Irre politische Großprojekte, wie etwa die "Große Transformation", nennt der Fachmann "weiße Elefanten" – und sie enden traditionell in der Wüste. Deutschland ist gerade auf dem Weg nach Timbuktu, hier eine Wegbeschreibung mit aktuellen Fallbeispielen.
Der Krieg ist der Vater aller Dinge, sagte der alte Heraklit. In jedem Fall ist das Militärische ein Treiber des technischen Fortschritts – wobei das, was nicht funktioniert, ganz schnell aussortiert wird. So erhielt Krupp 1941 auf Wunsch von einigen Nazi-Großkopferten den Auftrag, einen „dieselelektrischen“ Panzer zu bauen, der „auf dem Schlachtfeld allen Gegnern überlegen“ sein sollte. Das Hybrid-Projekt wurde „Mammut“ getauft, erhielt aber den Tarnnamen „Maus“ und erinnerte optisch an eine große Ratte.
Das größere Problem war aber: Die Maus war zehn Meter lang und wog 188 Tonnen, was ihren Radius ungebührlich einschränkte, denn man konnte damit keine Brücke befahren, ohne dass diese die Carola machen würde. Kurzum: Die Maus konnte auf dem Schlachtfeld nicht allen anderen überlegen sein, weil sie gar nicht erst dorthin gelangte. Das Konzept „Mammut“ erwies sich als toter Trieb der Militärtechnik und starb aus wie der Neandertaler.
Ich fürchte, dies ist eine anschauliche Metapher für gigantomanische Ideen und Wunderwaffen made in Germany. Man hätte die Maus auch "Großen Transformator" nennen können. Es machte jedenfalls niemand Anstalten, dem deutschen Vorreiter auf dem Felde des elektrischen Panzers zu folgen. Wer reitet schon gerne auf einer elektrischen Schildkröte übers Schlachtfeld.
Sämtliche Armeen vertrauen nach wie vor fest auf von Verbrennungsmaschinen angetriebene Brumm-Brumm-Panzer – und in dieser Hinsicht ist auch keinerlei Veränderung in Sicht. Panzer-Besatzungen sind angewiesen auf preiswerte, leicht zu transportierende, schnell und einfach zu betankende und zuverlässig zur Verfügung stehende Energie.
„Oft werden Kriege von denen gewonnen, die den besten Zugang zu mobilen Energien haben – vor allem Öl“, schreibt Alex Epstein in seinem Bestseller „Fossil Future“. Was lehrt uns das über die Elektromobilität und die "Große Transformation", die ja aktuell der Vater aller Dinge sein soll? Eben. Epsteins Bestseller erschien vor zwei Jahren und wurde vorsichtshalber nicht ins Deutsche übersetzt, damit die Vorreiter nicht vom Pferd fallen. Die Inverkehrbringung solcher Werke gilt in der Verlagsbranche offenbar als Defätismus und wird aus staatsbürgerlichem Verantwortungsgefühl unterlassen.
Die weißen Elefanten
Der Autor Dirk van Laak, beschrieb das Scheitern von vielen Wahnsinnsideen übrigens sehr ausführlich in seinem Buch „Weiße Elefanten – technologische Großprojekte zwischen Traum und Alptraum“. Auf der Ilias-Lernplattform wird dieser Elefant, respektive dieses Mammut, wie folgt beschrieben: „Der König von Siam (Thailand) bedachte Höflinge, die in Ungnade gefallen waren mit einem außergewöhnlichen Geschenk: einem weißen Elefanten. Bei dem Versuch, dieses symbol- und prestigeträchtige Tier in angemessener und gesellschaftlich akzeptierter Weise zu unterhalten, musste der Höfling sich zwangsläufig übernehmen“.
Da eine Rück- oder Weitergabe eines königlichen Geschenks unmöglich war, bedeutete dieses Geschenk den sicheren materiellen Ruin des Beschenkten. Ein „white elefant“ bezeichnet eine Last, die Kosten verursacht, ohne dass jemals die Aussicht besteht, dass sich dieser Zustand ändert. In Deutschland grassieren allenthalben Großprojekte, bei denen trotz immensen Ressourceneinsatzes keine Form von Rentabilität zu erwarten ist: Energiewende, Wasserstoff-Wirtschaft, die Zero-Emission-„Vision“ und so weiter und so fort. Kurzum, es grassiert das Große Transformations-Fieber, verbunden mit Symptomen wie Halluzinationen, Schwerhörigkeit und Sehstörungen.
Johannes Weyer, Wissenschafts- und Techniksoziologe an der Universität Dortmund, schreibt in einem Essay: „In etlichen Fallstudien ist immer wieder akribisch nachgewiesen worden, dass technologische Großprojekte – entgegen aller Rhetorik – oftmals nicht wissenschaftlichen oder ökonomischen Zielen dienen. Zudem profitieren meist einige wenige, mit der Politik symbiotisch verbundene Interessengruppen von der Durchführung der Vorhaben, und die Programmformulierung wird oftmals partiell oder gänzlich an diese Lobby delegiert“.
Siehe dazu die Achgut.com-Beiträge „ABU-Graichen“ und „Umweltbundesfilz: Achgut enthüllt, Merz fragt Bundesregierung“ Ferner, so Weyer“ gebe es eine „Informationsasymmetrie“: Die staatlichen Akteure hätten in der Regel nur unvollständiges Wissen über die Erfolgsaussichten eines Großprojektes, weil sie von der Lobby systematisch im Unklaren gelassen und mit überoptimistischen Prognosen versorgt würden. So sind derzeit in Deutschland rund 1,5 Millionen E-Autos zugelassen, im Jahr 2024 bis Ende August weitere 241.000 dazu gekommen, Trend stark s-i-n-k-e-n-d, übrigens europaweit. Bis 2030 sollten es eigentlich 15 Millionen Elektroautos sein, geht’s im bisherigen Tempo weiter, werden es aber allenfalls 3 Millionen, man ist vom politischen Wunschziel also ungefähr so weit entfernt wie die Maus vom Schlachtfeld.
„L’Allemagne, plus grand bordel d’Europe“
Der Hardcore-Lobbyverein „Agora Verkehrswende“ drängt jetzt in seiner Verzweiflung auf „verstärkte Einbindung chinesischer Hersteller", um den letzten Nagel am Sarg der deutschen Automobilindustrie einzuschlagen. Das wiederum soll von der EU durch hohe Strafzölle auf China-Autos verhindert werden, wogegen die deutschen Unternehmen aber in die Ketten gehen, weil sie in China viel mehr Autos als hier verkaufen und die Chinesen ihrerseits Strafzölle erheben könnten, was das zuverlässige Ende von VW & Co bedeuten würde. Da blickt keiner mehr durch, und Frankreichs LePoint titelt in anderem Zusammenhang aber voll zutreffend: "L’Allemagne, plus grand bordel d’Europe".
Keine Ahnung, warum mich der folgende Satz von Johannes Weyer an die beherzte VW-Wende zur Elektromobilität erinnert: „Bereits die V2-Rakete war ein sinnloses und irrationales Projekt, das jeglicher militärischer Logik widersprach, weil die enormen Kosten in keinem Verhältnis zum geringen militärischen Nutzen standen. Eine unabhängige Bewertung der Leistungsfähigkeit der V2 wurde nie vorgenommen; und die Fortführung des Projekts bis in das Jahr 1945 verdankt sich neben dem organisationalen Eigeninteresse der Heeresversuchsanstalt Peenemünde vor allem der institutionellen Konstellation…“
Die Förderung großtechnischer Projekte habe zudem den Vorteil eines großen Zeithorizonts bis zum Eintreten des Paradieses, oder wie es Weyer despektierlich formuliert, „eine ausreichende Distanz, um sich der Verantwortung für mögliche Fehlschläge zu entziehen.“ Im Zweifelsfall seien für die „Flops“ immer die Vorgänger-Regierungen verantwortlich, oder man definiere die gescheiterten Vorhaben nachträglich zu Technologieprojekten um, die sich durch die damit verbundenen Lerneffekte und Kompetenzgewinne rechtfertigen lassen. In diese Phase werden wir bei Energiewende und Elektromobilität bald eintreten.
Warum kommt es immer wieder dazu?
"Auch die immer wieder auftretenden Kollateralschäden großtechnischer Projekte sind kein ernsthaftes Hindernis für ein staatliches Engagement", sagt der Professor, denn in der Bewältigung der – teils durch eigenes Handeln verursachten – „Folgeprobleme der Modernisierung“ (Ulrich Beck) kann der Staat wiederum auf dicke Hose machen, Handlungsfähigkeit unter Beweis stellen und zugleich die exklusive Kompetenz für diesen Politikbereich beanspruchen. Motto: Habeck rettet die Deutsche Autoindustrie.
Trotz vielfacher einschlägiger Erfahrungen üben derartige technologische Großvisionen immer wieder eine unwiderstehliche Faszinationskraft aus, wie das rote Licht, das dem Wandersmann was verspricht. Derzeit ist es allerdings das grüne Licht. Der schweizerische Technikhistoriker David Gugerli formulierte in einer Rezension zu van Laaks Elefanten-Buch: „Natürlich gibt es unzählige weiße Elefanten, die nie realisiert wurden (..). Einige davon wurden jedoch wenigstens angefangen, gelangten ins Entwicklungsstadium oder erlebten gar einen mutigen Baubeginn, bevor sie an ihrer eigenen Größe zerbrachen. In solchen Fällen stellt sich im Nachhinein und angesichts der Verrücktheit der Vorhaben jeweils die Frage, warum es immer wieder dazu kommen kann, dass überdimensionale technische Projekte hinreichende kollektive Unterstützung erhalten. Warum kann der Schaden bisweilen nicht schon auf dem Papier gemessen werden?“
Tja, diese Frage stellt sich dem Nachrichten-Konsumenten gegenwärtig mehrmals täglich. Hier eine kleine Sammlung der diesbezüglichen Meldungen, die sich in letzter Zeit auf meinem Schreibtisch angesammelt haben. Nach der Theorie also gleichsam die Praxis von Pleiten, Pech und Pannen mit unseren weißen Elefanten. Schauen Sie unseren Vortänzern und den mit Ihnen verbandelten Medien beim Erkenntnisprozess zu.
Wunsch und Wirklichkeit
Northvolt baut Giga-Batteriezellfabrik (25.3.2024 Bundesregierung.de). „So sichern wir unsere technologische Souveränität, und so sichern wir Wertschöpfung in Europa.“ Die neue Batteriefabrik werde zigtausend Arbeitsplätze in der Region schaffen, so Bundeskanzler Scholz.
Northvolt am Abgrund (NZZ 16.09.2024). Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), der beim Spatenstich für die Fabrik in Heide erst kürzlich anwesend war, ist nach eigenen Angaben „in dauerndem Kontakt mit Northvolt“
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Bundesregierung begrüßt Investitionsentscheidung von Intel. „Mit dieser Investition schließen wir zur Weltspitze auf“, (bundesregierung.de, 23. Juni 2023)
Magdeburg bekommt eine hochmoderne Chip-Fabrik: Die Bundesregierung und Intel haben eine Absichtserklärung unterzeichnet, die Magdeburg zum Standort für Intels hochmoderne Halbleiterfabrik macht. (…)
Laut Bundeskanzler Olaf Scholz sei die Vereinbarung ein wichtiger Schritt für den Hightech-Standort Deutschland – und für die Widerstandsfähigkeit. Mit dieser Investition schließe man technologisch zur Weltspitze auf und baue die eigenen Kapazitäten für die Ökosystementwicklung und Produktion von Mikrochips aus. Das sei eine gute Nachricht für Magdeburg, für Deutschland und für ganz Europa."
Vorerst keine Chipfabrik (Tagesschau 17.09.2024). Der angekündigte Bau einer Intel-Fabrik in Magdeburg wird offiziell verschoben. Das ist ein Rückschlag für die Ampel-Regierung und den US-Chipkonzern. Und es bleiben Zweifel, ob das Werk je entsteht.
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Numbat plant tausende Ladesäulen mit Batteriespeichern vor Supermärkten (Handelsblatt 07.02.2023). „Das Start-up strebt schon in diesem Jahr dreistellige Millionenumsätze an.“
Bedeutender E-Auto-Ladesäulen-Anbieter meldet Insolvenz an (merkur.de 17.08.2024). „Mit Numbat trifft es nun auch einen Ladesäulen-Anbieter, der bis vor wenigen Monaten zu den vielversprechendsten deutschen Startup-Firmen zählte. Diesen August musste das Unternehmen jedoch Insolvenz anmelden“.
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Die neue Supermacht am Himmel (Die Welt 26.07.2024). „Der deutsche Flugtaxi-Hersteller Lilium freut sich über den größten Auftrag seiner Geschichte. Er kommt ausgerechnet aus Saudi-Arabien.
Liliums Bankrotterklärung (Die Welt 09.09.2024). Lilium hat bislang fast 1,5 Milliarden Euro Verluste angehäuft, praktisch ohne Einnahmen zu generieren. Nun geht das Geld aus. Im eigenen Halbjahresbericht warnt der Flugtaxi-Pionier gar vor einer schnellen Insolvenz. Das Schicksal liegt nun endgültig in den Händen des Staates“.
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Erstes Fahrzeug der größten Wasserstoffzug-Flotte der Welt heißt „Bad Homburg“ ("Hochtaunuskreis" 2022). Wasserstoff ist dabei eine Schlüsseltechnologie, mit der wir die Emissionen im Regionalverkehr weiter senken… „Grüne Mobilität auf der Schiene ist der Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft. Dazu möchten wir einen zentralen Beitrag leisten.
Debakel mit den Wasserstoffzügen: Ungebremst gegen die Wand (Frankfurter Neue Presse 04.10.2024). „Der Taunus sollte einst Heimat der weltweit größten Wasserstoff-Flotte werden. Es endete im Fiasko. Die Technik der Züge streikt, Hersteller Alstom ist überfordert, der RMV verzweifelt“.
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Wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einem emissionsfreien Fährverkehr. Hybridfähre ist der erste Schritt zum klimaschonenden Fährverkehr zwischen Travemünde und Priwall ("Travemünde-aktuell" 14.05.2024) „Mit der Möglichkeit, künftig auch vollelektrisch zu fahren, sei sie zudem ein weiteres Element, um Lübecks Ziele für den Klimaschutz im wichtigen Bereich der Mobilität zu erreichen“, sagte Bürgermeister Jan Lindenau
Nächste Blamage mit Öko-Fähre (Bild.de 2.10.2024). „Wir bedauern sehr, dass die ‚Welt ahoi!‘ als Aushängeschild eines modernen, emissionsarmen Fährverkehrs aktuell nicht in Betrieb gehen kann. Alle Beteiligten sind sich aber darüber einig, dass es zielführender ist, bis auf Weiteres auf jegliche Fahrten zu verzichten“.
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E-Schleifähre "Missunde III" wird getauft (NDR 31.01.2024). „Sie soll eine neue Ära in der Verbindung Brodersby in Angeln-Kosel in Schwansen einläuten.“
Chronologie des Scheiterns (NDR 26.09.2024) „Eine neue Vier-Millionen-Euro-Fähre, die ihrem Gewässer nicht gewachsen ist. Eine alte Fähre, die das Land erst abgestoßen hatte und dann "doppelt" zurückkaufen musste: die "Missunde"-Chronik“.
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Trigema-Chef Wolfgang Grupp wählt grün (FAZ, 2016). Konservativer Trigema-Chef Grupp wirbt für Kretschmann und Grüne bei Landtagswahl (Augsburger Allgemeine 2021). Trigema-Chef zur Ampel: Warum der „geborene CDU-Wähler“ Grupp die Grünen für regierungsfähig hält und nicht mehr als „Schande für unser Unternehmerland“ sieht (Businessinsider 2021).
„Die Regierung muss weg“: Wolfgang Grupp teilt gegen die Ampel aus (Merkur.de 21.09.24)
Dirk Maxeiner ist einer der Herausgeber von Achgut.com. Von ihm ist in der Achgut-Edition erschienen: „Hilfe, mein Hund überholt mich rechts. Bekenntnisse eines Sonntagsfahrers.“ Ideal für Schwarze, Weiße, Rote, Grüne, Gelbe, Blaue, sämtliche Geschlechtsidentitäten sowie Hundebesitzer und Katzenliebhaber, als Zündkerze für jeden Anlass(er). Zu beziehen hier.
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