Manfred Haferburg / 01.05.2016 / 19:00 / Foto: Tim Maxeiner / 6 / Seite ausdrucken

Der schweigende Sprecher Steffen Seibert spricht Bände

Wenn Sie mal eine Frage an die Obrigkeit haben, wie stellt man die? Sachlich, konstruktiv, unterwürfig, die Entschuldigung schon bei der Fragestellung mit einflechtend?

In der DDR schrieb man eine „Eingabe“. Die wurde dann mehr oder weniger wirsch beantwortet, je nachdem, ob der sozialistischer Klassenstandpunkt schon in der Fragestellung genügend devot zum Ausdruck kam. Und natürlich wendete sich der gelernte DDR-Bürger nicht an die Oberen, sondern versuchte sich bei den Unteren - meist den Verursachern des zu beklagenden Problems - verschwurbelt einzuschleimen: „Ich bin schon fünfmal als Aktivist der sozialistischen Arbeit ausgezeichnet worden und setze mich stets voll dafür ein, die wegweisenden Beschlüsse von Partei und Staatsführung zum Wohle der Arbeiter und Bauern auf dem Weg zum Sieg des Sozialismus mit meinem ganzen revolutionären Elan umzusetzen…“ So ein Anfang war das Mindeste.

Heute kann man sich dank Internet direkt an die Oberen wenden. Die haben das so eingerichtet, um ihre Volksnähe unter Beweis zu stellen. Man landet dann auch wieder bei den Unteren, aber das geht aus dem Internetformular des Service der Bundesregierung nicht hervor. Service heißt Dienstbarkeit, die Oberen dienen den Unteren, wow! Wie das mit dem Ergebenheitsschwurbeln ist, bleibt dem Charakter des Bürgers überlassen – sollte man meinen. (Anm. hier irrt der Verfasser) Und was liegt näher, wenn man als Bürger eine Frage zur aktuellen Politik der Kanzlerin hat, als sich an Ihren Regierungssprecher, Herrn Steffen Seibert zu wenden? Internet an und ab geht die Anfrage:

04.04. 2016; Sehr geehrter Herr Seibert,

Sie verwiesen im Zusammenhang des Telefonates der Kanzlerin mit dem Türkischen Außenminister auf die Umsetzung der Vereinbarung über die Rückführung der Flüchtlinge in die Türkei und die Aufnahme einer gleichen Menge durch die EU-Staaten.

Die ersten Austausch-Flüchtlinge sind in Hannover angekommen. Könnten Sie mich bitte darüber informieren, welche anderen EU-Staaten außer Deutschland solche Austausch-Flüchtlinge in welcher Zahl aufnehmen werden? Leider ist das aus der Presse nicht ersichtlich.

Vielen Dank im Voraus, Manfred Haferburg

Einige Tage vergehen. Der Sprecher Seibert spricht nicht, sondern hüllt sich in Schweigen. Hat er die Anfrage nicht bekommen? Sind seine Büroangestellten überlastet? Also versuche ich es nochmal:

09.04. 2016; Sehr geehrter Herr Seibert,

vor einer Woche habe ich Ihnen eine Anfrage gestellt, auf die ich noch keine Antwort bekommen habe. Hier der Text nochmals…. Ich kann mir vorstellen, dass Sie sehr beschäftigt sind, doch haben Sie sicher Mitarbeiter, die sich Ihrer Post annehmen.

Nochmals Danke im Voraus für die Beantwortung meiner Frage. Hochachtungsvoll Manfred Haferburg

Wieder hüllt sich der Sprecher in eisiges Schweigen. Mir kommt der dunkle Verdacht, dass womöglich der Ton meiner Eingabe nicht den erforderlichen Klassenstandpunkt widerspiegelte und ich versuchte es nochmal, diesmal angemessen devot:

13.04. Durchlauchtigster Herr Seibert,

untertänigst wende ich mich nunmehr seit dem 4. April, - eine weitere Anfrage stellte ich untertänigst am 9. April - zum dritten Mal in derselben Sache an Eure Hoheit und hoffe nunmehr auf gnädige Antwort…

Ich hoffe, Ihr habt meine Frage nicht als unbotmäßig empfunden und geruht deshalb nicht, mich mit einer Antwort zu ehren.

Auch ahne ich, dass Eure Hoheit in diesen Tagen sehr mit den Staatsgeschäften beschäftigt sind. Doch habt Ihr sicher für die Beantwortung der Untertanen-Fragen Bedienstete, die Euch die Bürde des Umgangs mit dem einfachen Volke abnehmen.

In der Hoffnung auf eine gnädige Antwort verbleibe ich untertänigst, Ihr ergebener Manfred Haferburg

Was soll ich sagen? Der Monat April ist um und der Herr Staatssekretär Steffen Seibert hat mir nicht geantwortet. Der Sprecher hält eisern die Klappe.mIch fürchte, dass ich einfach die falsche Frage gestellt habe. Vielleicht wartet ja der schöne Sprecher der Kanzlerin mit der Antwort, bis sich außer Deutschland noch ein anderes europäisches Land an der europäischen Lösung seiner Chefin beteiligt? Ich ahne auch dunkel, dass die Fragefunktion auf der Webseite der Bundesregierung nur für zustimmende konstruktive Fragesteller geschaffen wurde. Und nicht für die defätistischen Fragen von feindlich negativen Elementen wie mich.

Foto: Tim Maxeiner

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Leserpost

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Karla Kuhn / 02.05.2016

Hallo Herr Haferburg, nachdem ich eben einen Artikel über Minister Jäger gelesen habe und total bedient war, ist Ihr herrlicher Artikel Balsam für meine Seele. Ich habe so sehr gelacht, vielen Dank. Aber auch in der DDR gab es genug Menschen, die nicht devot waren. Ich bin 1975 aus der DDR ausgereist und durfte nicht mehr in die DDR reisen. Meine Schwester, Ärztin, nicht in der Partei !!, hat 1988 an Honecker einen Brief geschrieben.  Nur ein kurzer Ausschnitt: “Ich habe mein Studium selber finanziert, ich bin dem Staat nie zur Last gefallen und jetzt erwarte ich, dass meine Schwester zu Besuch kommen kann.” Sie hat nicht bitte geschrieben , sondern erwarte. Ich habe eine Einreisegenehmigung für 3 Wochen erhalten. “Die Großen hören auf zu herrschen, wenn die Kleinen aufhören zu kriechen.”  Schiller

Thomas Schmied / 02.05.2016

“Ich ahne auch dunkel, dass die Fragefunktion auf der Webseite der Bundesregierung nur für zustimmende konstruktive Fragesteller geschaffen wurde.” Es liegt ja nicht fern, da eine Gegenprobe zu starten. Hier ein Vorschlag: “Sehr geehrte Damen und Herren! Hiermit möchte ich meinen ausdrücklichen Dank ausdrücken für die hervorragende Arbeit der Regierung. Ich bin froh, von einer so großartigen und vorbildlichen Kanzlerin wie Frau Merkel regiert zu werden. Bitte übermitteln Sie ihr Grüße! Hochachtungsvoll, Michaela Mitstrom” Wenn man auf einen solchen Text ebenfalls nach so langer Zeit keine Antwort bekommt, dann verbleiben nur noch zwei Möglichkeiten: 1. Die arme Bundesregierung ist überlastet und kann sich auch keine weiteren Leute leisten, die für sie am Computer sitzen. 2. Das “Internetformular” dient nur dem schönen Schein einer theoretischen Kommunikationsmöglichkeit mit diesem verkapselten Saftladen in Berlin.

Waldemar Undig / 02.05.2016

Damit würde ich niemals rechnen, dass ich bei unseren Staatsoberen eine Antwort auf eine Frage bekäme, welche nicht bereits über die Presse verlautbart wurde.

Paul Mittelsdorf / 02.05.2016

Die Erfahrung habe ich auch einige Male gemacht. Unter anderem warte ich seit etwa einem Jahr und etwa zwanzig Nachfragen meinerseits auf eine Antwort von Welt-Online, welche ich gebeten hatte, mir eine Quelle zu der von der Zeitung wiederholt vorgebrachten Behauptung zuzusenden, dass Pegida “fremdenfeindlich” sei. Die “unteren” Serviceebeben waren mit der Bitte komplett überfordert. Nach einigen Monaten und vielen Mails wurde die Anfrage an irgendeinen Redakteur weitergeleitet und dort verharrt sie seitdem. Ich habe noch ein paar Mal versucht, doch noch eine Antwort zu erhalten, aber umsonst. Ich muss jedoch ehrlich zugeben, dass ich von Anfang an davon ausgegangen bin, dass Welt-Online über keinerlei Quellen verfügt. Ich weiß noch, mit welcher Verbissenheit man mir an der Uni beigebracht hat, sorgfältig mit Quellen umzugehen. Ich frage mich, für welche Art von Arbeit ich das brauchen soll. Im Journalismus jedenfalls ist es bei politischen Themen mittlerweile vollkommen irrelevant, ja, sogar hinderlich für das eigene Vorankommen.

Baldur Jahn / 02.05.2016

Sehr geehrter Herr Haferburg, viel hatte man nicht, wenn man schreibend an DDR-Behörden herantrat. Es blieb immerhin die Eingabeordnung als “Berufungsinstanz” um eine Antwort an sich. Verwundert bin ich über das bundesdeutsche “diskutieren sie hier nicht rum”, das sich in der Nichtbeantwortung von Briefen, Stellungnahmen…zeigt. Sie sprechen mit Ihrem Artikel ein weites Feld an. Hätte die CDU auf Briefe von Markus Wegner, Bernd Lucke reagiert, hätte sie vielleicht die Gründung der Statt- und AfD-Partei verhindern können. Andererseits, so die Politologen, verhindert individuelle Kommunikation das Entstehen von politischer Öffentlichkeit und sei un- bzw. vordemokratisch. Wenn der Brief- und Eingabegedanke die Massen ergreift und Partei wird, sollte das zwar unbedingt möglich sein. Aber (1), man will ja nicht immer gleich eine Partei oder einen Verein gründen, sondern Unsicherheiten und Ängste klären. Die Politiker erklären doch immer ihre Zuständigkeit für die berechtigten Sorgen, die man nun ernst nehmen will. Inwiefern hinter “zugelassener Sorgen” selbst wieder ein “Klassenstandpunkt” oder obrigkeitsstaatliches mitschwinkt, sei hier unbedacht gelassen. Aber (2), da man wohl Höflichkeit, mit dem ungeschriebenen Recht auf Antwort, nicht mehr unterstellen kann, bin für eine “Antwortordnung” für Briefe (Nachfragen, Stellungnahmen, Richtigstellungen…) an Behörden, Parteien, jedwede Institutionen mit einem Anrecht auf Antwort. Dies sollte gesetzlich geregelt werden. MfG Baldur Jahn

Thomas Bode / 02.05.2016

Danke, am Ball bleiben bitte! Man könnte es mal derber versuchen, ich denke dann kommt eine Reaktion. Wenn auch keine angenehme.

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