Die öffentliche Behandlung der Volkswagen-Misere folgt dem gleichen Muster wie die Nicht-Aufarbeitung des Corona-Skandals. Mit allen Mitteln muss die Verantwortung einer selbstmörderischen Politik verheimlicht werden, denn fast alle haben mitgemacht.
Wenn morgens die diversen „Newsletter“ großer Medienhäuser über meinen Bildschirm huschen, wundere ich mich immer noch, warum es so lange gedauert hat. Denn es kommt keiner mehr darum herum, etwas zu beschreiben, wovon hier schon lange die Rede ist: den Niedergang von Volkswagen. Gut so oder auch schlecht so, je nachdem aus welchem Blickwinkel man es betrachtet. Irgendwann ist der Müllsack halt so groß, dass man ihn nicht mehr heimlich aus dem Hinterfenster in den Hof werfen kann.
Mit der Einschätzung, dass VW ein Problem hat, enden aber auch schon die Gemeinsamkeiten. Während Achse-Autoren in den vergangenen Jahren früh aber vergeblich zu erklären suchten, warum Physik und Politik hinsichtlich der „Mobilitätswende“ nicht in Übereinstimmung gebracht werden können (vorsichtig ausgedrückt), jubelte die sogenannte Qualitätspresse ob des visionären Gedankens, unsere Töfftöffs mit tonnenschweren Batterien zu beladen. Die faktische Erpressung zum E-Auto durch die Politik wurde gefeiert wie einst Uri Geller, der Löffelbieger. Und jetzt sind alle furchtbar überrascht, dass die Kunden den Löffelbiegern nix mehr glauben. Oh mein Gott, wie konnte das denn passieren?
Um nicht an der nächsten Ecke mit den eigenen Frohmutsphrasen zu kollidieren, wird allenthalben ein sogenannter „Strukturwandel“ bemüht, ja, der sei schuld, ganz sicher. Gerade gestern ließ mich Gabor Steingarts „The Pioneer Briefing“ wissen: „Volkswagen steckt in einer strukturellen, möglicherweise existenziellen Krise“. Das selbe Medium jubelte bis vor kurzem den mit seiner Elektrostrategie grandios gescheiterten und inzwischen geschassten Herbert Diess („Dr. Death“) als visonären Brumm-Brumm-da Vinci geradezu peinlich hoch.
Zeitalter der selbstgewählten Dummheit
Den Gedanken, dass der nicht vom Markt, sondern von Ideologen befehligte Anti-Autokurs und das damit verbundene Verbot der Verbrennertechnologie der letzte Nagel am Sarg von Volkswagen sein könnte, will man in erlauchten Medien-Kreisen auf keinen Fall an sich heranlassen. Ganz einfach, weil man sich damit selbst als Blindgänger des Zeitgeistes outen würde. Im Gegenteil: Die Anleitung zum Glücklichsein lautet landauf, landab: „Mehr vom selben!“ VW hat sich nicht genügend angestrengt! Oder wie der WDR es formulieren lässt: VW sei lange Zeit "viel zu träge" beim Thema E-Mobilität gewesen.
Mal ehrlich: Wenn es in diesem Land eine Strukturkrise gibt, dann ist es nicht der Wechsel vom Diesel- zum Elektromotor, sondern vom Zeitalter der Aufklärung in das Zeitalter der selbstgewählten Dummheit. Wenn es eine Strukturkrise gibt, dann ist es die, dass dieses Land vom Wohlstand lebt, diejenigen, die ihn schaffen, aber verachtet und demotiviert. Wenn es eine Strukturkrise gibt, dann ist es die, dass Skepsis und Widerspruchsgeist nicht als willkommener Bestandteil eines notwendigen kreativen Prozesses angesehen werden, sondern als Delegitimation der herrschenden Dumpfgummis.
Steingarts Pioneer hat einen Gedanken im Gepäck, der nicht einmal falsch ist, aber am tatsächlichen Casus knacksus vorbeifliegt: „Der Wolfsburger Konzern wirkte seit jeher wie das sozial-kapitalistische Bollwerk gegen den rauen Wind des Marktes: hohe Löhne, stabile Jobs – sichere Dividenden. VW war nicht nur deutsch und niedersächsisch, sondern auch sozialdemokratisch – mit starken Gewerkschaften und Vertretern der Landespolitik (meist SPD) im Aufsichtsrat. Doch die Zeiten der Harmonie sind vorbei… Beim Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt sich, dass gerade die engen Bande zwischen Politik und Konzern zu einer Last geworden sind. Das VW-Gesetz sichert der Landespolitik ein Vetorecht. Politiker fordern nun dessen Abschaffung“.
Das stimmt alles ein bisschen, ist nicht neu und auch die Versuche, das VW-Gesetz abzuschaffen, sind längst Legion. Doch statt sich selbst an die Nase zu fassen, wird hier der Ball an die Arbeitnehmer zurückgespielt, die verwöhnten Bälger, die in letzter Zeit auch noch zu häufig krank feiern. Mehr unterhaken, bitte! Eine Frage hätte ich aber noch: Warum geht es den anderen Autoherstellern genauso schlecht wie Volkswagen? Die haben ja weder ein VW-Gesetz noch einen niedersächsischen Ministerpräsidenten als Miteigentümer. Also irgendwie gibt’s hier eine auffällige Lücke im Narrativ.
Das Gerede von der „Strukturkrise“ erfüllt in der Volkswagen-Debatte exakt die gleiche Funktion wie „Long Covid“ in der Corona-Aufarbeitung. Es geht darum, fahrlässige und gefährliche Entscheidungen der Politik und ihrer Claqueure mit den daraus folgenden verheerenden Konsequenzen zu verschleiern. Mit dem diffusen Long-Covid-Krankheitsbild wird der offenkundige Versuch unternommen, Impfopfer einer Pandemie zuzuschreiben, die es nie gab. Und das Krankheitsbild „Strukturwandel“ dient dazu, die verheerenden Folgen der politischen Elektroauto-Ideologie einem Phänomen zuzuorden, das alternativlos über uns gekommen sei, wie die Erfindung des Buchdrucks oder des Computers. Dies ist aber erkennbar nicht der Fall, der Zwang zum E-Auto ergibt sich weder aus dem Wunsch der Kunden – ganz im Gegenteil – noch aus einer technologischen Überlegenheit.
Eine automobile Variante des Lyssenkoismus
Alles was bleibt, ist Willkür: Es handelt sich nicht um einen Fall von Strukturwandel, sondern um eine automobile Variante des Lyssenkoismus. Das zentrale Postulat dieser von dem sowjetischen Agrarwissenschaftler Trofim Lyssenko in den 1930er Jahren begründete pseudowissenschaftliche Lehre lautete: Die Eigenschaften von Kulturpflanzen und anderen Organismen würden nicht durch Gene, sondern nur durch Umweltbedingungen bestimmt. Die Existenz von Genen wurde komplett bestritten. Das war schon damals mit dem Stand der Wissenschaft in keiner Weise zu vereinbaren, wurde aber zur stalinistischen Staatsdoktrin.
Die gegenwärtige scholzistisch/merkelistische Staatsdoktrin lautet analog: Es gibt keine Probleme. Zweitens überwindet der politische Wille die Grenzen der Physik. Und außerdem bestimmt die Regierung, was die Menschen wollen und nicht sie selbst.
Im Falle des Lyssenkoismus war der praktische Misserfolg in der landwirtschaftlichen Praxis bald nicht mehr zu verbergen, und die sowjetische Pflanzenzucht fiel – trotz Lyssenkos immer neuer Versprechungen – immer weiter zurück. Nach Kriegsende kam es zu einer großen Hungersnot, die aber von der Parteiführung vertuscht wurde.
Auch im Falle des wissenschaftlichen Scholzismus-Merkelismus ist der praktische Misserfolg in der Praxis nicht zu verbergen, die deutsche Wirtschaft fällt trotz Scholzens und Habecks immer neuer Versprechungen immer weiter zurück, was aber von der Parteiführung vertuscht wird.
Just for the record – nur fürs Protokoll
Es bleibt daher auch in der Causa Automobilindustrie und Volkswagen nichts anderes übrig, als den Ideologen immer wieder penetrant eine Reihe von Fakten unter die Nase zu reiben – just for the record (nur fürs Protokoll), wie der Engländer sagt. Ich will das heute einmal dem Ingenieur und Motorenbauer Dr. Fritz Indra überlassen, ein Österreicher und Landsmann von Herbert Diess, allerdings von weniger frommer Denkungsart und serienmäßig mit einem gewissen Wiener Schmäh ausgestattet. Der hochdekorierte „Motorenpapst“ ist eher dem Lager der E-Auto-Ketzer zuzuordnen. Das zeigt sich in einem Interview mit Jens Meiners vom Focus, das ich an dieser Stelle kurz zusammenfassen möchte:
Indra sagt zur hartnäckigen Weigerung der Kundschaft, Batterieautos in größerer Zahl zu kaufen: „Tatsächlich gehen die Zahlen fast überall zurück“. Es sehe so aus, als sei das Jahr 2023 in vielen Ländern der Erde schon das Spitzenjahr für Elektroautos gewesen.
Merke: Die E-Enthaltung ist kein Phänomen dunkeldeutscher Fortschritts-Verweigerer sondern eine weltweite Erscheinung, weil die Nachteile des Konzepts allmählich ruchbar werden. Und dies sei dem Motorenpapst noch hinzugefügt, die Konjunktur in China ist der Tatsache geschuldet, dass man vielerorts eine Lizenz zum Betrieb eines Autos erwerben muss, die aber zum allergrößten Teil nur für die leichter zu überwachenden Elektroautomobile ausgestellt wird. Trotzdem wachsen die Halden, und der Überschuss soll nun bei uns billig endgelagert werden.
Zum denkbaren Marktanteil von E-Autos: „Meiner Ansicht nach ist das E-Auto für 85 Prozent der Kunden nicht gut genug, weil sie sich damit mehr Nachteile einhandeln als Vorteile. Die Menschen haben auch längst erkannt, dass sie der Umwelt mit einem solchen Auto nichts Gutes tun. Mit jedem davon wird die Umwelt mehr belastet als mit einem Verbrenner.“ Der Markt für Elektroautos sei viel kleiner, als Politiker und Autobosse sich das vorgestellt hätten.
Zur Lebensdauer von E-Autos: „Jedes Elektroauto stirbt mit dem Tod seiner Batterie, und nach sechs, sieben oder acht Jahren baut ihnen keiner mehr eine neue Batterie ein“. Das Batterierecyling funktioniere nicht oder es sei zu teuer, der Lebenszyklus eines E-Autos sei nach weniger als zehn Jahren zu Ende: „Den vom Verbrenner gewohnten Materialkreislauf gibt es beim Elektroauto einfach nicht. Wir laufen auf eine echte Umweltkatastrophe zu.“
Zur Wertbeständigkeit von E-Autos: „Der Käufer eines E-Autos muss sich von der Vorstellung verabschieden, dass er für sein altes Auto noch einen anständigen Betrag bekommt.“ Studien zeigten mittlerweile, dass 70 Prozent der Händler sich weigern, ein E-Auto in Zahlung zu nehmen: „Die bleiben einfach übrig, und keiner weiß wohin damit“.
Zu den Unterhaltskosten eines E-Autos: Weder die Produktion noch die Reparaturkosten eines Batterieautos seien günstiger als bei einem Verbrenner, eher im Gegenteil. Ersteres liege an teuren Rohstoffen wie Kupfer für die Motoren, letzteres an Kabelschäden, die nur schwer zu reparieren seien.
Zu elektrischen Kleinwagen: „Der Markt für günstigere und billigere E-Autos ist nach meiner Einschätzung noch kleiner als der Markt für Premium-Modelle“. Denn jemand, der wenig Geld zur Verfügung habe und sich vielleicht gerade einen Opel Astra oder VW Golf leisten könne, der werde noch weniger an den Kauf eines Elektroautos denken als ein privilegierter Dienstwagenfahrer, der zuhause und an der Firma aufladen kann und im Zweifel einen Zweit- oder Drittwagen besitzt.
Zu den Ladestationen: Mehrere Firmen, die Ladestationen installieren, seien bereits pleite gegangen. „Dazu kommen bei allen E-Autos noch immer die erheblichen Gefahren, wenn es zu Bränden kommt.“
Zur chinesischen Konkurrenz: Wirklich besorgniserregend sei, „dass wir jetzt auch den Kampf beim Verbrenner verlieren könnten“. Denn auch hier seien die Chinesen mittlerweile sehr erfolgreich unterwegs, „und wenn die europäischen Hersteller eines Tages keine eigenen Motoren mehr bauen, sondern sie zukaufen, leidet die Fahrzeugkonzeption. Ein richtig gutes Auto kann man nur aus einer Hand bauen“.
Zu elektrischen Lastwagen: „Ein schlimmeres Produkt kann man sich gar nicht vorstellen“. Beim LKW würden alle Schwachstellen des elektrischen PKW potenziert. „Aber die Politik will ja sogar Schiffe und Flugzeuge elektrifizieren“.
Alleine aus dieser kleinen Aufzählung ist unschwer erkennbar, dass eine Industrie, die diesem Konzept bedingungslos folgt, nicht überlebensfähig ist. Ein Strukturwandel aufgrund veränderter ökonomischer Rahmenbedingungen mag ein zusätzlicher Grund für die Misere der Autoindustrie sein, des Pudels Kern ist aber der unbändige Wunsch politischer Eliten, dem Pöbel das freie Umherfahren abzugewöhnen.
Es ist ja kein Zufall, dass die preiswerten Kleinwagen als erstes aufs grüne Schafott geführt wurden. Und da man sich nicht traut, das so direkt zu sagen, wird der Verbrenner nach einer langen Reihe von Auto-Vergraulungs-Maßnahmen endgültig abgewürgt – natürlich nur zu unserem Besten und aus vorgeblichen Klimaschutzgründen. Die Medien-Berichterstattung zur Volkswagen-Pleite ist sichtbar von dem Wunsch geprägt, die wahren Verantwortlichen ungeschoren davonkommen zu lassen. Das hat sie mit den Veröffentlichungen zur Corona-Aufarbeitung gemeinsam.
Aber vielleicht eilt uns ja Elon Musk zur Hilfe: Nachdem die woken Internet-Giganten zur Kernenergie greifen, warte ich nur darauf, dass Musk den Bau eines revolutionären Diesels ankündigt.
Nachtrag Sonntag 11:40 Uhr: Die schönste Antwort auf die im Titel gestellte Frage "Leidet Volkswagen unter Long Covid?" gibt Leser Klaus Reitzig in seinem Kommentar von heute morgen: "Volkswagen leidet unter Long-Ampel".
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