Gunter Weißgerber / 03.10.2017 / 19:33 / 8 / Seite ausdrucken

Der Quatsch mit den Ostmännern

Die Ostmänner werden gerade als AfD-Brut durchs mediale Dorf getrieben. "Die Lebensdepression des ostdeutschen Mannes", macht sich DIE WELT schwere Sorgen. Eine schöne Erzählung, die einer vom anderen abschreibt. Der übliche selbstreferentielle Herdentrieb. Deshalb an dieser Stelle mal ein paar sachdienliche Hinweise:

  • Die AfD ist ein Danaergeschenk aus den alten Bundesländern.
  • Die AfD ist eine Gründung im Westen.
  • Das intellektuelle Potential stammt vorwiegend aus dem Westen.
  • Die meisten AfD-Wähler in absoluten Zahlen gab es im Westen (siehe unten).
  • In den prozentualen Zahlen liegt der Osten deutlich vorne, das ändert aber nichts daran, dass im Westen offensichtlich auch ein riesiges Reservoir vorhanden ist. Die Betonung und Psychologisierung des Ostergebnisses lenkt nur vom Kern des Vertrauensverlustes der etablierten Parteien in beiden Teilen des Landes ab.
  • Man stürzt sich auf den Osten um nicht über den Westen reden zu müssen.
  • Könnte es sein, dass die AfD im Osten am 24. September 2017 über Wert belohnt und im Westen unter Wert geschlagen wurde? Könnte es ferner sein, wenn die offene Richterskala für die AfD im Westen erst noch auf uns zukommt? Oder ist die AfD nur die verspätete Antwort auf dem Import der SED/PDS in die Bundesrepubik im Jahr 1990?
  • Die AfD ist eine gesamtdeutsche Herausforderung.

Die AfD-Stimmen im Bund (Zweitstimmen Quelle Bundeswahlleiter):

1. NRW: 928 323
2. Bayern: 916 164
3. BW: 730 265
4. Sachsen: 669 895
5. NIedersachsen: 422 275
6. Hessen: 398 684
7. Brandeburg: 301 082
8. Thüringen: 294 045
9. Rheinland-Pfalz: 265 711
10. Sachsen-Anhalt: 244 431
11. Berlin: 224 957
12. MeckPomm: 172 415
13. Schleswig-Holstein: 140 238
14. HH: 76 377
15. Saarland: 58 912
16. Bremen: 33 320

Der AfD-Blumentopf gebührt den alten Bundesländern. Im Westen wählten fast vier Millionen Menschen die AfD, im Osten knapp 1,7 MIllionen (Berlin nicht mitberücksichtigt, das ist ja Ost und West). 61 der AfD Bundestagsmandate stammen aus dem Westen, 29 aus dem Osten. Wobei die Ostzahl noch West-Reserven hat. Berlin wurde in dieser Aufzählung der Einfachheit halber dem Osten zugeschlagen, obwohl unter den Berliner AfD-MdBs sicher auch Westgewächse zu finden sind. Auch ist nicht untersucht, wieviele West-Biographien unter den Ost-Abgeordneten der AfD versteckt sind.

Bis 2006 hieß es, 20 Prozent wollen die Mauer zurück. Was Quatsch war. Seit 2006 heißt es, 80 Prozent wollen die Mauer nicht zurück. Was seit 1990 schon so war. Und was das Gleiche ist. Nur die Rethorik wurde verändert. Jetzt wollen also wieder 20 Prozent die Mauer zurückhaben. Der alte Quatsch also, merkt nur keiner.  Leute, das sind Losungen aus der Anstalt.

Gunter Weißgerber (Jahrgang 1955)  trat am 8. Oktober 1989 in das Neue Forum ein und war am 7. November 1989 Gründungsmitglied der Leipziger SDP. Gunter Weißgerber war von 1990 bis 2009 Bundestagsabgeordneter und in dieser Zeit 15 Jahre Vorsitzender der sächsischen Landesgruppe der SPD-Bundestagsfraktion (1990 bis 2005).

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Wolf-Dietrich Staebe / 05.10.2017

Die Herren Kubicki und Lindner dürften jeden Tag eine Kiste Champus bei der AfD-Fraktion abgeben. Ohne die AfD gäbe es die Ein-ein-halb-Mann-Show lange nicht mehr. Die Wähler werden aber ganz schnell merken, dass da, wo FDP draufsteht, Merkel-CDU drin ist. Und Tschüß!

Wilfried Paffendorf / 04.10.2017

Lieber Herr Weißgerber. Danke für die Erinnerung und Klarstellung der Verhältnisse. Tja, so ist das mit dem Unterschied zwischen Prozentangaben und absoluten Zahlen. Wer diesen Unterschied nicht kennt oder intellektuell nichts damit anzufangen weiß, fällt eben prompt auf Propaganda rein, die sich auf bewussten Missbrauch mathematischer Techniken stützt.

Horst Jungsbluth / 04.10.2017

Nicht die AfD, die irgendwann wie ähnliche Protestbewegungen wieder verglühen wird, ist das Problem, sondern die in vielen Bereichen unzumutbaren Zustände in unserem Land, die nicht nur von der Politik, sondern auch von der Verwaltung, der Justiz, den Interessengruppen und den Medien zu verantworten sind. Anstatt sich damit zu beschäftigen, wird wild und geradezu hasserfüllt auf diese eigenartige Bewegung eingeprügelt, die das alles nicht zu verantworten hat und die gerade dadurch weiter Auftrieb erhält. Nun wird dadurch, dass ein paar “Ostmänner” mehr als “Westmänner die AfD gewählt haben, der Ost-West-Konflikt ganz bewusst “angeheizt”, was an Verantwortungslosigkeit nicht zu überbieten ist. Wenn wir vom “dummen Volke” dann noch von unseren Medien damit “beruhigt” werden , dass immerhin 87% demokratisch, also gegen die AfD gestimmt haben,  dann beginne ich zu verstehen, warum unser Land so in Unordnung geraten ist. Die Riesenfehler des Einigungsprozesses waren doch die, dass man den Menschen der DDR nicht von Beginn an über den katastrophalen Zustand reinen Wein einschenkt,  die beabsichtigten Maßnahmen nicht erklärt, die Strukturen der dafür verantwortlichen SED nicht zerschlagen und die Mängel und Defizite in der Bundesrepublik nicht abgestellt hat.

Fritz Kolb / 04.10.2017

Bemerkenswert, das Bayerns AfD-Wähler in Ihrer Hitliste nur knapp hinter NRW liegen, obwohl dort deutlich mehr Menschen leben. Das meint vielleicht auch der Herr Seehofer, wenn er sein “wir haben verstanden” postuliert. Und so gerne es die Westlinken auch hätten, in Bezug auf die Haltung zur aktuellen Politik und zur AfD, passt zwischen Ost-Mann und West-Mann kein Blatt Papier. Außer das die Ost-Männer vielleicht beim Bekenntnis weniger gehemmt sind.

Bernd Naumann / 04.10.2017

Sie verwechseln da was. Früher war die Mauer das Synonym für Sozialismus. Heute steht die Mauer für Ablehnung des Westsozialismus und gegen Massenmigration. Ich bezweifle, dass es nur 20% sind. Ich bin der Überzeugung, dass eine erneute Spaltung Europas entlang der alten Grenzen durchaus im Bereich des Möglichen ist.

Michael Jansen / 03.10.2017

Ist ja auch sehr schwer, die Erfolge der AfD zu erklären. Da bemühen sich in Funk, Fernsehen, Zeitungen und Internet alle Qualitätsmedien, der dummen Bevölkerung irgendwelche konstruierten Gründe darzulegen und angeblich Schuldige zu präsentieren, und das alles nur, weil sie die wahren Ursachen entweder nicht sehen wollen, nicht sehen dürfen oder absichtlich verschweigen. Dabei kann man garantiert bei fast jedem Gespräch über den Gartenzaun, bei der Arbeit oder am Tresen auf Anhieb die Gründe für die AfD-Stimmen erfahren. Die anderen Parteien können sogar von Glück sagen, dass einige AfD-Spitzen durch angebräunte Sprüche im bürgerlichen Lager locker mindestens 5 % verloren haben, während damit ganz rechts bestimmt höchstens 1 % zu gewinnen war, auch wenn von der Konkurrenz jetzt immer behauptet wird, in Deutschland gebe es urplötzlich 13 % Nazis (wieso hatte die NPD dann meist nicht einmal 1 %?).

Rainer Franzolet / 03.10.2017

Stimmt!

Dietmar Schmidt / 03.10.2017

Wen interessieren bei unseren Medien noch die Fakten. Die bringen was sie Glauben und die Wahrheit ist zweitrangig. Eigentlich bei vielen Themen, wenn nicht gar bei allen. Leider bei der Politik auch.

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