Der Osten hat den Westen abgewählt

Ohne Merkel würde die deutsche Parteienlandschaft anders aussehen. Merkel war das personalisierte Sedativum. AfD und BSW sind die Geschöpfe von Merkels desaströser Flüchtlingspolitik und ihrer Unfähigkeit zu Fehlerkorrektur und Debatte.

In der DDR ist Angela Merkel nie eine Oppositionelle oder ausgewiesene Bürgerrechtlerin, besonders mutig, ausgesprochen unangepasst oder gar rebellisch gewesen. Möglicherweise hat gerade das Helmut Kohl bewogen, Merkel nach der Vereinigung in sein Kabinett aufzunehmen, um über sie Ossis zu integrieren, die ja in ihrer Mehrheit keine Oppositionellen oder Bürgerrechtler gewesen sind. Mit Merkel im Kabinett konnte Kohl signalisieren: Schaut her, wir gehören jetzt zusammen. Das war strategisch nachvollziehbar, ging aber spätestens in Merkels zweiter Amtszeit in die Hose, als Merkel begann, jede Debatte zu unterbinden und im Keim zu ersticken, anders gesagt: Osten im Westen zu spielen. Merkel war das personifizierte Sedativum. Als einer der ersten hat das 2009 Maxim Biller in der FAZ ausgesprochen.

Die Ergebnisse der letzten Landtagswahlen im Osten sind Ausdruck eines 15 Jahre währenden Niedergangs des Westens, der vermeidbar war. Nancy Faeser oder Lisa Paus, Kevin Kühnert oder Ricarda Lang, Marco Buschmann oder Olaf Scholz, sie alle erinnern mit ihrem Verhalten der Realitäts- und Gesprächsverweigerung, dem autoritären, manchmal ins Totalitäre abgleitenden Stil, ihrer Unfähigkeit, anders als floskel- und phrasenhaft zu reden an die nach immerhin vierzig Jahren beendete dritte deutsche Republik.

In einem lichten Moment erklärte Merkel 2004 Multikulti, dass heißt ethnisch-kulturelles Gruppendenken, für gescheitert. Das war vor zwanzig Jahren. Und was hat sich bislang bei Fragen nach Integrationsdefiziten unter Einwanderern aus islamisch geprägten Ländern getan, die immerhin ein Problem in ganz Westeuropa sind, in Dänemark, Schweden, Niederlanden, Belgien, Frankreich, Großbritannien? Hat Merkel etwa Necla Kelek, Seyran Ates, Hamed Abdel-Samad, Ahmad Mansour, Ali Ertan Toprak, Lale Akgün, Ralph Ghadban et al gestärkt, die auf das eigenverantwortliche Individuum setzen? Eben! Unter Merkels Regentschaft kamen Leute wie Ferda Ataman, Lamya Kaddor, Aydan Özoguz oder Kübra Gümüsay ganz groß raus.

Schließlich hatte Erdogan 2008 Assimilation zum „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ erklärt und sich zwei Jahre später über Merkels Ablehnung, in Deutschland türkische Schulen und Universitäten zu errichten bitterlich beklagt, weil der darin zum Ausdruck kommende Hass der Kanzlerin auf die Türkei Ausmaße angenommen habe, die man nicht mehr tolerieren könne. Logisch, dass man dann erstmal die Generalissima („Hört auf zu fragen“) und die Islamistin umarmt und Spielverderbern wie Sarrazin vors Schienbein tritt, anstatt Debatten und Kontroversen zu eröffnen. Den Vorteil, den Deutschland damals mit seiner überwiegend türkischen Einwanderung hatte, hat Merkel gedankenlos verspielt, als sie im Frühherbst 2015 die Grenzen nach der Aufnahme der 2000 arabischen Zuwanderer aus dem Budapester Bahnhof nicht sofort schloss. Denn wir hatten schon damals eine unterdrückte Islam- und Integrationsdebatte, Clan-Kriminalität, zu wenig Wohnungen und zu wenig Personal in Krankenhäusern, an Schulen, in Kitas, in Behörden und bei der Polizei, eine teilweise marode Infrastruktur und keine Idee, wie man das alles angehen sollte.

Eine potentielle Energiekrise war vorprogrammiert

2008 fiel Wladimir Putin in Georgien ein und 2014 besetzte er die Krim. Mit dem Atomausstieg hatte Merkel Deutschland von russischem Gas abhängig gemacht. Ihren politischen Handlungsspielraum gegenüber Putin hat die Kanzlerin ohne Not verengt. Was Polen und die baltischen Staaten redeten, war völlig egal. Und was Osteuropahistoriker wie Karl Schlögl und andere Putin-Kritiker sagten, auch. Eine potentielle Energiekrise war vorprogrammiert.

Das Konzept, selbst extrem Rechtskonservative als „Beiboote“ einzubinden und unter Kontrolle zu halten, wie es die CDU seit Adenauer und Franz Josef Strauß klugerweise praktiziert hatte, hat Merkel entweder nicht verstanden oder aber mit Kalkül ruiniert, um sich eine persönliche Hausmacht innerhalb der CDU aufzubauen und innerparteiliche Machtkämpfe und Kontroversen zu vermeiden. Jetzt ist nicht nur einfach dieser Teil der CDU ausgetreten, bei der AfD aktiv oder als freier Radikaler unterwegs, auch die entsprechende Wählerschaft ist der Partei abhanden gekommen. Die opportunistische Anpassung an den grünen Zeitgeist, der die CDU unnötigerweise ideologisierte, hat der CDU nichts genützt und schadet ihr heute.

Die Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen dokumentieren auch den Vertrauensverlust der inzwischen erwachsen gewordenen Ossis in die CDU. Aus Furcht, sie könnten mit der Wahl der CDU das Modell Hendrik Wüst und Daniel Günther einkaufen, wählten vermutlich nicht wenige Sachsen und Thüringer die AfD und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das uralte Modell einer sozialistischen Kaderpartei, die keine Basis hat und auch keine braucht. Das BSW will weder in Thüringen noch in Sachsen regieren. Wagenknecht braucht die Landtagswahlen nur als Durchlauferhitzer für die Bundestagswahl, so, wie sie die Europawahlen für Thüringen und Sachsen benötigte. Das ist durchdacht.

Jedes Land braucht Liberale

Und all das nur, um einen grundlegenden Wandel in der Asylpolitik herbeizuführen, der ohne die Flüchtlingskrise von 2015 und Merkels beharrlicher Weigerung, den Fehler der offenen Grenzen einzugestehen und zu korrigieren, nicht notwendig gewesen wäre. Noch nie dienten Landtagswahlen der bloßen Schadensbegrenzung von zehn Jahre zurückliegenden Fehlern, die auf der Bundesebene begangen wurden! Angela Merkel und ihre Fans haben selbst das geschafft.

Ohne Merkel wäre die AfD längst Geschichte und das BSW gar nicht erst entstanden. So gesehen haben Merkel und ihre innerparteilichen Fans das bundesdeutsche Parteiensystem geschreddert. Um nicht falsch verstanden zu werden: Alle Parteien haben ein Ablaufdatum! Es ist gut, wenn ab und an neue entstehen und alte vergehen. Das war aber hier gar nicht der Fall. AfD und BSW sind die Geschöpfe von Merkels in jeder Hinsicht desaströser Flüchtlingspolitik und ihrer Unfähigkeit zu Fehlerkorrektur und Debatte. Dass die Grünen, deren Politik Merkel seit dem Atomausstieg systematisch betrieben hat, nichts korrigieren würden, liegt in der Natur der Sache. Dass eine durch ihre katastrophale Personalpolitik (Esken, Kühnert, Wiese etc.) auf den Hund gekommene einstige Arbeiterpartei das nicht tun würde, war seit dem Ausschluss Thilo Sarrazins gebucht. Und zur FDP fällt mir nichts mehr ein. Schade, denn jedes Land braucht Liberale.

Ich habe selbst Wessis unter meinen Freunden sagen hören, dass Merkel für Stabilität gesorgt hätte. Das hat mich schon ein bisschen verwundert, denn um das geräuschlose Funktionieren von Merkels Machttechnik, das ohrenbetäubende Schweigen, das Aufschieben und Verschleppen nötiger Reformen und die quälende Dürftigkeit der wenigen zugelassenen Diskussionen für etwas anderes als erzwungenes Dösen und spätnachmittägliches Dahindämmern zu halten, wie es für die letzten Jahre der DDR so typisch gewesen ist, fehlte es mir dann doch an Fantasie.

Der Osten hat den Westen letzten Sonntag abgewählt. Eleganter als Angela Merkel hätte man das gar nicht machen können.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf sylke-kirschnick.de

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Sylke Kirschnick hat über Orientalismus, deutsche Kolonialgeschichte, jüdische Schriftsteller und Judenfeindschaft geschrieben

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Leserpost

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Ulla Schneider / 13.09.2024

Es fing mit der Abschaffung der Deutschen Mark an. Punkt! In der Afd sind Menschen unterschiedlicher ehemaliger Parteienwähler. Manche 20 und mehr Jahre in denselbigen Parteien gewesene Mitglieder, sogar Abgeordnete oder wie jetzt zusätzlich Jüngere. Es ist einfach Zeit: drei Hansels haben die Spd angeschliffen und Olaf gibt den Rest mit seinen zwei Debütanten. Die Cdu, guckt euch nochmal das Interview mit Gaus an, eine Sternstunde, war da schon fertig, und zwar ab dem Moment, als die Treuhand das Schwert schwang.  Die Mitteldeutschen begriffen gar nicht, was mit ihnen geschah. Ich bin 94 in MeckPom deswegen noch ausgelacht worden. Auch ein Herr Merz hat, trotz Tritt, alles mitgetragen Die Fdp schleift gerade ihre Mitglieder in den Abgrund.  - Die Grünen waren schon ganz früh hinüber, zu dem Zeitpunkt, als die Nachfahren der unterschiedlichen KPs ihre Füße drin hatten .  - Und da wundert man sich??

Ottmar Zittlau / 13.09.2024

Einen kleinen Einwand zur recht guten Analyse habe ich: Frau Merkel war diejenige, die jede Woche intern gehaltene und in Auftrag gegebene Umfragen in die aktuelle Politik überführt hat! Ein besonderes Beispiel war der Atomausstieg nach Fukushima, wo sie sofort die Stimmung des “Volkes” (mit Hilfe der Medien!) in aktuelle Politik verwandelte! Gleichzeitig, aber geschickt, war auf der anderen Seite die berühmt berüchtigte Alternativlosigkeit! Letztendlich ist aber die merkelsche Kanzlerschaft über die Jahre der finanziellen Schwäche der 4. Gewalt und der eingelullten Wählerschaft zu verdanken - das Aufwachen hat erst vor einem Jahr begonnen, die Zukunft der politischen Akteure bleibt spannend!

Robert Bauer / 13.09.2024

Frappierende Ähnlichkeit mit Howard Carpendale. Aber er singt besser.

Lutz Liebezeit / 13.09.2024

Die eigentliche Unverschämtheit ist, daß eine “Begrenzung der Zuwanderung” als Erfolg verkauft werden kann. Tatsächlich sind alle, die kein Asyl haben, illegal in Deutschland. Sowas wie ein Gewohnheitsrecht auf das Verbrechen gibt es nicht. Die Alt-Parteien haben sich mit ihrem verfassungswidrigen Eingriff ins GG (Art. 23), den verbotenen Änderungen an den Grundrechten, und der Ratifizierung des Maastricht Vertrags selber ins Abseits gestellt. Die haben sich selber die Grundlage für ihr Dasein entzogen, die regieren hier ebenfalls illegal.

T. Schneegaß / 13.09.2024

@Günter Schaumburg: Dieser Beitrag strotzt nur so von historischen Verdrehungen, um nicht Lügen zu sagen. Gut und danke, dass Sie ein paar davon richtig stellen, für alle reicht der Platz hier nicht. Den Versuch, in einem Kommentar auf alle einzugehen, habe ich abgebrochen.

Klara Altmann / 13.09.2024

Das Grundproblem für die aktuelle gesellschaftliche Situation und für den Sieg des wahnwitzigen Hypermoralismus war und ist ist in meinen Augen die furchtbare Angst vieler Herkunftsdeutscher, irgendwer könnte “Nazi” zu ihnen sagen und sie würden das nicht überleben. Zu mir kann man dagegen längst fast alles sagen, es sind nur Worte. Und ich beurteile selbst, was davon seine Richtigkeit hat, also kann man mich auch nicht so einfach manipulieren. Aber wenn die Menschen hier so viel Angst vor einem Wort eingejagt bekamen seit Kindheit, dann wird dieses Wort benutzt, um sie in eine Ecke zu treiben und ihnen maximal zu schaden. Es ist der Pawlowsche Reflex, aber wir sind keine Hunde. Deshalb überlege man doch bitte, welches Parteiprogramm man inhaltlich für richtig und vertretbar sowie notwendig hält und man wähle so. Also hört um Himmels Willen endlich auf, euch vor Worten zu fürchten. Worte sind nur geformte Luft.

Gert Köppe / 13.09.2024

@Franz Zotter: Wenigstens mal Einer, der die “Eier” hat seine Fehler zuzugeben. Das erkenne ich “Bio-Ossi” hoch an. Ja, der Lernprozess, gerade im Diktatur unerfahrenen Westen wird noch lang und schmerzlich sein. Die Abrissbirne aus der Uckermark wurde mehrheitlich im Westen gewählt, obwohl sie das Volk ,noch VOR der Wahl, sinnbildlich für dumm und inkompetent für Entscheidungen erklärt hat. Ganz offen und dreist, vor laufender Kamera im ZDF-Vormittagsprogramm. Zum “Dank” dafür wurde sie von den Herabgewürdigten glatt zur Kanzlerin gemacht. Wie blöd muss man sein? Offensichtlich hatte sie damit Recht gehabt. Alle im Osten, die nichts mit der SED am Hut hatten, und das waren die Meisten, die haben auch keine Merkel gewählt. Die wussten das man keine ehemalige FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda an die Macht bringt. Das waren die Schlimmsten, die 1000%igen. Nur im Westen konnte man gar nicht genug von ihr bekommen und ließ sie gleich 16 Jahre schalten und walten. Fast die ganze CDU lag und liegt ihr, bis heute noch, zu Füßen. Sie werfen sich förmlich vor ihr in den Staub und behängen sie mit allerlei Orden. Die, welche das nicht taten, hat sie alle rechtzeitig weg gebissen. Nur noch Kriecher und Schleimer wollte sie in der Partei um sich haben. Hat ja gut funktioniert. Die CDU ist NICHT wählbar! Die müssen sich selbst erst einmal gründlich “ent-Merkeln”. Ach ja, die AfD ist im Übrigen nicht wegen Merkels Migrationsdesaster, sondern als Euro kritische Partei entstanden. Der Euro ist eine Fehlkonstruktion von Anfang an. Er dient nur der finanziellen Ausplünderung Deutschlands. Dafür musste die starke D-Mark weg. Die AfD hatte das bei Zeiten erkannt. Die Menschen, gerade hier im Westen, sollten möglichst ganz schnell lernen, das sozialistische Ideen und Staatsgebilde, früher oder später, in den Untergang führen. Unweigerlich! Nie wieder Sozialismus! Keine Macht den Kommunisten und Sozialisten. Das wird nix! Demokratie und soziale Marktwirtschaft ist das Beste.

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