Vera Lengsfeld / 26.05.2025 / 14:00 / Foto: Montage achgut.com / 7 / Seite ausdrucken

Der rbb ist mein Verfassungsschutz

Eine Lesung in Perleberg wird zur Projektionsfläche eines medial-politischen Missverständnisses. Was darf in einer Demokratie gesagt, gedacht und gelesen werden – und wer entscheidet das?

In einem meiner letzten Texte habe ich darüber berichtet, wie meine publizistischen Aktivitäten auf den Radar des Verfassungsschutzes geraten sind. In einer Art Nachverwertung war der öffentlich-rechtliche Komplex, hier in Form des rbb, des Öffi-Senders der Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg, der Meinung, dass sie dem Verfassungsschutz nicht nachstehen dürfen. Mit der Vorstellung meines Merkel-Buches kam ich - nach Stationen im ganzen Land - auch nach Perleberg im nordwestlichen Brandenburg. Dem rbb ist dies eine große Meldung wert, eine Werbung, für die ich und die Achse des Guten, die das Buch angeregt und verlegt hat, im Prinzip sehr dankbar sind. Der Verfassungsschutz ist mein Eckermann, und der rbb ist mein Verfassungsschutz.

Und die „Vorwürfe“ des rbb sind dann auch von ähnlicher Qualität wie das 1.000-Seiten-„Gutachten“ der Beamten aus Köln: Das durch und durch Text-Geraune versucht einen Skandal zu wittern, wo es schlicht um eine Lesung und Diskussion politischer Texte geht. In einer freien Stadt, in einem freien Land: Das nennt sich gemeinhin Demokratie.

Doch ein Missverständnis?

Aber vielleicht versteht der Berlin-brandenburgische Staatssender ja unter „unserer Demokratie“ tatsächlich, dass Autoren und Publizisten ihre Bücher, Texte und Aussagen erst einer staatsmedialen Kontrolle unterziehen müssen, bevor die Bürgerinnen und Bürger von Perleberg oder anderen Städten außerhalb der Berlin-Potsdamer Kreml-Zone mit unzensierten Einsichten konfrontiert werden? Das kann man sich eigentlich nicht ausdenken, aber so ist unser real-existierendes Absurdistan.

Über die „Vorwürfe“ des rbb müssen wir gar nicht reden: Der Achse des Guten, einer freiheitlich-liberalen Plattform, soll irgendetwas angehängt werden. Oder doch der Autorin Vera Lengsfeld, die unter anderem bei der Achse publiziert? Man weiß es nicht. Der rbb weiß es vermutlich selbst nicht.

Aber vielleicht beruht es auch auf einem Missverständnis? War rbb-Autor Björn Haase-Wendt davon motiviert, dass es irgendwas mit Verfassungsschutz und Lengsfeld geben soll? Hat er da nicht irgendwo eine Überschrift oder eine launige Verkürzung auf X gesehen?

Der Original-Satz

Der von unseren Zwangsgebühren finanzierte Journalist hätte sich wenigstens die Mühe machen sollen, meinen Originaltext zu lesen, zu verstehen und dann gegebenenfalls zu verarbeiten. 

Ich habe den Kernoriginalsatz hier noch mal kopiert: „Ich fühle mich geehrt, nach der Staatssicherheit nun auch beim Verfassungsschutz auf dem Radar zu sein, als Kollateral-Beobachtungsobjekt oder wie immer man das bezeichnen möchte“.

Das ist meine Aussage und nichts anderes. Der rbb dreht daraus, dass Vera Lengsfeld „nach eigenen Angaben vom Verfassungsschutz beobachtet wird“ – jetzt weiß ich zwar nicht, was die Behörde in Köln wirklich den ganzen Tag treibt, wenn sie nicht Internet-„Gutachten“ zusammenschustert. Aber ich gehe schwer davon aus, dass die Beamtenressourcen nicht dafür ausreichen, dass die Publizistin Vera Lengsfeld tatsächlich so „beobachtet“ wird, wie der rbb hier meint, suggerieren zu müssen. Nichts in dem von mir veröffentlichten Text scheint mir diese „Perzeption-ist-alles“-Darstellung des rbb zu rechtfertigen.

Genosse Domres 

Immerhin gelang es dem rbb-Journalisten, noch eine Stimme eines besorgten Politikers einzuholen: Thomas Domres, ehemaliges Mitglied des Brandenburger Landtags der Linksfraktion und deren parlamentarischer Geschäftsführer (die Linken sind ja in letzter Wahl in Brandenburg aus dem Landtag geflogen). Die freie Lesung freier Autoren in seiner Heimatstadt Perleberg lässt Alt-MdL Domres laut rbb „sprachlos zurück“, und Domres diktiert dem Reporter in den Block, er sei „stark irritiert“.

Nun ist Thomas Domres mit Jahrgang 1970 niemand, dem man echte SED-Erfahrung oder Verantwortung anlasten kann. Genosse Domres ist aber trotzdem laut Internet seit 1989 dabei und hat damit zumindest intensiven Kaderkontakt mit der sich in die Demokratie rüber geretteten DDR-Diktaturstaatspartei. Dass wir die SED Ende 1989 nicht zur Auflösung gezwungen oder verboten haben, halte ich heute für einen der ganz großen Fehler der Friedlichen Revolution. Vielleicht sehnt sich Thomas Domres nach der Zeit zurück, wo in der Rolandstadt Perleberg, dem Zentrum der Grenzregion Prignitz, niemals regierungskritische Autoren ohne Genehmigung der Partei aufgetreten wären?

Ich jedenfalls freue mich auf den Abend in Perleberg – nach der durch den rbb und in seiner Folge auch anderen Medien geschürten Aufregung bin ich mir sicher, dass es ein guter und interessanter Abend im wunderschönen Perleberg sein wird. Und wenn Alt-MdL Domres seinen Mitbürgern erklärt, warum Kanzlerin Merkel eigentlich die beste linksgrüne Kanzlerin der Republik war, dann werde ich ihm bestimmt nicht das Wort verbieten.

 

Vera Lengsfeldgeboren 1952 in Thüringen ist eine Politikerin und Publizistin. Sie war Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages zunächst bis 1996 für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 für die CDU. Seitdem betätigt sie sich als freischaffende Autorin. 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt. Dieser Beitrag erschien zuerst auf ihrer Seite vera lengsfeld.de

Vera Lengsfelds aktuelles Buch „Ist mir egal – Wie Angela Merkel die CDU und Deutschland ruiniert hat“, Achgut Edition, ist hier im Achgut-Shop bestellbar.

Foto: Montage achgut.com/ Rundfunk Berlin Brandenburg - Website of rbb, Public Domain, via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Th. Gerbert / 26.05.2025

Zu Keefer kann ich nichts sagen, weil ich ihn nicht kenne. Ihm wird aber im Artikel vorgeworfen, davon gesprochen zu haben, dass eine hochverehrte ehemalige Bundeskanzlerin während der Corona-Zeit “84 Millionen Bundesbürger weggesperrt” und “zehntausende Existenzen vernichtet” habe. Wenn das der schlimmste Vorwurf gegen ihn ist…nun ja.—- Zu dem Artikel über Vera Lengsfeld: Man könnte die Augen rollen und sarkastische Bemerkungen über mangelndes Text- und Leseverständnis machen und den Kampf gegen Fake News, aber das erlaubt die gegenwärtige Situation und die erlittene Rufschädigung nicht. Dass die Berliner Zeitung einen Artikel mit ähnlichem Tenor herausgehauen hat (von einem anderen Autor), macht das Ganze noch schlimmer. Früher gab es mal einen Berufsethos im Journalismus, doch der scheint in weite Ferne entfleucht zu sein. An dieser Stelle ein Vorschlag: [!!Achtung Satire!!] Gründet doch einfach eine “Deutsc..”...äh…“Sieghafte Einheitspartei”, verbietet alle Meinungen, die nicht die Euren sind, verhängt Berufsverbote für jeden vermuteten Abweichler, und schmeißt alle aus dem Land raus, von denen ihr vermutet, dass sie auch nur abweichende Gedanken haben *könnten* und lasst sie nie wieder einreisen (unappetitliche Dinge wie einen Stas…äh…Staatsfeindeknast lieber vermeiden, das gibt nur schlechte Presse im Ausland). Und dann freut Euch drei Wochen über die leere Republik (mit endlich gelöstem Wohnungsproblem). Bevor die nächste Runde beginnt…. [!!SatireEnde!!]

Horst Jungsbluth / 26.05.2025

Der RBB, vormals der Westberliner Sender SFB wurde in kleinen Kreisen bereits vor dem Mauerfall von etlichen fassungslosen Bürgern als Radio Normannenstraße bezeichnet, da man sich dort überhaupt keine Mühe gab zu verbergen, dass man voll auf Kurs der SED war, die sich   anschickte, Westberlin durch Stasi und NVA militärisch besetzen zu lassen, um sich das dortige riesige Vermögen anzueignen, da man den Staat DDR restlos in den Ruin gewirtschaftet hatte. Und dabei ist nicht nur der deutschlandpolitische Sprecher der Grünen Dirk Schneider alias IM Ludwig, der übrigens auch beim SFB zugange war, zu erwähnen.  Man wollte dann auch noch nach der Besetzung die Bonner Regierung mit den Westberliner als Geiseln zusätzlich erpressen, was natürlich nur dann funktionieren konnte, wenn man auf loyale Kräfte in Westberlin zählen konnte. Und die hatte man in Hülle und Fülle: Medien, Gewerkschaften, Parteien und sogar den Bund der Steuerzahler.  Und ganz offensichtlich hat sich das bis heute nicht geändert, denn was aktuell in unserem Staat los, das kann nur die beabsichtigte Fortsetzung der beiden Diktaturen sein.

Else Schrammen / 26.05.2025

Nein, Frau Lengsfeld, Sie werden dem Herrn Domres gewiss nicht das Wort verbieten, wenn er <seinen Mitbürgern erklärt, warum Kanzlerin Merkel eigentlich die beste linksgrüne Kanzlerin der Republik war>. Sie werden schmunzeln oder leise kichern ob der feingeistigen Ironie, dem leisen Spott des Gesagten So viel Humor hätten Sie einem Linken bestimmt nicht zugetraut!

Franz Klar / 26.05.2025

Was ist passiert ? Ein Medium berichtet kritisch über eine Veranstaltung mit “Lesung und Diskussion politischer Texte”. Die findet dann unbehelligt statt . “In einer freien Stadt, in einem freien Land: Das nennt sich gemeinhin Demokratie”. Ebend !

Günter H. Probst / 26.05.2025

Wir sind ein freies Land. Nur der Staatsfunk ist nicht frei.

Jörg Themlitz / 26.05.2025

Der rbb hat den Namen, die Partei und die Funktion des Herrn Domres genannt? Sehr ungewöhnlich. Gewöhnlich, das zufällig durch die Straße spazierende Fernsehteam, trifft zufällig auf einen zufälligen Bürger, der zufällig die Gedanken des Fernsehteams teilt und zufällig gern ausspricht. Der zufällige Bürger mit zufälliger Öffentlichkeitserfahrung macht das im Allgemeinen so gut, dass der Dreh spätestens beim dritten Mal im Kasten ist. Wobei, ob das gesamte Fernsehteam dieses Verfahren teilt oder doch eher rückgratfrei erklärt: ´Das ist mein Job das zu liefern. Damit verdiene ich mein Geld.`, Ich gebe zu, wenn die Braut zu Hause wegen einem schönen Urlaub jammert und der Sohn Bedarf nach einer neuen Spielkonsole hat, ist es mit dem Rückgrat durchaus schwierig. Die Frage: Wie umfassend ist das System in Gedanken und Tat geteilt? 1989 in Adlershof (DDR Fernsehen 1.0) war dieser Antagonimus mit Händen zu greifen und mit dem Zusammenfall der DDR verschwunden. Für eine kurze Zeit. Mit dem DDR Fernsehen 2.0 erstand dieser Antagonismus wieder, kam das rote Zeug, diesmal mit viel Grün zurück.

Michael Puhlmann / 26.05.2025

“Bürgerinnen und Bürger”, eigentlich ein Grund für die Mißachtung des folgenden Artikels, ist nicht der anwendbare Plural, sondern eine geschlechterspezifische Aufzählung, die in diesem Kontext absolut nichts zu suchen hat. Soetwas wurde jetzt in Sachsen-Anhalt für ungültig erklärt, kommt aber hier auf der Achse noch zur Ehre, eigentlich undenkbar. So wird das nichts, liebe Frau Lengsfeld…

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