Dirk Maxeiner / 12.06.2016 / 06:24 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 0 / Seite ausdrucken

Der Sonntags-Fahrer: Urschreitherapie im Apennin

Haben Sie schon mal geträumt, zu fliegen wie ein Vogel? Nein? Ich schon. Und zwar öfter. Echt. Bin jedes mal sauer, wenn ich aufwache.  Keine Ahnung, woher diese Träume kommen. Ich habe nie Batman oder Superman-Filme angeschaut. Vielleicht haben meine Träume  damit zu tun, dass ich früher Modellflugzeuge gebaut habe. Wenn Sie mich fragen, wie das so ist, im Traum zu fliegen, dann kann ich das mit zwei Wörtern beschreiben: Google Earth. Du stichst steil aus dem Orbit hinunter und segelst mal eben über den Swimmingpool des Nachbarn. Mein Unterbewusstsein kannte Google Earth lange bevor es erfunden wurde.

Weil mich das Fliegen so fasziniert, wollte ich in jungen Jahren sogar den Flugschein machen. Bin aber beim medizinischen Eignungstest durchgefallen. Da war dieser blöde Geruchstest. Der Arzt hält Dir dabei Dosen mit verschiedenen Gerüchen unter die Nase und Du musst sagen, was Du riechst. Ich: „Das ist Kaffee“. Der Arzt: „Nein, das ist Kerosin“. Das war’s dann mit meiner Pilotenkarriere. Es hat leider nur für den Führerschein gereicht. Deshalb bin ich auf erdgebundene Ersatzhandlungen angewiesen. So wie kürzlich, als mich ein mittelständisches Unternehmen namens Ferrari nach Italien eingeladen hat. Das ist nicht etwa meinem grandiosen Einkommen zu verdanken, sondern der Zeitschrift Ramp, die mich Ende letzten Jahres als Vatikan-Berichterstatter zum heiligen Stuhl der Autowelt entsandte. Es gab sogar ein Honorar, ich hätte es aber auch umsonst gemacht, wenn der Herrgott ruft, soll man nicht kleinlich sein.

Die Bevölkerung weilt in Kirche, Kaffee oder der Trattoria, ist somit sicher verwahrt

Also man nehme: Einen Ferrari 488 Spider in quietschgelb, 670 PS, ferner ein paar hundert Kilometer einsame italienische Landstraßen in den Ausläufern des Apennin. Und last but not least: Einen strahlend blauen Himmel und die verkehrsarme Zeit eines frühen Sonntagmorgens im Oktober. „Nur Fliegen ist schöner“ hieß einmal ein Werbeslogan, der bedauerlicherweise nicht von Ferrari, sondern von Opel stammt.

Große Teile der Bevölkerung verbringen den italienischen Sonntagmorgen in der Kirche, im Kaffee oder der Trattoria. Sie sind somit sicher verwahrt. Nur die vielen Amateur-Radrennfahrer lauern hinter jedem zweiten Eck. Andererseits sind das italienische Radfahrer und keine deutschen. In Berlin-Mitte würden sie dich mit der Luftpumpe lynchen oder vegane Pausenbrote nach Dir werfen. Auf dem Anstieg von Secchiano nach San Leo gibt’s statt dessen Applaus und anfeuernde Rufe. Weil der Ferrari kein Dach hat, kann man das auch ziemlich gut hören. So muss sich der Träger des gelben Trikots fühlen, wenn er bei der Tour de France am Mont Ventoux nach oben gejubelt wird. Also schalte ich (unnötigerweise) herunter und mache ein bisschen Krawall für das Kinderherz im Manne. Daraufhin kann man auch den Ferrari ziemlich gut hören und zwar über Kilometer - was den Vorteil hat, dass nun alle Radfahrer am Berg wissen, dass etwas sehr Schnelles und sehr Bedrohliches im Anmarsch ist.

Wie ein Gecko oben im Autobahntunnel

Steigungen existieren für solche Autos eigentlich nicht, man hat fast den Eindruck, am Horizont lauert ein schwarzes Loch, das alle Materie unaufhaltsam in sich hineinsaugt. Eine gewisse animalische Qualität wohnt auch dem Fahrverhalten inne, weil man fast glauben könnte, man habe es mit einem Gecko zu tun. Und ein bisschen schaut er mit seinen schlitzförmigen Augen ja auch so aus. Nach ein paar Stunden Gewöhnung am Steuer habe ich jedenfalls das Gefühl, ich könnte senkrecht die Wände hochfahren oder kopfüber an der Decke des Autobahntunnels kleben.

Im Tunnel kommt übrigens auch der Soundtrack des Ferrari am besten zur Geltung. Schade dass der Gotthardt-Tunnel nur für Lokomotiven geöffnet ist. Schon am Vorabend ist mir bei der technischen Präsentation durch die Ingenieure aufgefallen, welche Sorgfalt sie dem „unnachahmliche“ Geräusch angedeihen ließen.. Evolutionstechnisch liefert die Fahrt sämtliche Kicks, die ein Homo Sapiens braucht, wenn er mit dem Speer in der Hand zähnefletschend und brüllend auf einen Mammut zurast. Dies bringt mich zu der These: Solche Autos zu fahren, ist im Kern eine Mischung aus Teleportation mit dem Raumschiff Enterprise und Urschreitherapie. Mag ich irgendwie mehr als Yoga.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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