Thomas Rietzschel / 21.12.2021 / 12:00 / 47 / Seite ausdrucken

Der Saubermann ist ein Meister aus Deutschland

Unter neuem Namen, als „Humboldt Forum“, ist das Berliner Stadtschloss wieder auferstanden aus Ruinen. Rekonstruiert wurde die Fassade, dahinter befindet sich ein Neubau, der verschiedenen Zwecken dient. Zwei Fliegen wurden mit einer Klappe geschlagen. Erstens bekam die Stadt ein Baudenkmal zurück, das zu Berlin gehört wie die Schinkelsche Bauakademie und der Dom schräg gegenüber. Zweitens entstanden im Inneren vielfältig nutzbare Räumlichkeiten für Ausstellungen, Kongresse oder Theaterprojekte.

Vergessen ist der Streit, der dem Nachbau des Schlosses vorausging. Längst nicht allen wollte die Idee anfangs gefallen. Stand doch an derselben Stelle, da, wo Ulbricht die Reste des bombardierten Schlosses erst sprengen und dann hatte wegräumen lassen, Honeckers „Palast der Republik“. Ein architektonischer Sündenfall, für den hunderte Tonnen von Beton, Stahl und Glas verschwendet wurden. Gegen den Abriss dieses Denkmals sozialistischen Spießertums sträubte sich das linke Berlin lange, am Ende aber vergebens. Die Mehrheit der Berliner wollte zwar nicht ihren „alten Kaiser Wilhelm“ wieder haben, wohl aber das Schloss, das sie als das ihre ansahen.

Wie das Ganze finanziert werden sollte, stand zunächst in den Sternen. Weder die Stadt noch die Bundesrepublik Deutschland konnten oder wollten die nötigen Mittel aufbringen. Also gründete der Initiator des Wiederaufbaus, Wilhelm von Boddien, einen Förderverein „Berliner Schloss“ und machte sich auf die Ochsentour. Mehrere Jahre ging er Klinken putzen, sammelte Spenden bei vermögenden und weniger vermögenden Mäzenen.

Viele gaben fünfzig oder hundert Euro, andere überwiesen tausende bis hunderttausende. Anonym eingezahlt wurden Summen von fünf bis neun Millionen. Insgesamt haben rund 45.000 den Spendenaufruf des „Vereins Berliner Schloss“ gezeichnet. Soll noch einer sagen, die Deutschen gäben nichts auf ihre Geschichte, die „Reichen“ würden das Geld lieber auf ihren Jachten im Mittelmeer verprassen. Es gibt auch solche, denen die Tradition mehr als einen Pfifferling wert ist. 

Spender im Foyer verewigt

Als der Bau schließlich stand, vor allem die Fassade neu errichtet war, taten die Hausherren, was in solchen Fällen üblich und geboten ist. Sie bedankten sich bei den besonders Großzügigen, indem sie für jeden von ihnen eine namentlich gezeichnete Plakette im Foyer anbrachten. So weit, so gut, so anständig. 

Unterdessen aber ist ein gewisser Philipp Oswalt, 57 Jahre jung und Architekturprofessor in der hessischen Provinz, auf den Plan getreten, um als nachgeborener Saubermann mit eisernem Besen im neuen-alten Schloss der Berliner zu kehren. Einige der Großspender, ließ er vermelden, seien nicht tragbar, da sie dem NS-Regime nahegestanden hätten, allen voran der 2016 verstorbene Bankier Erhardt Bödecker, der zusammen mit seiner Frau über eine Million für die Rekonstruktion der Fassade überwies.

Weil er ehedem antisemitische und antidemokratische Positionen vertreten habe, müsse nun geklärt werden, inwieweit er das Geld hergab, um den Ungeist der Vorzeit erneut in Stein meißeln zu lassen. Dass die Fronten des Bauwerks nicht erst nach 1933 gestaltet wurden, sondern bereits Ende des 17. Jahrhunderts von Andreas Schlüter, einem der bedeutendsten Baumeister des europäischen Barocks, ist dem Architekturhistoriker, als der Oswalt gern firmiert, vermutlich entgangen. 

Er hat Größeres im Sinn als den Kleinkram historischer Tatsachen. Die Geschichte soll ins moralische Lot des links-grünen Zeitgeistes gebracht werden. Auch der Name Rudolf-August Oetkers sei deshalb von der Tafel der Spender zu tilgen. Ganz unbegründet wäre diese Streichung in der Tat nicht. War der Industrielle doch zuerst Mitglied der SA und später als SS-Mann an der Ostfront eingesetzt. Ihn jetzt als Mäzen zu ehren, könnte den Eindruck einer Reinwaschung erwecken, das immerhin. 

Gebt die Knete zurück!

Von vornherein ist daher kaum etwas gegen die besondere Sensibilität gegenüber den verblassten Resten brauner Farbe einzuwenden. Nur verhält es sich in diesem Fall naseweiser Geschichtsaufarbeitung wie mit der Schwangerschaft: entweder ganz oder gar nicht. Will sich das Humboldt Forum von historisch belasteten Spendern trennen, dann bitte richtig. Das heißt, wer nichts mit ihnen zu tun haben will, sie für unwürdig hält, sollte auch das schmutzige Geld, das er zuvor von denselben eingesackt hat, ihnen wieder vor die Füße werfen. Davon jedoch ist bisher weder bei dem Professor aus Kassel noch im Berliner Biotop die Rede. Monika Grütters, die den Wiederaufbau des Schlosses als „Bundesbeauftragte für Kultur und Medien“ politisch engagiert begleitet hat, schweigt dazu, ebenso wie ihre Nachfolgerin im Amt, Claudia Roth. 

Es ist eben immer ein Risiko, aus dem Glashaus mit Steinen zu werfen. Den Mäzenen heute vorzuwerfen, sie seien „Profiteure des NS-Regimes und ihrer Erben gewesen“, mag billig sein, recht ist es nicht. Schon allein deshalb nicht, weil das auf alle Deutschen zutrifft. Dass es ihnen bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs – abgesehen von denen, die im Widerstand waren oder ins Exil fliehen mussten – besser ging als in den Jahren zuvor, ist eine historische Tatsache. Wollte sie etwas hermachen, trug die deutsche Frau Pelze, die man den Juden abgenommen hatte. Die Männer übernahmen Firmen und Läden, auf deren Fenster sie zuvor „Juda verrecke“ geschmiert hatten. Um sich von dieser Barbarei der Masse abzugrenzen, stöbern jetzt viele in den Biographien Prominenter nach Material, mit dem sich diese als Schuldige vorführen lassen.  

Wer erst die Knete einsackt und nachher über jene herfällt, die sie ihm freiwillig und in gutem Glauben übergaben, dabei jedoch nicht auf den Gedanken kommt, das historisch verschmutzte Geld wieder herauszurücken, der verhält sich selbst unanständig, schäbig und so betrügerisch wie jeder Mitläufer der jeweils herrschenden Macht.

Das ist keine Übertreibung, nur die Feststellung, dass der Saubermann von heute ein Meister aus Deutschland ist, der nichts lieber macht als reinigen. Abermals wächst zusammen, was zusammengehört, scheinheiliges Moralisieren und dreister Diebstahl.

Man könnte meinen, dass Honeckers „Palast der Republik“ doch besser in unsere Zeit passen würde als die Rekonstruktion eines preußischen Architekturdenkmals, einer Fassade, auf die einst große Geister der Aufklärung blickten, Hegel, Fichte, E.T.A. Hofmann, Savigny, Tieck, Bettina von Arnim und die Gebrüder Humboldt.

Das Schindluder, das mit ihren Namen getrieben wird, offenbart mehr, als die geistig verarmten Teufel zu fassen vermögen, die sich als das gute Gewissen der Deutschen aufspielen.

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Hans-Peter Dollhopf / 21.12.2021

Claudius Pappe / 21.12.2021 “Ich behaupte mal das die Familie ...” Huch, die bereicherten sich sogar noch an Akif Pirincci - und das im Namen des Volkes.

Yehudit de Toledo Gruber / 21.12.2021

Sehr interessant und aufschlußreich, was hier so aus manchen Achgut-Lesern herausperlt. Und wie bitte, Frau Nora Schmidt: Die damalige deutsche Bevölkerung könne man nicht so pauschal darstellen, wie es Dr. Rietzschel so vorzüglich und deutlich formulierte?  Und ob! Denn die 6 Millionen Juden wurden ja nicht nur ermordet sondern vorher noch ausgeraubt , a l l e bis auf das letzte Hemd und nicht selten von den eigenen, ehemals netten Nachbarn nebenan. Ich bin sehr froh darüber, daß es noch so kluge und sich trauende Autoren wie Herrn Dr. Rietzschel gibt, der die Dinge beim Namen nennt, und das noch dazu - für mich ist es das i-Tüpfelchen auf´s Ganze - so wunderbar zu schreiben und zu erklären vermag. Im fast witzigen Stil. Für mich ist dieser Artikel mit den gesamten, dazugehörigen, historischen Hintergründen ein Gewinn ,, praktisch wie eine Geschichtsstunde, bei der man wieder etwas dazu gelernt hat, Klasse!

Paul Siemons / 21.12.2021

Was den “Omas gegen Rechts” und den “Ärzten gegen den Klimawandel” recht ist, muss auch dem “Architekt gegen Geld von Nachfahren von Naziprofiteuren” billig sein. Übrigens habe ich einige Zigarettenbilder-Alben aus den dreißiger Jahren geerbt, herausgegeben von der Firma Reemtsma.

Dr. Robert Müller / 21.12.2021

Zu den Damen und Herren, wahrscheinlich aus den westlichen Bundesländern, die sich hier nach über 3 Jahrzehnten an der NVA oder den Grenztruppen abarbeiten: Euer Oberst Klein hat alleine über 100 Zivilisten, darunter Frauen und Kinder wegbombardieren lassen. Dafür ist er wenn ich richtig informiert bin befördert worden. Wartet mal ab, was hier so Inden nächsten Jahren passiert. Vor allem glaubt weiter an Demokratie, an die Werteunion und die FDP.

Regina Lange / 21.12.2021

Der ÖRR behält ja auch das Geld, dass monatlich von “Querdenker-Nazis” in die üppigen Pensionsschatullen fließt! Auch die Steuergelder des besagtem Personenkreis werden weiterhin gern und reichlich abgeschöpft.  Geld stinkt schließlich nicht. Denunzieren und verächtlich machen kann man ja, aber die Kohle bleibt wo sie ist, nämlich in den Händen der “Guten”!

Boris Kotchoubey / 21.12.2021

Das Herz schlägt links! Aber das Portmonee steckt rechts.

RMPetersen / 21.12.2021

Nun sind wir auch in der Achse bei dem Satz angekommen “Es war nicht alle schlecht damals (in der DDR)”. Sich angesichts der vielen rchitektonischen Sündenfälle, auch am Potsdamer Platz, sich über den„Palast der Republik“zu echauffieren, ist alledings billig. Wobei ich die Kritik an der Verwokung auch des sog. Hmboldt-Forums völlig teile.

Dr. Günter Crecelius / 21.12.2021

Ich vermute mal in aller Bescheidenheit, das ‘ekelhafte preußisch-militaristische Stadtschloß’ wird es überstehen, wenn das hypermoralische Übermensch Ostrovsky es niemals betritt, auch wenn es sicher bitterlich über die offensichtliche Mißachtung durch ein derartiges Ausnahmemensch weinen wird. Wenn dieses und der ulkige architekturhistorische Professix militaristische und imperialistische Architektur bewundern wollen, empfehle ich einen Besuch in Paris und eine Information über den Grund für die Anlage der heute als Prachtboulevards bewunderten Straßenschluchten. angelegt als Schußfeld auf Veranlassung eines selbsternannten militaristischen und imperialistischen Kaisers aus Angst vor seinem eigenen Volk. Der Schöpfer der Mona Lisa hat einen erheblichen Teil seines Lebensunterhaltes mit der Planung von Waffen verdient. Schauen unsere beiden Moralkoryphäen das Gemälde deswegen auch nicht an? Wenn sich ein Kind an einem Tisch stößt, schlägt es den Tisch. Der kann aber nichts für dessen Ungeschicklichkeit.

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