hat nix mit subtilem Humor zu tun, sprach seinerzeit der Oger – pardon Franke – im Söder: „Der Einsatz für Flugtaxis ist weder lächerlich noch unrealistisch. Die Technologie ist weit vorangeschritten, erste Prototypen stehen kurz vor den Zulassungen“. 

Das Airbus-Ding ist inzwischen zwar so begraben wie Karl Valentin auf dem Planegger Waldfriedhof, aber ich muss dem Söder doch einen gewissen Weitblick zugestehen. Der Einsatz von Flugtaxis ist in Bayern nämlich keineswegs unrealistisch, wie jetzt fünf Männer in ihrer fliegenden Kiste im bayerischen Pfarrkirchen unter Beweis stellten. Pfarrkirchen liegt 50 km von Passau und 125 km von München entfernt. Außerdem befindet sich die Stadt 65 km südlich von Straubing, 30 km südwestlich von Vilshofen an der Donau, 40 km westlich von Schärding, 22 km nördlich von Braunau am Inn. Ich zähle das so dezidiert auf, damit Interessenten die Koordinaten in ihr Navigationssystem eingeben können. 

Die elektrische Version war leider nicht aufzutreiben

Die Gegend gilt seit neuestem als Geheimtipp für den unkonventionellen Zugang zu Bürgergeld. Allerdings nicht aus Kabul kommend, wie ich damals mutmaßte, sondern aus Bagdad. Das ist der bedeutendste Verkehrskontenpunkt im Irak (ehemals Saddam International Airport) und ziemlich genau 4.000 Kilometer von Pfarrkirchen entfernt. Dazwischen fallen laut Google-Maps auf dem Landweg erhebliche Maut-Gebühren an, was vier Iraker auf die naheliegende Idee brachte: „Rufen wir doch ein Flugtaxi, da hat der Söder doch so Reklame für gemacht.“ 

Die Södersche Elektro-Version war leider nicht aufzutreiben, weil offenbar schamhaft im hintersten Winkel der Airbus-Katakomben geparkt. Für eine Langzeit-Unterbringung des Fluggerätes rate ich allerdings zur Shanidar-Höhle in Irakisch-Kurdistan. Dort wurde nach 70.000 Jahren das Skelett eines Neandertalers wiederentdeckt, der dem Vernehmen nach wesentlich intelligenter gewesen sein soll als ein batteriegetriebenes Lufttaxi. Um von Bagdad nach Pfarrkirchen zu gelangen, müsste so ein Ding ein paarhundertmal zwischenlanden und die Batterie nachladen – nur wegen der verfluchten Schwerkraft, die in Berlin und München allerdings als abgeschafft gilt.

Die Iraker griffen sicherheitshalber zu konventioneller Technik, nämlich einer verbrennungsmotorisierten alten Cessna 172, die man samt Piloten in Bulgarien, also etwa auf halber Strecke traf. Die viersitzige Cessna 172 ist sowas wie der Volkswagen-Käfer der Lüfte. Seit ihrem Erstflug 1955 wurden davon bisher mehr als 44.000 Exemplare verkauft, Weltrekord für ein Flugzeug. "Sie ist bekannt durch den bisher längsten Nonstop Flug mit unglaublichen 64 Tagen und 22 Stunden (!)", lässt uns der Flugsportverein Worms wissen, "die 172 ist ein Synonym für Langlebigkeit, Zuverlässigkeit und ausgereifte und gutmütige Flugeigenschaften". Was in mir den Verdacht keimen lässt, dass die Freiheit auch über den Wolken nur mit einem Verbrennungsmotor zu haben ist. Womit die bange Frage verbunden ist: Will die EU ab 2035 auch die kleine Cessna verbieten?

Die Iraker hielten es statt mit den Grünen mit Reinhard Mey und summten fröhlich: "Wind Nord Ost, Start bahn-null-drei, Bis hier her hör ich die Mo-to-ren, wie ein Pfeil zieht sie vorbei, Und es dröhnt in meinen Oh-ren". Die Tatsache, dass die Cessna für Pilot und Passagiere nur vier Sitze vorweist, man aber zu fünft war, wurde von den improvisationsfreudigen Männern dadurch gelöst, dass abwechselnd jeweils ein Passagier im Fußraum kopfüber eine platzsparende Gebetshaltung einnehmen musste, was obendrein eine gute Funkverbindung zu Allah sicherstellte. Gleichzeitig bildeten sie eine ökologisch sehr zu begrüßende Fluggemeinschaft auf dem Weg ins CO2-freie Paradies. Der Pilot rief derweil den heilige Josef von Cupertino an, den Schutzpatron der Flieger und Piloten. Wegen seiner angeblichen Levitationen in über 100 Fällen wird Cupertino auch der „Fliegende Frater“ genannt. Levitation ist die postulierte Fähigkeit des Menschen, ohne Hilfsmittel zu schweben, also eine Spezialiät der deutschen Politik.

Im Gegensatz zur Deutschen Politik kam die Fluggesellschaft aber irgendwo an, nämlich in Bayern. Nach einigen Pinkelpausen drang sie unbehelligt in den Luftraum über Pfarrkirchen ein und ging schließlich auf der Wiese des dortigen Luftsportclubs nieder, die normalerweise von Segelfliegern genutzt wird.

Ein Rundflug in Form eines Gutscheins

Der Club zeichnet sich durch eine ausgezeichnete Willkommenskultur aus, so heißt es auf seiner Website: „Die Faszination und das Gefühl beim Fliegen, egal ob mit oder ohne Motor, kann man natürlich nur annähernd beschreiben. Deshalb empfehlen wir jedem…, der einfach nur die Freiheit in der Luft genießen möchte, einen Rundflug mit einem erfahrenen Piloten des Luftsportclubs Pfarrkirchen. Es besteht natürlich auch die Möglichkeit, einen Rundflug in Form eines Gutscheins zu verschenken und so einem lieben Bekannten, Verwandten oder Arbeitskollegen eine außergewöhnliche Freude zu machen.“ 

Diese Gutscheine sind eine ausgezeichnete Idee, die sich die neue deutsche Botschafterin im Irak zu eigen machen sollte, weil sie den Rückhalt der Botschafterin in der Bevölkerung von Bagdad und dem Berliner Außenministerium stärken und andererseits den Bekanntheitsgrad von Pfarrkirchen International Airport erhöhen würden. 

Was ich nun überhaupt nicht verstehen kann, ist die mangelnde Kooperation der örtlichen Behörden in Pfarrkirchen: Obwohl die Iraker lediglich eine freundliche Anregung des Pfarrkirchener Luftsportvereins wörtlich genommen hatten, registrierten sie den irakischen Freundschaftsbesuch als „unangemeldete Landung“.

Eine Empfehlung für den Piloten

Ein Fluglehrer hatte beobachtet, wie die Passagiere aus dem Orient aus der kleinen Cessna purzelten und rief die Polizei. Die kam gleich mit einem Hubschrauber, konnte aber nicht mehr aller Passagiere habhaft werden, einer blieb verschwunden, ich tippe auf Levitation. Gegen den 39-jährigen Piloten, ganz offensichtlich ein Naturtalent, fuhr man sogar besonders starke Geschütze auf. Rosenheim24 berichtet: 

„Gegen den Piloten ermitteln die Beamten nun wegen Schleusung unter lebensgefährlicher Handlung, da das höchstwahrscheinlich mit fünf Personen besetzte Flugzeug nur für vier Personen zugelassen war. Auch wegen luftrechtlicher Verstöße wird ermittelt. Die drei festgenommenen Iraker wurden demnach wegen unerlaubter Einreise angezeigt“.  

Vielleicht legt Markus Söder ja ein gutes Wort für die Truppe ein. Gerne erinnere ich an den 26-jährigen Mathias Rust, der am 28. Mai 1987 mit einem baugleichen Flugzeug, von Hamburg kommend, die Luftabwehr der Sowjetunion unterflog und sicher auf dem Roten Platz landete. Söders Idol und Hobby-Pilot Franz Josef Strauß, berühmt für sein Fliegen ohne allzu großen Kartenballast, konnte sich vor Begeisterung kaum einkriegen und lobte, die Nummer sei „fliegerisch eine Meisterleistung“. Der russische Verteidigungsminister wurde daraufhin zurückgetreten.

Da bei uns niemand zurücktritt, egal wer wo landet, haben die irakischen Flupioniere niemandem geschadet, also eine gewisse Milde des Gesetzes verdient. Der gelungene Lufttransport eines halben Kegelclubs mit einer überladenen Cessna durch halb Europa ist doch eigentlich eine Empfehlung für den Piloten, auch die gymnastischen Fähigkeiten der Passagiere können nicht hoch genug eingeschätzt werden. Es handelt sich hier eindeutig um qualifizierte und vielseitig verwendbare Fachkräfte, sie könnten beispielweise als Betreuer und Ersthelfer in überfüllten Zügen der Deutschen Bahn eingesetzt werden.

Für unsere Rubrik „Achgut zum Hören“ wurde dieser Text professionell eingelesen. Lassen Sie sich den Artikel hier vorlesen.

Dirk Maxeiner ist einer der Herausgeber von Achgut.com. Von ihm ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Zu beziehen hier.

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Leserpost

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Dirk Jungnickel / 04.08.2024

Große Schwester Näncy wird es bald richten. Es war und ist ein Fehler ihr nix zuzutrauen.

Didi Hieronymus Hellbeck / 04.08.2024

Der irakische Kamerad am Steuerknüppel hätte nicht nur “Milde des Gesetzes” verdient, sondern maximale Förderung: Anstellung als Co-Pilot vom Fliegerass Fritze Merz (“der Grüne Baron”). Auch prima Lösung: Co-Pilot vom Lindner (“the bald eagle”). Aber beim Sturzkampfflug nicht das Fenster zu weit aufmachen, sonst weht’s das Toupet vom Lindner weg.

Lars Tragl / 04.08.2024

Das Flugzeug ist eine Allzweck-Waffe. wie war das noch mit dem Kreml-Flieger? Ich durfte auch schon mitfliegen, wir waren 5 Passagiere, es gab keine Sitze für uns, total unbequem,wir sind dann einfach ausgestiegen, ich hab noch das Video. Ohne Fallschirm wäre es weniger lustig geworden. Wäre auch ein Tipp für Schleuser,Landung fällt aus, und tschüss, die nächste Ladung wartet schon.

F. Hoffmann / 04.08.2024

Sagen wir mal, jeder Passagier wog ca. 60kg. Stattdessen 5x60 kg Sprengstoff in der Maschine. Das hätte ordentlich gerummst, Doppelrumms sozusagen.

Friedrich Richter / 04.08.2024

Diese Leute sind mir irgendwie sympathisch. Im Gegensatz zu den grünlinken Parasiten lassen sie sich tatsächlich was einfallen, sind unternehmungslustig und riskieren dabei ihren ganz persönlichen Hals und nicht den anderer Leute. Auf die Schlepperschiffe der evangelischen Kirche im Mittelmeer konnten sie ja nur bedingt bauen. Ausserdem haben sie gelebte Ökumene praktiziert. Wenn ich recht verstanden habe, ist der Pilot kein Moslem. Sie haben unterwegs zwar denselben Gott angebetet, ihn aber unterschiedlich angesprochen. Er war offenbar großzügig genug und hat es akzeptiert. Wenn diese Leute integriert werden, können Sie sich tatsächlich als Bereicherung für dieses bedauernswerte Land erweisen. Hoffe, ich werde hierfür nicht allzusehr verprügelt.

Karl Dreher / 04.08.2024

Das zeigt ja ganz neue Migratonswege auf - und soweit ich es verstehe, ist in diesem Fall Deutschland sogar sofort originär asylverfahrenszuständig, wenn die Einreisenden (wie ich hier annehme) nicht aus einem anderen sicheren EU-Land eingereist sind. Da eröffnen sich noch ganz andere Möglichkeiten, z.B. mit dem U-Boot nach Norddeutschland in die örtlichen Häfen. Warum nicht etwa nach Sylt - eine kurze Recherche im Netz zeigt mir mehrere Häfen auf, unter anderem Hörnum Hafen (Jachthafen), rund um die Uhr geöffnet.

Karsten Dörre / 04.08.2024

Als geborener Ossi kann ich nur sagen, Mangel macht erfinderisch. Während der moderne, gesamtdeutsche Bundesbürger hoffnungslos sinniert, wie er sein Elend beenden könne, zeigen Ausländer Alternativen. Wer heutzutage glaubt, er müsse sein Deutschland verteidigen, kennt seine Deutschen noch nicht.

Franz Klar / 04.08.2024

Es soll über Ungarn geflogen worden sein .... Schwächelt Orban ?

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