Fritz Vahrenholt, Gastautor / 10.08.2023 / 10:00 / Foto: Pixabay / 56 / Seite ausdrucken

Der pädagogisch unerwünschte Ausbruch des Hunga-Tonga

Der Ausbruch des Unterwasser-Vulkans Hunga-Tonga beförderte 2022 gigantische Mengen von Wasserdampf in die Atmosphäre – das mit Abstand wichtigste Treibhausgas des Planeten. Das wirkt sich mit Verzögerung jetzt möglicherweise in den globalen Temperaturen aus – die offizielle Klimaforschung verliert kein Wort darüber.

Am 15. Januar 2022 ereignete sich die Eruption des unterseeischen Vulkans Hunga-Tonga im Südpazifik nahe dem Tonga-Archipel. 146 Milllionen Tonnen Wasser wurden bis 40 Kilometer in die Stratosphäre hochgeschleudert. Der Wasserdampf, das mit Abstand bestimmende Klimagas unserer Erde, erhöhte sich in der Stratosphäre um 10–15 Prozent. Nach Angaben der NASA ist die Hunga-Tonga-Explosion die größte bekannte Wassereruption in die Stratosphäre.

Normalerweise schießen Vulkane wie der Pinatubo Asche und Schwefelverbindungen in die Atmosphäre und führen dadurch zu einer Abkühlung. Der Hunga-Tonga liegt 150 m unter der Wasseroberfläche und hat daher hauptsächlich Wasser hochkatapultiert. Wasserdampf in der Stratosphäre führt zu einer Temperaturerhöhung. Der Wasserdampf  verteilt sich aufgrund fehlender Windströmungen in der Stratosphäre langsam, sodass die Spitze der Temperaturerhöhung 1 bis 2 Jahre nach dem Ereignis, also in diesem Jahr, zu erwarten ist.

Nach Susan Solomon, Stratosphärenphysikerin des US-amerikanischen MIT, wird die globale Temperatur 3 bis 5 Jahre lang um etwa 0,05°C erhöht. Ebenfalls wird in den nächsten fünf Jahren der Niederschlag auf die Erde vergrößert. Bei einem durchschnittlichen Anstieg der Temperatur der letzten 40 Jahre von 0,014 Grad Celsius pro Jahr wird der Anstieg durch Hunga-Tonga etwa verdoppelt.

Inwieweit die Veränderung der Stratosphäre den Jetstream und die dadurch entstehenden blockierten Wetterlagen beeinflusst, wäre eine interessante Aufgabe für unsere Wetterforscher. Nimmt man hinzu, dass sich im Sommer 2023 ein neuer El Niño im Pazifik gebildet hat, der üblicherweise die globalen Temperaturen (siehe 1998, 2010, 2016 im obigen Diagramm) um 0,3 bis 0,5 Grad Celsius erhöht, sind die Juni- und Juli-Rekordtemperaturen auf natürliche Weise (ohne CO2) erklärbar.

Stattdessen erwischte uns eine Lauterbachsche Hitzetoten-Erklärung aufgrund des CO2-bedingten Klimawandels. Kein Wort über El Niño oder Hunga-Tonga in den Nachrichtensendungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Es hätte wohl das schrille CO2-Narrativ Anfang Juli zu sehr gestört, wenn auf natürliche Ursachen einer Wetterveränderung hingewiesen worden wäre. (Lauterbach: „Der Klimawandel zerstört den Süden Europas. Eine Ära geht zu Ende.")

Rückgang der Wolken führt zur Erwärmung

Ich hatte vor knapp zwei Jahren über eine peer-reviewed Veröffentlichung von Hans-Rolf Dübal und mir in Atmosphere über die Erhöhung der globalen Sonnenscheindauer und den Rückgang der Wolken berichtet. Danach ist die Erwärmung der Erde in den letzten 20 Jahren im Wesentlichen auf eine höhere Durchlässigkeit der Wolken für die kurzwellige Sonneneinstrahlung zurückzuführen. Aufgrund der Strahlungsdaten des satellitengestützten CERES-Projekts der NASA konnten wir feststellen, dass die langwellige Rückstrahlung (der sogenannte Treibhauseffekt) in diesen 20 Jahren nur zu einem geringeren Teil zur Erwärmung beitrug. Zu ähnlichen Ergebnissen kam ein Team der NASA-Forscher um Norman Loeb.

Eine Diskussion unter Klimawissenschaftlern über dieses überraschende Ergebnis fand noch nicht statt. Nun haben wir – zwei Jahre später – die neuesten Satellitendaten ausgewertet und stellen fest, dass der Rückgang der Wolken anhält und den wesentlichen Teil der Erwärmung ausmacht. Dies gilt auch für Europa. Im Rahmen des Copernicus-Programms der EU wurden die Sonnenscheindauer und die Wolkenbedeckung in Europa mit folgenden beeindruckenden Ergebnissen ermittelt: Über 250 Sonnenstunden mehr pro Jahr in den letzten Jahren gegenüber den 80er Jahren bleiben nicht ohne Folgen.

Die Temperatur nimmt mit der Sonnenscheindauer zu. Vergleicht man die Sonnenscheindauer mit der Temperaturänderung in Europa, so ist eine sehr große Übereinstimmung feststellbar. Was sind die Ursachen der Wolkenverdünnung? Hier kommen im Wesentlichen zwei Faktoren infrage:

1. der Rückgang der Aerosole (Staubpartikel) aufgrund der Luftreinhaltung in den letzten 30 Jahren. Aerosole können die Wolkenbildung begünstigen. Saubere Luft könnte dazu geführt haben, dass die Bildung niederer Wolken zurückgegangen ist.

2. Die seit 1985 festzustellende Erwärmung des Atlantiks aufgrund der atlantischen dekadischen Oszillation (AMO), die in einem 60-jährigen Zyklus zwischen Wärme- und Kälteperioden schwingt. Die Korrelation ist hoch.

In Anbetracht der offenen Fragen erschreckt die Rigidität der Klimapolitik

Welchen Anteil an der Erhöhung der Sonnenscheindauer der Rückgang der Aerosole und/oder die zyklische AMO haben, wird sich in den nächsten Jahren herausstellen. Natürlich könnte auch das CO2 über seinen Erwärmungseffekt zum Wolkenrückgang beigetragen haben. Aber auch dann bleibt festzuhalten, dass nicht die Zunahme der durch CO2-bedingten langwelligen Rückstrahlung der wesentliche Grund für die  Erwärmung der letzten 20 Jahre war, sondern die Zunahme der direkten Sonneneinstrahlung aufgrund des Rückgangs der Wolkenbedeckung. Warum geben die Klimamodelle, die die politische Debatte prägen, dies nicht zuteffend wieder?

In Anbetracht der offenen Fragen über den Anteil des CO2 an der Temperaturerhöhung der letzten 20 Jahre muss man über die Rigidität und Rücksichtslosigkeit erschreckt sein, mit der die deutsche und europäische Politik eine Netto-Null-Politik für CO2 im Alleingang betreibt und damit die Zerstörung des Wohlstands in Kauf nimmt.

Politik definiert sich zunehmend als Klimapolitik. Daher tragen Klimaforscher eine hohe Verantwortung in unserem Land, in dem sie wie in kaum einem anderen Land einen hohen politischen Einfluss haben. Dabei wird wenig beachtet, dass Klimaforscher sich aufgrund der medialen Nachfrage aufs dünne Eis gesellschaftpolitischer Ratschläge begeben.

So war in den heißen Tagen des Julianfangs der Klimaforscher Mojib Latif ständiger Gast auf allen öffentlich-rechtlichen Kanälen. Er meinte darauf hinzuweisen, „wenn sich das Klima immer weiter ändert, können Sie den Wohlstand auch vergessen. Dann funktioniert nichts mehr auf der Welt... Dabei habe die nächste industrielle Revolution bereits begonnen... Es wird auch um erneuerbare Energien gehen.“ Deutschland könnte aber das Nachsehen haben: „Die Chinesen zum Beispiel sind viel schneller als wir. Wir laufen Gefahr, die neuen Märkte zu verlieren."

Mühlstein der höchsten Strompreise der Welt

China als Beispiel – ist Herrn Latif entgangen, dass Chinas Marktführerschaft bei Solarzellen, Windturbinen, Batterien und Elektroautos, mit denen sie demnächst Europa überschwemmen werden, im Wesentlichen bedingt ist durch die Erzeugung billigen Stroms auf Basis von Kohle und Kernenergie? Die CO2-Emissionen Chinas steigen dramatisch, die in Europa sinken bei Strafe des wirtschaftlichen Untergangs. Wie wäre es mit der Idee, dass Europa bei den Gütern, bei denen wir im harten Wettbewerb mit China stehen, die CO2-Emissionen nur insoweit zu reduzieren, wie dies auch China – mit Abstand die größte Exportnation der Erde – zu tun bereit ist?

Die Politik in Deutschland hat der Industrie und den Bürgern den Mühlstein der höchsten Strompreise der Welt um den Hals gehängt. Deutsche Industriestrompreise sind dreimal so hoch wie in China aufgrund der hohen europäischen CO2-Zertifikatskosten, des Ausstiegs aus der Kernenergie und des hohen Anteils an Erneuerbaren Energien hierzulande. Wenn dann ein Klimawissenschaftler bemängelt, dass wir nicht so erfolgreich und kostengünstig sind wie China, frage ich mich, wie gut dieser Mann die vier Grundrechenarten beherrscht.

 

Fritz Vahrenholt ist Honorarprofessor an der Universität Hamburg im Fachbereich Chemie und war bis 1997 Umweltsenator der Freien und Hansestadt Hamburg. Von 1998 bis 2013 war er in Vorstandsfunktionen im Bereich der Erneuerbaren Energien bei der Deutschen Shell AG, der Repower Systems AG und der RWE Innogy. Er war bis Ende 2019 Alleinvorstand der Deutschen Wildtier-Stiftung. Sein aktuelles Buch trägt den Titel „Die große Energiekrise und wie wir sie bewältigen können“.

Foto: Pixabay

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Leserpost

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Sebastian Weber / 10.08.2023

peng - Treffer - versenkt. Aber Mojib Latif ist im öffentlich-rechtlichen TV nun mal sakrosankt - selbst Herr Lanz kuscht vor ihm und liefert ihm eine Vorlage nach der anderen, die M L. dann genüsslich versenkt.

Ilona Grimm / 10.08.2023

Warum ist dann so kalt und nass? Frage für eine Freundin.

Werner Blumenreuter / 10.08.2023

@ H. Hoffmeister Die Zusammenhänge werden, außer von den grünen Vorreitern, noch nicht richtig erkannt. Durch den Wirkungsgradverlust von 75% der Wasserstoffwirtschaft wird entsprechend Wärme direkt in die Atmosphäre abgegeben, und somit der beginnenden Eiszeit entgegengewirkt. Lokal denken, global handeln. So einfach ist das.

HaJo Wolf / 10.08.2023

“Klimaforscher” wie Latif, Ramstorf oder der selbsternannte Alleswisser Lesch, der inzwischen fast täglich seinen Senf über die ö.r. Kanäle ergießt, sind Lügner, Leute, die wissentlich und vorsätzlich Unwahrheiten verbreiten, weil sie dafür fürstlichst entlohnt werden. Aber das dumme Volk glaubt ihnen…

Reinmar von Bielau / 10.08.2023

Lieber Fritz, wir haben uns einmal während deiner Amtszeit als Umweltsenator kennen gelernt. Ich war damals noch ein relativ junger Genosse (heute Ex). Ich bin immer wieder positiv überrascht über die guten Sachbeiträge, die du veröffentlichst. So auch hier. Die momentane Wissenschaft übt sich in vorauseilendem Gehorsam und gezieltem Weglassen von Informationen. Und selbst das wird dann von der ÖRR Presse noch einmal im Sinne des Dogmas gerade gezogen. Es ist eine Schande!

Chr. Kühn / 10.08.2023

Ich bin für Tambora 2.0.  Der große Krakatau-Ausbruch ist gerade mal 140 Jahre her, in geologischen Zeiträumen also vorgestern Nachmittag. Die Eifel ist noch nicht ganz erloschen, und würde die heute mal, wie sie es früher tat, na, da wäre das Ahr-Tal ein Klacks dagegen (und danach nur noch ein Kleks). Die Phlegräischen Felder sind auch nicht ganz ohne, die Energie dort reicht, um eine Million neapolitanische Pizzaöfen eine Million Jahre lang zu befeuern; oder in den heutigen Zeiten, eine Million Neapolitaner zu verfeuern, sollten die sich nicht rechtzeitig aus dem Staub. Macht nix, das Ausgraben besorgen und finanzieren die Deutschen… Pinatubo 1991, ja der hat mal a bisserl was am Klima gedämpft, aber das war nach ein paar Jahren wieder vorbei, so wie es auch beim Hunga Tonga etc. jetzt sein wird. Irgendwie merkwürdig, daß man (m/w/d) von diesem größten Ausbruch seit dem vorgenannten Pinatubo, und somit des bisherigen Jahrhunderts, so wenig mitbekommen hat. Die Aufnahmen der phreatomagmatischen Ausbrüche vor dem großen Knall (als der Vulkan noch Insel war, bevor er sich selbst in die Luft sprengte) sind schon SEHR beeindruckend. Aber als Vulkanologe bin ich vielleicht auch etwas voreingenommen…wie gesagt, ich bin für Tambora 2.0. Oder Laki 2.0 für unsere Breiten- und Längengrade.

Rudi Hoffmann / 10.08.2023

Mein Verständnis von Wasserdampf ist unter anderem auch Nebel , der die Sonne verdunkelt und dann wird es kühler !  Das kann man in der Nähe von Kühltürmen beobachten !  Kondensiert der Nebel zu Regen und es wird wieder klar, dann   erwärmt die Sonne wieder .

Sam Lowry / 10.08.2023

“Wetterforscher”... sie können nichtmal das Wetter am nächsten Tag voraussagen… gestern Sonne, angesagt waren Regen plus Gewitterwarnung… lol

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