Annette Heinisch / 28.06.2017 / 06:08 / Foto: Pink Sherbet / 41 / Seite ausdrucken

Der Placebo-Wahlkampf: Die Ehe ist für alle da!

Von Annette Heinisch.

Plötzlich und unerwartet ist die „Ehe für alle“ zum Wahlkampfhit geworden. Ohne erkennbaren äußeren Anlass wird sie zu der Bedingung einer Koalition schlechthin gemacht, ohne die mit den Grünen, der SPD und nun auch der FDP nichts gehen soll. Warum eigentlich? 

Es geht mir gar nicht um das Für und Wider dieser Frage; es ist auch egal, wie wichtig auf einmal die Ehe ist, die bis vor Kurzem doch nur etwas für Spießer war. Angesagt war das Zusammenleben ohne Trauschein, nun ist es genau anders herum, alle sollen heiraten. Der maßgebliche Punkt ist, dass diese Frage für Koalitionen entscheidend sein soll. Da frage ich mich: Haben wir keine anderen Sorgen? Gibt es wirklich keine Probleme, die dringender und wichtiger sind? 

Darf ich nur ganz beiläufig den steigenden Migrationsdruck in Erinnerung bringen, von dem wir nur einen kleinen Vorgeschmack erleben durften? Wie wollen wir dem begegnen? Wollen wir unsere Grenzen schützen - dass wir das können, steht außer Frage - oder wollen wir in grenzenloser Freiheit leben mit allen Konsequenzen?

Es gibt da auch noch ein klitzekleines Zinsproblemchen. Wenn die Zinsen wieder steigen, dann bekommen verschuldete Staaten und Privathaushalte Probleme, weil sie die erhöhte Zinslast nicht schultern können. Das kann zu Schieflagen bei Staaten und Privathaushalten mit sinkender Nachfrage führen. Steigen die Zinsen nicht, bekommen wir überall sogenannte Blasen, sei es am Anleihen -, Aktien – oder Immobilienmarkt. Die Überhitzung ist in Teilen schon gut sichtbar. Also müssen die Zinsen steigen. Eigentlich.

Ohne eine wählbare Alternative nützt Kritik nichts

Es ist die typische Zwickmühle vor allem im Euro-Raum, in dem unterschiedlich strukturierte Gesellschaften und Staaten unter dem Dach einer Währung vereint sind. Maßnahmen, die für das eine Land gut  sind, sind für das andere Land schlecht. Um diesem Problem zu begegnen, soll nun im Euro-Raum noch enger zusammen gearbeitet werden. Ist das wirklich sinnvoll? Wie steht es mit der ganz unterschiedlichen Auffassung von Wirtschafts– und Finanzpolitik, der Rolle der Zentralbanken und vielem mehr?

Was ist mit China? Keiner kann die Wirtschaft dort wirklich einschätzen, denn nachprüfbare und verlässliche Zahlen gibt es nicht. Kommt aber China in Schieflage, hat das erhebliche Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. 

Daneben gibt es noch unzählige andere Krisen in der Welt, wir stehen zudem vor einer großen Transformation der Wirtschaft hin zu mehr Robotik, was wiederum enorme Auswirkungen auf die Gesellschaft und auch Sozialsysteme haben wird, die allerdings ohnehin so nicht überlebensfähig sind. In Zeiten, in denen wir in sehr speziellen Gebieten Fachkräfte benötigen, wird demgegenüber die Bildung qualitativ immer schlechter und vor allem fehlgeleitet: Fast nichts von dem, was wir brauchen, wird in Schulen überhaupt gelehrt.

Und dann gibt es offenbar nichts Wichtigeres als die Ehe für alle? Ernsthaft? Da kann man nur sagen „Thema verfehlt“.  Ganz ehrlich: Bei solch einer Konkurrenz braucht die CDU keinen Machtverlust zu fürchten. Im Gegenteil, Nachdem sich alle möglichen Koalitionspartner mit der gleichen Forderung austauschbar gemacht haben, haben sie ihre Bedeutung vermindert.

Aber das ist das eigentliche Problem: Es gibt keine ernst zu nehmende politische Konkurrenz. Anders als Trump, Macron oder Kurz, die zeigen zumindest Alternativen auf und schaffen damit den nötigen Konkurrenzdruck. Und wir? Wen haben wir? Niemanden.

Ohne eine wählbare Alternative nützt aber Kritik nichts, denn Worte ohne Taten sind nutzlos. 

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Günter Schaumburg / 28.06.2017

Ich habe eine Stubenfliege, und die heißt Puck. Ich liebe sie sehr. Ich begrüße es, dass im Wahlblabla aller linken Parteien die Ehe für alle steht. Nun kann ich meinem Puckilein endlich einen Heiratsantrag machen.Und Ehegattensplitting soll es auch noch geben! Schön, dass ich in Deutschland leben darf...

Gertraude Wenz / 28.06.2017

Der Hype um das Thema "Ehe für alle" ist eine Vernebelungstaktik, die von anderen, wichtigeren Fragen (Migration) ablenken soll. Das Manöver ist so durchsichtig, dass man sich fremdschämen muss. Es ist so, als ob man auf der untergehenden Titanic diskutiert, ob die Bodenbeläge ausgetauscht werden sollten.

Stephan Reichelt / 28.06.2017

Politische Konkurrenz gibt es schon, nur wurde diese in einer bis dato in der Bundesrepublik einzigartigen antidemokratischen Kampagne partei- und medienübergreifend diffamiert und denunziert. Drastisches Beispiel dazu aktuell das speziell auf die AfD maasgeschneiderte verfassungs- und grundgesetzfeindliche Netzwerkdurchsetzungsgesetz. Nicht weniger antidemokratisch die "AfD-Mobbing-Fibel" von ver.di, mit rund zwei Millionen Mitgliedern Deutschlands zweitgrösste Gewerkschaft. Ein solcher Skandal hätte in einer demokratisch-pluralistischen Gesellschaft für einen Aufschrei in den Medien gesorgt, der noch über einen langen Zeitraum Diskussionsrunden nach sich gezogen hätte. Aber in Deutschland? Bis auf lautes Schweigen von Seiten der ansonsten so empörten und moralisierenden ÖR- und Mainstream-Medien nichts zu hören.Genau da liegt auch der Unterschied zu Trump, Macron oder Kurz: In deren Ländern gibt es eine funktionierende pluralistische Medienlandschaft, die im Gegensatz zum deutschen Mainstream abweichende Postionen sichtbar macht und auch die Menschen erreicht. Mit "Tichys Einblick" und der "Jungen Freiheit" gibt es in Deutschland aktuell bestenfalls zwei ernstzunehmende kritische Wochenzeitungen, die von der Auflage her allerdings nicht ansatzweise so viele Menschen erreichen. Selbst wenn man aus gutem Grund kritisch zu einzelnen AfD-Politikern stehen kann, sollte man aus purem Pragmatismus hoffen, dass die AfD mit einem zweistelligen Ergebnis in den nächsten Bundestag einzieht. Je länger die Opposition unterdrückt wird und die für den sozialen Zusammenhalt in Deutschland entscheidenden Massnahmen in der Einwanderungs- und Sozialpolitik vermieden werden, desto schlimmer werden die Folgen für Deutschland in der Zukunft sein.

Tomas Poth / 28.06.2017

Ist die "Ehe für Alle" tatsächlich eine Mehrheitsposition in der Bevölkerung? Oder sind es nur "treibende Kreise" innerhalb der Parteien die hier ein Vorführ- und Machtspiel betreiben mit dem sie letztlich nur ihren "Arsch" in den nächsten Bundestag retten wollen. Es fehlt im jetzigen Bundestag eine echte Opposition zur Bundeskanzlerin. Sie regiert quasi als "sozialistische Einheitsparteikanzlerin" indem sie auch politische Ziele der anderen Parteien im Bundestag Geltung verschafft. Die CDU/CSU versklaven sich, für die Position "Regierungspartei", hier gegenüber der Kanzlerin.

Robin Schürmann / 28.06.2017

Dass die Autorin die Existenz AfD nicht erwähnt, wird der aktuellen Bedeutung dieser "Alternative" offenbar gerecht. Leider.

Martin Lederer / 28.06.2017

Es gibt eine Alternative. Aber die will scheinbar keiner wählen. Dann bekommt halt der Dumm-Michel, der "gut sein will", was er verdient.Scheinbar geht es den Leuten noch zu gut?

Sepp Kneip / 28.06.2017

Das Problem unserer derzeitigen politischen Situation ist in der Tat das Fehlen einer ernsthaften Opposition. Das führt dazu, dass Rand- und Augenblicksthemen im Wahlkampf hochgespielt werden, während die Zukunft regelrecht verzockt wird. Schuld ist das System Merkel, das alle Themen von links bis rechts besetzt und daher jede Oppopsition kastriert. Da aber die SPD und die anderen "Etablierten" unfähig sind, sich gegen Merkel mit Themen zu profilieren, die die eingeschläfterte Wählerschaft wachrütteln könnte, wird plötzlich die "Ehe für alle" zur Schicksalsfrage der Nation erhoben. Das Hochjubeln einer solchen, auch dem Grundgesetz zuwider laufenden, Nebensächlichkeit zeigt die Unfähigkeit unseres politischen und medialen Establishments, das Land in eine lebenswerte Zukunft zu führen. Die einzige Opposition, die sich so nennen kann, wird parteiübergreifend zerstört, sie als rechtsradikal diffamiert, wobei man sich aber nicht schämt, deren Themen als die eigenen zu verkaufen. Wenn die SPD aber glaubt, ihr Umfragetief damit verlassen zu können, indem sie die Stimmen der Schwulen und Lesben an sich zieht, könnte das eine Fehlkakulation sein, da diese die AfD ohnehin nicht wählen. Es könnten ihr aber viele Stimmen abhanden kommen, die gegen die Ehe für alle sind. Wie verzweifelt ist man in der SPD?

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