Ehrlich, ich hab’s ja nicht so mit Autos. Trotz täglicher Verwendung habe ich ein pragmatisches Verhältnis zu meinem fahrbaren Untersatz, das fast an Ignoranz grenzt. Vier Räder, so angebracht, dass sie bis zum Boden reichen und Technik, die mich sicher von A nach B bringt, und schon bin ich zufrieden. Wenn man weit weg von U‑Bahn, S-Bahn und Die Bahn lebt, zählen eher praktische und Kostenaspekte als ein krasser Auftritt mit PS, Protz und Plüsch. Deshalb habe ich in meinem ganzen Leben höchstens zehn Autozeitschriften durchgeblättert, meistens in Wartezimmern.
Doch neuerdings sind Auto-Testberichte und Rezensionen wieder interessant geworden, sofern sie sich mit der hochgefiedelten Elektromobilität befassen. Die Welt beispielsweise befasste sich am 2. Februar sehr ausführlich mit dem Honda „e“,
Etwas ganz Besonderes sei der kleine Honda, so die Welt. Er könne auch einige Dinge besser als die Konkurrenz.
„Ein anderer Vorteil erwächst aus einer Schwäche. Die Reichweite dieses Autos ist so gering, dass von Anfang an klar ist, dass es nur für einen Ort gedacht, für einen Zweck geeignet ist. Für die Stadt. […] Beim Honda e weiß ich auch sofort, dass der gefürchtete Autobahn-Test ausfällt. Dieses Auto würde ihn nicht ansatzweise bestehen. Honda selbst gibt auch unumwunden zu, dass es sich um ein Fahrzeug für die Stadt handelt. Maximal noch geeignet für das Verbraucherprofil eines Pendlers.“
Der „gefürchtete Autobahntest“. Also ein Testbericht mit gebremstem Schaum. Denn da der „e“ den Test sowieso nicht bestehen würde, testet man gar nicht erst. Könnte Schule machen bei Abiturprüfungen im Fach Mathematik. Wir unterscheiden heute also Autos, die an bestimmten Orten nicht fahren dürfen (Diesel) und solche, die es nicht können (Elektro). Das erfüllt meiner Meinung nach die Definition von „Halbauto“. Denn ob ein Fahrzeug vollwertig ist, entscheidet sich nicht durch Hubraum, Leistung oder Antriebsart, sondern in der praktischen Nutzung. Ein Twingo spielt nach dieser Definition in derselben Mobilitätsliga wie eine Mercedes-S-Klasse, während ein Honda „e“ nicht mal mit einem rostigen VW Käfer von 1948 konkurrieren kann. Der hat nämlich keine Angst vor der Autobahn.
Habe ich da gerade „Stadtmobilität“ geschrieben?
Diese Stadtmobilität lässt sich Honda pro „e“ mit satten 39.000 Euro bezahlen. Ein Wert, der stets und sofort mit dem Hinweis auf das großzügige staatliche Subventionsangebot relativiert wird. Die gesparten 10.000 Euro bezahlt ja nicht der Kunde, sondern der Staat, und der wirtschaftet bekanntlich gut.
Doch halt mal … habe ich da gerade „Stadtmobilität“ geschrieben? Läuft in Deutschland nicht gerade ein Kampf, der das Landleben mit seinem extensiven Flächenverbrauch (Einfamilienhaus mit Grundstück) und seiner intensiven Mobilität (Pendler) zum Paria erklärt hat? Ist es nicht energetisch „unvernünftig“, an der individuellen Mobilität festzuhalten? Angesichts überlasteter Netze und der aufgrund von politischen Zwangsmaßnahmen zunehmenden Elektromobilität ist den grünen Propheten natürlich klar, dass im Elektrozeitalter unmöglich eine so große Anzahl privater PKW über die Straßen rollen kann.
Da gilt es, von freiwilligem Verzicht zu sprechen, wo eigentlich der Mangel regiert. Der deutsche Traum von Stadtflucht ins Grüne und ins Eigenheim passt nicht gut zum herbeigeplanten Energiemangel dank Energie- und Mobilitätswende. In die Städte sollst du ziehen, Vernunftbürger. In kleinen Etagenwohnungen sollst du wohnen und öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Bus und Bahn und Fahrrad frommen dem CO2-Emittenten mit schlechtem Gewissen, was soll er mit einem Stadtauto – und sei es noch so elektrisch!
Geißelt die grüne urbane Elite nicht den Platzverbrauch durch Parkflächen? Bauen nicht Städte wie Berlin den innerstädtischen Verkehr zugunsten von Radfahrern komplett um? Und wo/wie willst du deinen Honda „e“ laden, wenn deine 30 qm große Schlafbox im zwölften Stock liegt? Was sagst du da, Elektromobilist? Photovoltaik und Windkraft machen’s möglich? Doch die großen Dachflächen hat der Bauer auf dem Land, auf dessen Acker sich auch die Windmühlen drehen. Das verpönte Einfamilienhaus trägt vielleicht eine PV-Anlage, die den Eigenbedarf zumindest theoretisch deckt – das Flachdach deiner Mietskaserne im Prenzlauer Berg wohl kaum.
Wo sich Internet und Funkloch „Gute Nacht“ sagen?
Der renitente Dorfbewohner lächelt nur, wenn er die Gewissenseinflüsterungen politischer Stadtpflanzen hört, den SUV stehen zu lassen und lieber auf Bus und Bahn umzusteigen. Hier? An der „letzten Milchkanne“, wo sich Internet und Funkloch „Gute Nacht“ sagen? Wo dreimal am Tag ein Bus vorbeikommt und sonntags nur einer? Das auf dem Land noch selbstverständlich verwendete Auto hat eine minimale Auslastung von 20 Prozent, wenn man allein damit fährt. Der ÖPNV erreicht diese Auslastung im ländlichen Raum kaum, deshalb wird er auch nicht ausgebaut. Ohne eine gute Auslastung geht nämlich die energetische Rechnung nicht auf und der Verzicht auf verfügbare, verlässliche und individuelle Mobilität wird unmöglich. Wo sind eigentlich die Gerechtigkeitsfanatiker, die sich endlich kritisch mit den physikalischen Gesetzen befassen, die hier im Weg stehen?
Es fällt auf, dass der „von oben herab geträumte Traum“ (Rainer Bonhorst) vom grünen Umbau der Lebenswelt in Stadt und Land einfach nicht zu den angebotenen Lösungen passt, zu denen man die Industrie zwingt. Ein Elektroauto für die Stadt ist genauso unsinnig wie ein Fünf-Minuten-Takt für Buslinien zwischen München und Hintertupfingen. Müsste man – nur als Gedankenexperiment – nicht viel eher die ÖPNV-Verbindungen aufs Land ausdünnen und Autos in der Stadt verbieten? Stattdessen schafft man wegen der unkooperativen Physik mit der Elektromobilität die Lösung für ein Problem, das es nicht gibt: in der Stadt von A nach B zu kommen, und weicht dem eigentlichen Problem aus: dass nämlich die Elektromobilität nicht in der Lage ist, lange Strecken zu überbrücken und Stadt mit Land zu verbinden.
Und bitte, jetzt nicht „Aber Tesla“ rufen. Ich finde Autos von Elon Musk gut, weil sie der unwidersprochene Maßstab für das derzeit Machbare sind. Doch schaut man mal genauer hin, stellt man fest, dass Tesla strenggenommen nicht wirtschaftlich ist. Man lebt nicht vom Verkauf von Autos, sondern vom Verkauf von CO2-Zertifikaten. Musk nutzt also ein politisch erzeugtes Gefälle, das die Kannibalisierung einer ganzen Industrie nach sich zieht. Auch wenn ich zugeben muss, dass er das sehr gut macht.
Reserve durch Funktionsverzicht
Doch zurück zum Honda „e“, für den uns der Tester von Welt ja noch einen ganz besonderen Knüller, einen „Reservepuffer“, versprochen hat. Das soll er sein:
„Stelle ich Klimaanlage und Lüftung komplett aus, habe ich anstatt 102 Kilometer 156 km Reichweite zur Verfügung. Das ist ein innovativer Service, den ich so noch bei keinem E‑Auto gesehen haben.“
Wahnsinn, oder? Ich meine nicht die Erkenntnis, durch Abschaltung von Verbrauchern den Stromverbrauch zu reduzieren, sondern den Versuch, dies als „innovativen Service“ zu verkaufen. Wenn man den Honda „e“ stehenlässt, und stattdessen mit einem Dieseltaxi fährt, erhöht sich die Reichweite übrigens nochmals beträchtlich. Wusste auch wieder keiner. Um das Motto des „Great Reset“ aufzunehmen: „Ihr werdet nicht mehr von A nach B kommen, und ihr werdet es lieben!“
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.