Dirk Maxeiner / 14.08.2018 / 12:00 / Foto: Achgut.com / 36 / Seite ausdrucken

Der proaktive Parteiausschluss

Der Wochenanfang bescherte uns zwei Meldungen, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Erstens: „Mit einer Zensur kritischer Kommentare in den sozialen Medien will der türkische Präsident Erdoğan den Verfall der Lira bekämpfen“. Und zweitens: Wegen seines neuen Buches, das Ende des Monats erscheint,  soll Thilo Sarrazins SPD-Mitgliedschaft erneut auf den Prüfstand kommen. 

Was die beiden Vorgänge verbindet: Dem Überbringer einer schlechten Nachricht soll es an den Kragen gehen. Erdogan ist es leid, dass Menschen das Vertrauen in seine von göttlicher Weisheit geprägte Wirtschaftspolitik verlieren. Also werden sie vorab schon mal darauf hingewiesen, dass es besser wäre, den Mund zu halten.

Und die SPD ist es leid, allen voran ihr Wählermagnet Ralf Stegner, dass die göttliche Weisheit ihrer Migrationspolitik in Frage gestellt wird. Erdogans Wirtschaftspolitik und die deutsche Migrationspolitik sind aufgrund höherer Moral unangreifbar. Und die Protagonisten zuverlässig beratungsresistent. Die Lira verlor seit Jahresbeginn – Stand heute – etwa 50 Prozent an Wert, die SPD fuhr ihr schwächstes Wahlergebnis seit 1949 ein. Wetten sollte man auf beide nicht, die SPD arbeitet konsequent am Projekt 15 Prozent.

Sarrazins neues Buch heißt „Feindliche Übernahme. Wie der Islam den Fortschritt behindert und die Gesellschaft bedroht“. Das Buch ist noch gar nicht auf dem Markt, und doch wittert die SPD schon Unrat, weshalb Genossen den Verlag sogar um ein Vorab-Exemplar baten, um zu schauen, ob es nicht „genauso unterirdisch und rassistisch ist wie sein vorletztes Buch, da wir anschließend ein Parteiausschlussverfahren einleiten würden.“ Wie man sieht, gehen die Sozialdemokraten absolut offen und vorurteilsfrei an eine solche Prüfung heran.  

„Warum Maulkörbe so häufig scheitern“

Wikipedia erläutert unter dem Stichwort Zensur, dass bei der sogenannten Vorzensur "Medien, vor Veröffentlichung entsprechenden Institutionen zur Prüfung vorgelegt werden, die dann gegebenenfalls Abänderungen fordern oder das Werk indizieren". Respektive den Autoren aus der Partei rausschmeißen. Vielleicht kann man den entsprechenden Passus bei Wikipedia aktualisieren.

Zum Glück sind der Verfassungschutz und das Bundeskriminalamt nicht SPD-Miglieder und heißen auch nicht Sarrazin, sonst müssten sie aufgrund solcher und solcher Publikationen womöglich sofort aus der SPD hinausgeworfen werden. Da in der SPD-Anfrage vom „vorletzten Buch“ Sarrazins die Rede ist, drängt sich obendrein eine Frage auf. Hat die SPD das letzte Buch von Sarrazin vielleicht nicht gelesen? Oder beschreibt das nach Ansicht der SPD die Lage zutreffend? Wie hieß es noch gleich: „Wunschdenken: Europa, Währung, Bildung, Einwanderung – warum Politik so häufig scheitert.“

Wenn Sarrazin wirklich gemein wäre, dann hieße sein nächster Titel: „Warum Maulkörbe so häufig scheitern“. Der Mann kennt sich mit Statistiken gut aus und könnte beispielsweise darlegen, dass die Verkaufserfolge seiner Bücher und die Wahlerfolge der SPD im umgekehrt proportionalen Verhältnis stehen. Es sind gewissermaßen kommunizierende Röhren: Je mehr die SPD auf Sarrazin eindrischt, desto besser verkaufen sich seine Bücher. Und um so rasanter geht die SPD auf Talfahrt. 

Aber diese Partei ist offenbar nicht mehr praktisch bildbar. Man könnte das ganze ja noch verstehen, wenn die Sarrazin-Schelte der Partei irgendetwas bringen würde. Tut sie aber nicht. Diejenigen, die die SPD ausgemustert haben, fühlen sich einmal mehr bestätigt. Und diejenigen, die ihr noch die Treue halten, fühlen einmal mehr, dass es vielleicht doch Zeit ist, zu gehen. Der letzte macht das Licht aus. In der CDU hat man indes verstanden und lässt schon mal eine Koalition mit der SED-Nachfolgepartei vorbereiten.

Foto: Achgut.com

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Leserpost

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Gernot Radtke / 14.08.2018

In der SPD sollten sie über jeden Sarrazin, also über jeden luziden Geist, der fachlich auf höchstem Niveau parlieren und argumentieren kann, froh und dankbar sein. Statt dessen pinkeln die kleinen SPD-Kläffer und Fresse-Spezialisten ihn immer wieder an. Motto: Unter uns soll niemand der Beste sein. Wenn doch, dann besser woanders. Ab ins Exil mit ihm! Schon trist, in welchem Miefepief sich gut 150 Jahre Sozialdemokratie vom politischen Acker fortschleicht. Man braucht sie gar nicht mal mehr zu scheuchen. Cui bono?

dieter kief / 14.08.2018

“Ähnlich wie Stegner äußerte sich auch die Bundestagsabgeordnete Aydan Özoguz, Mitglied des SPD-Präsidiums, in der “FAS”: “Thilo Sarrazin hat sich längst von sozialdemokratischen Werten verabschiedet. Zum Umgang als Partei mit ihm wird sich das Präsidium befassen.” – So steht es trefflich in der SHZ. Frau Özoguz, da war doch was, ne?  - Ah ja: Das ist doch die Genossin mit der für die SPD sehr, sehr schädlichen Behauptung, die deutsche Kultur gebe es gar nicht, es sei nämlich alles multi-kulti! Jetzt ist auch Frau Özoguz erneut gegen Sarrazin. Diesmal aber richtig: Das allerhöchste “SPD-Präsidium” soll sich “mit ihm” befassen, da wird er mal sehen, wo der Hammer hängt! - Thilo Sarrazin zittert bestimmt schon.

Gudrun Meyer / 14.08.2018

Eine CDU-Linke-Koalition ist in der Tat weit gefährlicher als das Pfeifen im Walde gegen Sarrazin. Die SPD hat fertig wie die Flasche leer, und sie gibt sich redliche Mühe, 2021 die 5 %-Hürde zu knacken. Bei Erdogan wird nicht die Finanzpolitik besser, sondern die Zensur schärfer. In Wir-schaffen-das-Land ist die Massenzuwanderung ganz einfach Tatsache; niemand in der Chefetage versucht, etwas daran zu ändern. Seehofer macht mit seinem gelegentlichen Gepolter nichts anderes als französische Präsidenten der 1980-er Jahre. Markige Worte, weitere Aufnahme einer Invasion. Leider ist schon egal, ob man die Scharia-Polizei in Wuppertal oder sonstwo als kulturelle Bereicherung oder als Teilung des staatlichen Gewaltmonopols sieht. Solange eine Scharia-Polizei hauptsächlich Muslime schikaniert und aus Gründen der Toleranz und Vielfalt nicht erwähnt werden darf, ist der weitere Absturz des Landes garantiert. Das ist sehr viel gefährlicher als ein Versuch zur Vorzensur, der an einem sehr bekannten Autor scheitern muss, solange es die Islamische Republik Almanya noch nicht gibt.

Bernd Ufen / 14.08.2018

Herrliche Zustandsbeschreibung der gegenwärtigen Verhältnisse in der Politik, da macht das Lesen so richtig Spaß, auch wenn der Hintergrund eigentlich traurig ist. Ich wünsche dem Buch den bestmöglichsten Erfolg und möge es alle Bestsellerlisten anführen. Und wenn Thilo Sarrazin nicht nur wirklich gemein, sondern mal richtig gemein wäre, würde das nächste Buch dann “Warum die SPD so häufig scheitert”  heißen.

Herbert Müller / 14.08.2018

Malu Dreyer, eine wichtige Person innerhalb des SPD-Parteigefüges, ist angetreten, um Islamophobie zu bekämpfen. Da muss die SPD ein solch islamrassistisches Buch und seinen Autor doch bekämpfen. Was würde sonst Frau Dreyer sagen? Also raus mit ihm aus der islamaffinen SPD.

Frank Holdergrün / 14.08.2018

Perfekte Analyse! Die SPD könnte nur als “Sarrazin Partei Deutschlands” überleben, erste Stimmen in diese Richtung gibt es schon. Aber die aktuelle und wohl nur temporäre Führerin der SPD und ihr Konteradmiral Stegner werden das zu verhindern wissen, die Selbstzerstörung nimmt Fahrt auf. Oh Allah, lass sie wenigstens an Egon Bahr denken, der dies sagte: “In der internationalen Politik geht es nie um Demokratie oder Menschenrechte. Es geht um die Interessen von Staaten. Merken Sie sich das, egal, was man Ihnen im Geschichtsunterricht erzählt.” Oder an Helmut Schmidt:  “Die multikulturelle Gesellschaft ist eine Illusion von Intellektuellen.”

Marcel Seiler / 14.08.2018

Die SPD steht hier nur stellvertretend für die ganze politische Klasse, die es fertiggebracht hat, die Wahrheit aus ihren Parteien rauszuschmeißen.

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