Quentin Quencher / 04.12.2015 / 11:59 / 2 / Seite ausdrucken

Der Schmeichler und der Egoismus

Wenn ich in diesen Zeiten in die Presse schaue, Nachrichten aus dem Fernsehen über mich ergehen lasse, dann drängt sich mir immer wieder die Figur des Schmeichlers aus Ellias Canettis »Komödie der Eitelkeit« in den Sinn. Von einem totalitären Regime sind alle Spiegel verboten worden um die Eitelkeit zu bekämpfen, und schmeicheln wird zum Bestandteil der Umgangsformen. Die Menschen wissen nicht wirklich wie sie aussehen, es gibt keine Spiegel mehr in denen sie sich betrachten können, und das Geschäftsmodell des Schmeichler beruht nun darauf, den Leuten in den schönsten Formulierungen zu erzählen, wie sie aussehen würden. Bestimmte Branchen, wie die Frisöre, erleben einen Boom, auch weil sie geradezu zwangsläufig ihren Kunden erzählen müssen wie diese aussehen. Selbst überprüfen können die Ihr Äußeres nicht mehr, es gibt ja keine Spiegel mehr, auch Fotografien sind verboten.

Hier und heute, jetzt in Deutschland also, könnten die Menschen in den Spiegel schauen, sie wollen es aber nicht mehr, sondern lieben es umschmeichelt zu werden. Wir sind ja so gut, wir retten das Klima, ja die ganze Welt, wir schaffen das. Geschäftstüchtig wie die Medien sind, erzählen sie den Leuten was sie hören wollen, schmeicheln sich bei ihnen ein. Wunschbilder entstehen, diese möchte man bestätigt wissen und die Schmeichler übernehmen diese Aufgabe.

Nein, wir haben nicht nur eine Medienkrise, sondern auch eine der Gesellschaft, die nicht mehr bereit ist den Realitäten ins Auge zu sehen, und sich lieber umschmeicheln lässt. Dabei sind die Medien nicht die Ursache dieses verzerrten Selbst- und Wunschbildes der Deutschen. Sie, die Medien, folgen nur einem Bedürfnis der Gesellschaft nach Sinnsuche, und da diese nicht mehr in den Traditionen oder in den Mythen des eigenen Volkes statt findet, entsteht ein neues deutsches Gutmenschentum. Die Sinnsuche mäandert im Wunschbild.

Der Realitätsverlust der Deutschen hat ursächlich mit dieser schief gelaufenen Sinnsuche zu tun. Man schaut nicht mehr in den Spiegel, um zu erkennen wer man ist, wie man aussieht, sondern konstruiert sich ein identitätsstiftendes Wunschbild, was von den Schmeichlern kräftig unterstützt wird. Diese neue Identität der Deutschen steht aber auf ganz wackeligen Füßen, sie hat den Lackmustest zur Unterscheidung von Wunsch und Wirklichkeit noch nicht bestanden, der nun in Form von Völkerwanderungen auf uns zukommt.

Mythen und Traditionen, auf die man meinte verzichten zu können, sind auch tradierte Geschichte, gemachte Erfahrungen die unterschwellig transportiert werden und dabei Teil der Identität werden. Das Wunschbild des neuen guten Deutschen, sein neues Bild seiner Identität, ist noch nicht durch die Stürme der Zeit und der Realitäten gegangen, es hat noch keine Bewährungsprobe bestehen müssen, bei der es auf praktische Verwertbarkeit getestet, und dabei angepasst und zurechtgeschliffen wurde. Es ist zu befürchten, wenn die Gesellschaft an ihrem Wunschselbstbild fest hält, sie daran zerbrechen wird. Der Lackmustest mit den Flüchtlingen ist nämlich nur ein Anfang, vielleicht werden wir wieder kämpfen müssen. Nicht nur um Werte und Ideale, sondern in Form einer Selbstverteidigung ums Erreichte. Also aus ganz egoistischen Zielen heraus.

Spätestens dann sind die Schmeichler arbeitslos. Egoismus passt nicht zum Selbstbild des neuen deutschen Gutmenschen, der es sich so lange verweigerte in den Spiegel zu schauen, sich lieber umschmeicheln ließ. Doch so langsam dämmert es den Deutschen, dass sie einem Trug- oder Wunschbild aufgesessen sind, eines das nur der Phantasie entsprungen war und vom Schmeichler verstärkt wurde. Er ist eben auch nur ein Egoist, der Schmeichler, der uns erzählt wie wir gerne aussehen wollen. Der Schmeichler ist egoistisch und erzählt uns, wir wären es nicht. Wie konnten wir nur diesen Widerspruch übersehen?

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Leserpost

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Thomas Schade / 04.12.2015

Wir wollen doch glauben, dass wir mit Bioprodukten unsere eigene Gesundheit retten. Wir wollen doch glauben, dass wir mit neuen Autos die Umwelt schonen. Wir wollen doch glauben, dass wir allen Verfolgten ein besseres Leben ermöglichen können. Wir wollen doch glauben, dass wir neue Lebensformen ohne Verwerfungen einführen können. Wir wollen doch glauben, dass wir ein Leben ohne eigenes und fremdes Leid leben können. Wir wollen doch glauben, dass wir und alle anderen in Grunde gute Menschen sind. Wir glauben eben, dass wir gut sind, weil wir gut sein wollen. Wir schmeicheln uns selbst - wir Schmeichler…

Dr. Klaus Nordmann / 04.12.2015

Sehr gut, die Erklärung mit dem “Umschmeicheln”! Ja genau, die Gutmenschen fühlen sich gut, indem sie fähnchenschwenkend am Bahnhof stehen. Dann ist nicht nur der Schmeichler egoistisch, sondern auch der Umschmeichelte, der sich mit dem Fähnchenschwenken ein gute Gefühl verschafft. Dabei blendet er gerne die Realität aus, dass z. B. Einreisebestimmungen (Gesetze!) per Handstreich seitens Frau Merkel missachtet werden, Dublin nicht mehr befolgt wird etc…. In meinem Freundeskreis stelle ich fest: Der Umschmeichelte ist überhaupt nicht willens sachliche Argumente zu akzeptieren, weil das sein schönes Gefühl zerstören würde. Ich kann reden wie ich will, ich stoße immer auf taube Ohren. Selbst zu erwartende Terroranschläge können ihn nicht erschüttern, weil er nach den Regeln der Wahrscheinlichkeit davon ausgeht, dass es ihn selbst nicht trifft. Er nimmt den Tod seiner Mitmenschen für sein gutes Gefühl in Kauf. Das ist ein wahrlich gefährliches Phänomen. Dr. Klaus Nordmann, Köln

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