Dirk Maxeiner / 19.07.2020 / 06:05 / Foto: Pixabay / 87 / Seite ausdrucken

Der Sonntagfahrer: Vorsicht Strukturwandler

Ab dem morgigen Montag können Kunden den neuen elektrischen Volkwagen „ID.3“ bestellen. Die Betonung liegt auf bestellen, denn ausgeliefert wird das Auto voraussichtlich erst ab Herbst. Der Stahl ist willig, das Digital aber schwach, die Programmierer müssen noch ein bisschen nachsitzen. Der Serienanlauf erinnert in seiner Länge ein wenig an die Start- und Landebahn des BER. Man kann aber wohl rechtzeitig zur Weihnachtsbescherung damit rechnen, gleichsam als Wolfsburger Wunderkerze. 

Wobei die Wunder sich in Grenzen halten, es wird von einer Reichweite „bis zu 330 Kilometer“ gesprochen, unter E-Auto-Brüdern und -Schwestern dürften das in der Praxis eher 200 Kilometer sein. Wer einen „günstigen Einstieg“ (So ein Branchendienst) sucht, ist mit nur 37.787,72 Euro und dem Model „Life“ dabei, wovon man den staatlichen „Umweltbonus“ von 9.480 Euro fairerweise abrechnen muss. Nachdem die Krankenschwester mit ihren Steuern und Zwangsumlagen die Solarzellen auf dem Carport-Dach der Chefarzt-Villa erfolgreich abbezahlt hat, ist jetzt der Stadtflitzer für dessen umweltbewusste Ehegattin an der Reihe. 

Mit der sozialen Gerechtigkeit geht es in Deutschland so beherzt aufwärts wie mit Elon Musks Space-X-Rakete, die Umverteilung von unten nach oben ist zum Markenkern des deutschen Ökogewissens geworden. Nirgendwo sind die Armuts-Beschaffungs-Programme kreativer als in der ökosozialen Planwirtschaft. Aufwärts immer, abwärts nimmer: Denn sonst müsste man ja auch dem gemeinen Waschmaschinen-, Spülmaschinen-, Herd-, Staubsauger- und Lampenbesitzer 8.790 Euro Prämie bezahlen, weil er so viele schöne elektrische Geräte benutzt mit gaaanz viel Digital dran. Oder habe ich irgendwas falsch verstanden? 

Halluzinationen sind das neue Normal

Bleiben wir beim Preis-Leistungsverhältnis, ein Begriff, der dem Deutschen so locker über die Lippen geht wie dem Franzosen "l’amour". Dazu ein gemeiner Vergleich: Ein neuer Golf Diesel kostet etwa 20.000 Euro in der Anschaffung und bietet dafür eine Reichweite von rund tausend Kilometern, macht 20 Euro pro Kilometer Reichweite. Für den ID.3 will VW rund 40.000 Euro bei alltagsrealistischen 200 Kilometern Reichweite, das macht rund 200 Euro pro Kilometer Reichweite, also das Zehnfache. Die Bildungsergebnisse der PISA-Studie für Deutschland mögen inzwischen suboptimal sein, sie reichen aber durchaus noch, um angesichts dieser Sachlage zu nachteiligen Rechenergebnissen zu kommen. Das gilt selbst für den Volkswagen-Aufsichtsrat, der beim verantwortlichen VW-Chef Herbert Diess kürzlich den Stecker aus der Ladestation zog. Der Zustand des grünen Nirvanas wird jetzt auf dem Golfplatz über ihn kommen, man nennt das "green deal".

Rechenschwächen und Halluzinationen sind das neue Normal, allerdings nur in politischen Führungszirkeln. Die Bevölkerung wird zumindest teilweise noch durch ihren Kontostand am Monatsende geerdet. Ansonsten erscheint die Wünsch-Dir-Was-Wirtschaft inzwischen unter semantischen Tarnkappen. Sie wirft mit Begriffen wie „Strukturwandel“ und „Transformation“ um sich, die mit den tatsächlichen Vorgängen aber nur wenig zu tun haben. Wenn die deutsche Wirtschaft einen „Strukturwandel“ fahrlässig verpennt hat, dann nicht den technischen, sondern den politischen: nämlich den von der Marktwirtschaft zur Planwirtschaft. Sie haben die Merkels, Altmaiers und Scholzens gründlich unterschätzt und geglaubt, die wollten nur spielen. Und jetzt hängen Volkswagen, Daimler & Co am Berliner Fliegenfänger.

Der Verbrennungsmotor, die Kernenergie, die grüne Gentechnik: Deren Ende in Deutschland sind allesamt rein politisch-ideologische Entscheidungen, die mit einem vom Markt getriebenen Strukturwandel so viel zu tun haben wie Henry Ford mit Erich Honecker. Zur Erinnerung: Einen Strukturwandel verursachte beispielsweise die Erfindung des mechanischen Webstuhls. Der machte genau wie andere Maschinen die Handarbeit obsolet und nahm den Menschen die Arbeit weg. Eine überlegene Technik veränderte unaufhaltsam die Welt (so wie heute das Internet). Das führte zum berühmten Weberaufstand und zur Maschinenstürmerei. Wenn heute in Deutschland sichere, kohlenstofffreie und voll funktionsfähige Kernkraftwerke in die Luft gejagt und durch volatile Windrädchen ersetzt werden, dann ist das kein Strukturwandel, sondern ideologische Maschinenstürmerei. Und es wird, in längeren historischen Zyklen betrachtet, ebenso vergeblich sein.

Schilda-Nachrichten, die eine „Transformation“ feiern

An der Wende zum 20. Jahrhundert waren in Deutschland übrigens rund 20.000 Windmühlen für diverse Zwecke wie das Mahlen in Betrieb. Sie wurden sukzessive durch elektrische Antriebe und Dieselmotoren ersetzt, ein klassischer Strukturwandel in dem eine überzeugendere Technik das Althergebrachte obsolet macht. 120 Jahre später legen wir den Rückwärtsgang ein, verbieten die Dieselmotoren und bauen Windräder, auf dass diese elektrische Autos antreiben, deren bisherige Dieselmotoren auch ökologisch zu den effizientesten Kraftquellen gehören. Auch das kommt ideologisch verbrämter Maschinenstürmerei gleich und erinnert eher an die Bürger von Schilda, die Licht mit Eimern ins Rathaus ohne Fenster trugen. Es gab allerdings noch keine Schilda-Nachrichten, die das Ganze als „Transformation“ feierten.

Vielleicht sind elektrische Autos ja eines Tages tatsächlich die bessere Lösung. Dann werden sie sich auch ohne Verbote und Prämien durchsetzen. Tesla hat ja bereits erfolgreich die Walldorf-Herzen der Upper-Class erobert, die Flitzer aus dem Hause Silicon-Valley sind insofern die automobile Entsprechung der Allnatura-Supermärkte. Allerdings ist bisher noch niemand auf die Idee gekommen, deshalb Aldi und Lidl zu verbieten (Aber mit Herrn Tönnies’ Schweinefleisch würde man ganz gerne schon mal einen Anfang machen).

Die Chinesen haben uns transformativ übrigens einiges voraus. So endete Maos „Kulturrevolution“ oder auch „Großer Sprung nach vorn“ bekanntlich in der größten Hungerkatastrophe der Menschheit, das aber nur am Rande. Die Chinesen neigten schon vorher zu deutscher Gründlichkeit, beispielsweise als die bis dato erfolgreiche Seefahrer-Nation im 16. Jahrhundert die rästelhafte Selbstisolation beschloss und seine erfolgreiche Seeflotte verbot. Damit war der Weg frei für die europäische Kolonialisierung der Welt. Betrachten wir es also gelassen als ein Geben und Nehmen. 2020 versenkt Deutschland seine bis dato erfolgreiche Industrie. Und befindet sich auf gutem Wege, eine chinesischen Kolonie zu werden.

 

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PALLA, Manfred / 19.07.2020

Wenn sich DER WESTEN in zehn Jahren noch als MUSEUMs-DORF für Milliarden von Touri-Asiaten erhalten kann, ist schon "viel gewonnen" ;-)

Klaus Lütke Kleinschmidt / 19.07.2020

Ich würde vermuten: Die Bundesministerien tun nicht nur so, die sind wirklich gnadenlos überfordert.

Wolfgang Richter / 19.07.2020

@ Archie Bechlenberg - Und weil die E-Schleicher halt entsprechend unterwegs sind, kommt der Neidfaktor dem "Verbrenner" gegenüber zum tragen. Daraus resultiert dann die Idee der Richtgeschwindigkeit auf der Autobahn, weil es denen "stinkt", daß andere halt fixer unterwegs sind. Und das ist unsolidarisch und gehört verboten, wie der Masken befreite Aufenthalt außerhalb der eigenen 4 Wände.Individualität adé. Willkommen in der uniformen Masse.

Wolfgang Richter / 19.07.2020

""die grüne Gentechnik"" - eigentlich als des Teufels geächtet. Nur beim "Corona-Impfen" will keiner wissen, daß es sich nicht um eine "Impfung" im herkömmlich bekannten Sinne handeln wird. Denn bei dem von den Bürgen herbei gesehnten, von der (weltweiten und merkelschen) Politik versprochenen "Impfstoff" handelt es sich um "mRNA-Vakzine" (Die wird im Labor synthetisiert und enthält eine präzise Bauanleitung für erregerspezifische Antigene - das sind für den jeweiligen Erreger typische Eiweißstoffe, die eine Immunreaktion provozieren.) in Nano-Partikel verpackt gespritzt. Risiken und Nebenwirkungen werden ausgeblendet. Das soll dann als Weg in die Neuzeit der Gesundheitsvorsorge akzeptiert werden. Und ob das in Bezug auf immer wieder von "Verschwörern" ins Gespräch gebrachte Nano-Überwachungs-Partikel als weltweit nachweisbarer Impfschutz zur Wiedererlangung der Reisefreiheit -in Verbindung gebracht mit Bill Gates- dann noch "Theorie" von Spinnern ist oder doch Realität werden könnte, mag bei den staatlichen Überwachungsrealitäten z.B. der Rotchinesen jeder für sich bewerten.

Reinhold Schmidt / 19.07.2020

Den Strukturwandlern und Transformationsgurus möchte ich einfach mal drei kleine Anmerkungen ins Poesiealbum schreiben. Die nur durch politische, planwirtschaftliche Subventionen getriebene Produktion von E-Autos in DEU bedeutet, dass geschätzt etwa 50 % der bisher in DEU generierten Wertschöpfung durch die Automobilproduktion nicht mehr in DEU stattfindet (schon allein die Batterie macht etwa 50 % des Autowertes aus und deren Grundprodukte kommen genauso wie viele anderen Komponenten für E-Autos aus dem Ausland, weil sie in DEU schon lange nicht mehr wirtschaftlich produziert werden können). Da E-Mobilität für Asien, Afrika, Südamerika und selbst für Nordamerika außerhalb der Ballungsräume auf Grund der Entfernungen einfach Quatsch ist, wird sich die "deutsche" Autoproduktion auch vermehrt in diese Regionen verlagern und zu Werkschließungen in DEU führen. Auch dabei keine Wertschöpfung in DEU mehr.Ein weiterer niedlicher Aspekt. Die Ablösung der Pferdekutsche durch Kraftfahrzeuge war eine riesige, heute noch andauernde Erfolgsgeschichte. Die von Menschen schon immer und auch heute noch in vielen Ländern erträumte Mobilität war nicht mehr nur ein Privileg der Reichen und der Staatsfunktionäre, sondern wurde für viele verfügbar. Seltsam dafür brauchte es keine milliardenschweren Subventionen. Keiner wäre dabei auf die Idee gekommen zu fordern, dass Tankstellen für viele Milliarden vom Steuerzahler finanziert werden müssen.Träumen wir trotzdem mal den Traum der alle selig machenden E-Mobilität. Dann sollten wir aber hurtig mit dem Bau von etwa 20 oder 30 Kernkraftwerken beginnen, um dem rund um die Uhr Strombedarf allein der etwa 40 000 000 PKW in DEU (keine LKW, Schiffe, usw.) zu befriedigen (mit den erneuerbaren ist das wegen der physikalischen Eigenheiten - nachts keine Sonne und oft auch kein Wind und keine Sonne und weit und breit keine Speicher - im Gegensatz zu den Bürgern von Schilda, die ja das Licht-mit Eimern transportieren konnten, nicht realisierbar).

Peter Baron / 19.07.2020

Danke für den wie immer hervorragenden Artikel. Vor allem für den Einen Satz "Vielleicht sind elektrische Autos ja eines Tages tatsächlich die bessere Lösung."Dieser Tag war leider schon gestern. Und das Ganze hat gar nichts mit grün-linker Ideologie zu tun, diese sind nur auf den schon längst fahrenden Zug aufgesprungen. Es hat was mit Technologie und Physik ( die nicht lügt ) zu tun, mehr nicht.Für die Grünen was der elektrische Strom, bis zu dem Zeitpunkt als Sie Ihre Liebe zu Zerstörung unsere Natur mittels Windräder entdeckt haben, der Beelzebub persönlich. Raps und Kompost war damals die Devise.Wir werden/haben den Kampf um den nächsten technologischen Schritt ( Auto 2.0 ) auch verlieren. In welchen Innovationen der letzen 20 Jahre sind wir noch mit dabei? Fernseher, Computer, Kernkraft,Tablet, Handy/Smartphone, Akkutechnologie, Internet, Software?Deutschland als Industriestandort ist bald (politisch gewollte) Geschichte.

Pedro Jimenez / 19.07.2020

@Gert Köppe Ohne Vertrieb, Einkauf, Personalabteilung, Marketing würden sie ihre Handwerkskünste aber nur schlecht an den Mann bringen. Aber die hat der Chefe bestimmt nur eingestellt, weil er ja so links ist.Und was machen die ganzen Schrauber nach Feierabend, um ihre Arbeitskraft zu erhalten? Bei Wehweh auf unproduktive Pflegekräfte zurückgreifen? Zur Entspannung Musik von Faulen konsumieren? Lebensmittel vom bösen Kaufmann kaufen?Ein nichtsnutziger Personaler(P.S.: wir hatten hier in Bremen einen begnadeten Auto-Konstrukteur, namens Borgward. Ach hätte er doch nur ein wenig kaufmännischer gedacht, dann hätte Bremen jetzt einen Haufen Steuern mehr im Stadtstaatsäckel)

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