Cigdem Toprak
Es existieren ja angeblich zahlreiche Gründe, weshalb man sich für das Tragen eines Kopftuches entscheiden könnte. Religiöse, politische, gesellschaftliche, traditionelle. Deniz Baspinar hat allerdings in ihrem heute auf zeitOnline erschienen Artikel “Der Reiz des Kopftuchs” in ihrer “Kölümne” klar gemacht, dass zum einen kopftuchtragende Frauen attraktiver und zum Objekt der Begierde gewandelt sind, zum anderen, dass “leicht bekleidete” Frauen, was immer das genau heißen soll, für “moderne, aufgeklärte Männer” als Frau für eine “solide Partnerschaft” nicht in Frage kommen.
Die Legitimation des Kopftuchs wird immer absurder
Fürsprecherinnen des religiösen islamischen Kopftuchs verweisen gerne auf Gesetzesstellen im Koran und im deutschen Grundgesetz. Das letztere legitimiert sich aus der demokratischen Souveränität des deutschen Volkes, der Koran legtimiert sich jedoch selbst: es sind die heiligen, unantastbaren Worte Gottes. Jegliche Kritik ist verboten. Und das soll auch noch in Deutschland respektiert werden.
Wer sich mit der wissenschaftlichen Studie von Prof.´in Yasemin Karakasoglu beschäftigt, die nach den Gründen des Tragens von islamischen Kopftüchern fragt und nach Herkunftsland und Aufenhaltsort der Trägerin unterscheidet, der begreift, weshalb es einen Unterschied macht, ein Kopftuch in Deutschland zu tragen oder in Afghanistan. Nach Karakasoglu “[nutzen] Intellektuelle muslimische Frauen in westlichen Ländern [..] das Tragen des Kopftuches auch als Möglichkeit, ihr Bekenntnis zur Religion öffentlich zu machen. Sie zwingen damit den Betrachter, sich mit ihrer Position als einer dezidiert religiös begründeten auseinander zu setzen. Ihr Ziel ist es, im öffentlichen Raum nicht in der Masse ‘unterzugehen’ und somit als muslimische Frau unsichtbar zu sein, sondern sie deuten das negativ konnotierte Symbol um. Ihr Ziel ist es, als muslimische Frau in der Gesellschaft wahrgenommen zu werden, Akzeptanz ihres ‘Andersseins’ einzufordern. Diskriminierungserfahrungen bestärken diesen Ansatz des Bekenntnisses zur eigenen Religion. Das Kopftuch wird hier zu einer Differenzierungs- und Identifizierungsstrategie zugleich.” (Karakasoglu 2005).
Allerdings wird suggeriert, dass muslimische Frauen mit Kopftuch im reifen Alter, ohne jeglichen Druck der Eltern oder der Gemeinschaft, in der sie leben, sich bewusst und freiwillig für ein Kopftuch entschieden hätten und dass sie sonst in keiner weiteren Art und Weise in ihrem Alltag oder ihrem Leben eingeschränkt werden.
Genauso wie sie sich für ein Leben mit Miniröcken und Parties hätten entscheiden können, haben sie sich für ein frommes und religiöses Leben entschieden, wobei ihre Lebensweise von der deutschen Mehrheitsgesellschaft respektiert wird.
Muslima zu Gott: Deal or No Deal?
Diese absurde Geschichte glauben noch gutgläubige Deutsche, weil sie die Begriffe “Zwang” und “freiwillige Aufgabe ihrer Selbstbestimmung” nicht kennen.
Moderne, junge Frauen mit Kopftuch unterwerfen sich nämlich den Regeln des Korans, um sich in den Bereichen, die vom Koran nicht verboten werden, wie beispielsweise Bildung, frei entfalten zu können.
Es ist wie ein Tauschgeschäft. Sie suchen nach Schlupflöchern, damit sie ein “selbstbestimmtes” religiöses Leben führen können.
Es gibt zahlreiche kopftuchtragende Muslima in Parteien, wie die Grünen-Politikerin Hasret Karacuban, oder in Zeitungen wie Kübra Yücel, aber kaum eine Profi-Sportlerin oder Musikerin. Man mag denken, dass Karacuban und Co. sich politisch in Deutschland beteiligen, aber eigentlich kämpfen sie nur für ein demokratisches Recht: Religionsfreiheit.
Gerne wird die miserable Menschenrechtssituation der Frauen im Iran, die im Namen Gottes und ihrer Religion exekutiert werden, als “innere Angelegenheit” Irans und als Fehlinterpretation des Islams kleingeredet, ohne dass man sich dem Ausmaß religiöser Radikalität und der eigenen Religiösität stellt, dafür wird immer wieder gerne auf die Situation der Palästinenser hingewiesen und das Verhalten Israels den Palästinensern gegenüber als die größte Ungerechtigkeit aller Zeiten dargestellt.
Kopftuch and the City
Über die Ansicht Baspinars, dass verschleierte Frauen als Objekt sexueller Begierde für Männer sogar attraktiver als “leicht bekleidete” Frauen sind, lässt sich streiten. Geschmäcker sind ja bekanntlich verschieden.
Aber dass Frauen mit Kopftuch gleichzeitig bei der Partnerwahl für eine ernste Beziehung zu präferieren seien, da sie nicht sexuell verfügbar sind, ist diskriminierend und mit den Aussagen des türkischen Theologen Orhan Ceker gleichzusetzen, der vor einigen Wochen behauptete, “eine Frau mit tiefem Ausschnitt müsse sich über eine Vergewaltigung nicht wundern”.
Denn Baspinar fordert doch tatsächlich von “modernen, aufgeklärten Männern” eine selbstkritische Reflexion darüber, “mit wem sie lieber eine solide Lebenspartnerschaft begründen möchten: Mit einer Frau, die signalisiert, dass sie sexuell frei lebt oder mit einer, die das nicht macht? Eben. Die deutsche Sprache kennt viele Ausdrücke für erstere – Schlampe ist noch der harmloseste.”
So ist die deutsche weibliche Mehrheitsgesellschaft - inklusive säkularer Muslime -, die nach den Tugenden der Aufklärung lebt, “sexuell frei verfügbar”, lauter “Schlampen”, natürlich ganz harmlos ausgedrückt.
Das Tauschgeschäft der muslimischen Kopftuchträgerin ist wirklich lukrativ: Familie und Gemeinschaft gewähren ihr das Recht auf Bildung, Gott bringt sie ins Paradies und schenkt ihr ein “ehrenvolles” Leben, die Männer finden sie attraktiv und machen ihnen einen Heiratsantrag. Denn aufgeklärt sind sie allemal.
Über die Autorin:
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