Dirk Maxeiner / 02.08.2017 / 06:25 / Foto: Tim Maxeiner / 21 / Seite ausdrucken

Der Selbstentzünder-Gipfel

Der Idiot als solcher wird ja immer mal wieder zum Gegenstand literarischer Betrachtung, sei es bei Fjodor Dostojewski oder bei Botho Strauss. Mitunter wird er sogar gelobt, was auch ich hiermit tun möchte. So verkündete Jürgen Döschner, der sich als ARD-Energieexperte bezeichnet, vor zwei Tagen: „Wo drastische Taten fehlen, müssen wenigstens drastische Worte her: Deutsche Automafia vergast jedes Jahr 10.000 Unschuldige.“

Man muss dem Mann echt dankbar sein, weil er die Art, wie bei uns über eine technische Problemstellung diskutiert wird, sehr schön verdeutlicht. Fangen wir mit dem ersten Teil der Aussage an: „Wo drastische Taten fehlen, müssen wenigstens drastische Worte her.“ Da fragt man sich zunächst einmal: Warum müssen es immer „drastische Taten“ sein? Tun es nicht auch richtige Taten? Oder vielleicht zielführende Massnahmen?

Nein, im teutonischen Weltbild muss es schon drastisch sein. Etwa so wie in der größten BSE-Hysterie. Hundertausende Rinder wurden sinnlos gekeult und zwei Milliarden Mark verbrannt. Auf die Volksgesundheit hatte dies nullkommanull Auswirkungen. Geile Sache und eine prima Vorlage für die Lösung des Diesel-Problems. Keult den Diesel! Startet ein staatliches Rückkaufprogramm! Packt die Sonne in den Tank! (Und wenn Sie nicht scheint, die Braunkohle). An der Luftqualität in diesem Lande, die seit Jahrzehnten immer besser wird, wird sich dadurch zwar nichts Wesentliches ändern, aber die Sozialhygiene der Döschners ist wieder im Lot.

Doch zurück zum Idiotischen an und für sich. Warum müssen eigentlich drastische Worte her? Das geht doch auch ohne, wie man in den USA sieht. Es waren schließlich die Amerikaner, die den ganzen Zug ins Rollen gebracht haben. Die schätzen es nicht, wenn man ihre Gesetze unterläuft, und ergreifen schlicht zielführende Massnahmen, wie man an der Verhaftung von VW-Mitarbeitern sehen kann. Die Moral ist den dortigen Verantwortungsträgern auch ziemlich egal, es genügt ihnen die Gesetzeslage. 

Fachleute können nur noch Karriere als Watschenmann machen

Nun gut, es ist Wahlkampf. Die Grünen brauchen den Diesel-Skandal, damit sie nicht selbst ausrangiert werden. Und die anderen Parteien werden den Teufel tun, in dieser Gemengelage für die Automobilindustrie Partei zu ergreifen. In den Schlafsälen der Sendeanstalten erwacht derweil der Furor Teutonicus und ruft den Zweit-Holocaust aus (siehe oben). Alle anderen gehen in Deckung. Die Verbreitung von Fachwissen aus den Bereichen Abgas-, Umwelt- und Automobil-Technologie erfüllt den Tatbestand der Verharmlosung und Relativierung. Die einzige Karriere, die man damit noch machen kann, ist die des Watschenmannes bei Illner oder Maischberger, das aber erfolgreich.

Dieses Phänomen konnte man sehr schön nach Fukushima beobachten, als es in ganz Deutschland praktisch keinen sachkundigen Atomphysiker mehr gab, der sich in einer Fernsehsendung getraut hätte um zu sagen: Leute macht mal halblang, einen Tsunami gibt’s in Deutschland nicht – und eine Strahlengefahr schon gar nicht. War zwar so, aber keiner hatte den Mut, eine simple Tatsache auszusprechen. In der von Grünen und Linken absichtlich entfachten und von der Kanzlerin aus Wahlkampf-Gründen geschürten Hysterie machten sich weder Politiker noch Medien die Mühe, auf echte Experten zu hören. Die Folgen dieser herausragenden Zivilcourage und bewußten Ignoranz: Unter anderem Bischöfe entschieden im Rahmen der sogenannten Ethik-Kommission über die deutsche Energieversorgung der Zukunft. Seitdem können wir nur noch beten und zahlen.

Das gilt jetzt auch für Diesel-Besitzer und die bedauernswerten Angehörigen des deutschen Kfz-Gewerbes. Die einen bezahlen ja heute schon mit dem Werteverlust ihrer neuwertigen Diesel-Fahrzeuge und kommenden (sinnlosen) Fahrverboten, die anderen folgen mit dem Verlust ihrer Arbeitsplätze. Das kann aber noch etwas dauern, gemäß dem üblichen Drehbuch befinden wir uns derzeit in Sachen Verbrennungsmotor und Automobilindustrie in jenem Debattenstadium, in dem erst einmal das Fachwissen auf Tauchstation geht. Denjenigen, die dabei in den Medien die Demontage des Automobils von Herzen mitbefördern, wünsche ich viel Erfolg, sie werden ihn ohne die Werbegelder dieser Industrie brauchen. Mit Ausnahme der Döschners natürlich, die werden ja zwangsfinanziert.

Abgeklärte Fachleute, die auch bereit sind, etwas in der Öffentlichkeit zu sagen, sind wirklich rar, deshalb hier mal einer: Professor Matthias Klingner, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI in Dresden. Wer sich dafür interessiert, wie sich die gegenwärtigen Probleme technisch – ohne drastische Worte und drastische Taten – lösen lassen, kann es in diesem Interview nachlesen.  Wirklich sehr empfehlenswert. Und vom Aussterben bedroht.

Sehr hörenswert ist der Rundfunk-Beitrag auf Bayern 2 "Steht der Diesel vor dem Aus?" in der unter anderen Professor Thomas Koch vom "Institut für Kolbenmaschinen" am Karslruher Institut für Technologie (KIT) sehr anschaulich die technischen und regulatorischen Hintergründer der Diesel-Affäre erklärt.

PS. Wer es amüsant mag, kann sich auch noch Jean Pütz in diesem kleinen Video ansehen.

Foto: Tim Maxeiner

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Th. Paulke / 02.08.2017

Danke, es gibt noch normal denkende Menschen!

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