Der nette Kommunist

Wenn es einen Prototyp des vernünftig wirkenden Linken gibt, des harmonischen Zusammenführers, einfach des netten DDR-Apparatschiks von nebenan, dann ist es Dietmar Bartsch. Mit einem väterlichen Lächeln und einer wohlig-sonoren Stimme erklärt er liebevoll, aber stets bestimmt, die Vorzüge sozialistischer Politik. Nun ist er nicht nur einer von zwei Fraktionsvorsitzenden der Partei Die Linke, er ist auch gemeinsam mit Janine Wissler Spitzenkandidat für den Bundestagswahlkampf in diesem Jahr. Der 63-Jährige ist damit auf dem vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere, die bereits länger anhält, als seine Partei im Bundestag sitzt. Bartsch hat sich selbst überlebt. Trotz strammer SED-Treue wird er gerne in die Talkshows dieser Zeit geladen. Bartsch ist so selbstverständlich Establishment, dass man gar nicht auf die Idee kommt, ihn zu hinterfragen. Der oft zitierte Bruch der Karriere von Ostdeutschen nach 1989 fand bei ihm nicht statt, im Gegenteil. Er knüpfte im geeinten Deutschland nahtlos daran an.

Ab 1978 studierte er an der Hochschule für Ökonomie in Berlin-Karlshorst einen Studiengang, den die Schule „Wirtschaftswissenschaften“ nannte. In Wahrheit war die Lehreinrichtung nichts anderes als eine ideologische Schmiede. Ziel war es, junge Menschen aus Arbeiterfamilien auf Systemlinie zu bringen und sie für die Planwirtschaft auszubilden. So standen auf dem Vorlesungsplan Themen wie sozialistische Volkswirtschaft, Volkswirtschaftsplanung, wissenschaftlicher Sozialismus oder Politische Ökonomie des Sozialismus. Es war klar: Hier wird das intellektuelle Handwerkzeug gereicht, damit der Absolvent später in seinem jeweiligen Beruf das System unterstützen konnte. Dietmar Bartsch machte Karriere und hätte in der DDR noch viel weiter aufsteigen können, wenn ihm nicht die Wende in die Quere gekommen wäre. Nun, mehr als 30 Jahre später, steht er da, wo er in der letzten deutschen Diktatur auch hätte auch stehen wollen: an der Spitze der Partei.

Bartsch als SED-Täter

Nach dem Studium arbeitete Bartsch für das Zentralorgan der FDJ, die Junge Welt. Eine Zeitung, zu der er nach dem Mauerfall als Geschäftsführer zurückkehrte. Da kommt zusammen, was eh zusammenpasst. Bis heute liefert das linksextreme Propagandablatt zuverlässig Material für die ehemalige SED und ihren sozialistischen Kurs. Geändert hat sich im Laufe der Jahrzehnte wenig, daher sah Bartsch für sich auch kein Problem, nach der Wende zu dieser Zeitung zurückzukehren. Bartsch ist Karrierist. Als SED- und FDJ-Mitglied hat er gelernt, sich anzupassen. Und so war es auch nur folgerichtig, dass er 2004 die Geschäftsführung der anderen Kaderzeitung übernahm, des ND (Neues Deutschland). Wo immer es nach DDR roch, war Bartsch schon da. Er ist untrennbar mit dem Regime verbunden und gibt ihn eine sympathische, seriöse Note.

Seitdem sich die SED in SED-PDS und später PDS und Linkspartei.PDS zu „Die Linke“ viermal umbenannte, ohne sich im Kern zu ändern, mischt Bartsch mit. Auch beim dubiosen Verschwinden des SED-Vermögens, das Barvermögen betrug rund 2,8 Milliarden Euro, spielte Bartsch eine entscheidende Rolle. Hierzu möchte ich Hubertus Knabe zitieren – in Sachen Geschichte der SED ein absoluter Kenner:

„Als Bundesschatzmeister (…) war er maßgeblich dafür verantwortlich, den Verbleib ihres riesigen Vermögens zu verschleiern. Mit Strohmännern, getürkten Darlehen, fingierten Rechnungen und rückdatierten Spenden hatte die Partei unter ihrem Vorsitzenden Gysi mehrere Milliarden Mark verschwinden lassen. Bei einer Durchsuchung der PDS-Zentrale wurde unter anderem ein Schreiben gefunden, in dem Gysi Bartsch aufforderte, Einnahmen aus Mitgliedsbeiträgen nicht offiziell zu verbuchen, sondern ,wie bisher bar’ zu verwenden – auf gut Deutsch: sie als Schwarzgeld zu verwenden.“

Dass Gysi wie auch Bartsch dennoch in den Medien ein so positives Image genießen, kann eigentlich nur so erklärt werden: Vielen Journalisten kommen sympathische Sozialisten gerade recht. Sie denken ähnlich, inhalierten die gleiche Ideologie. Der eine machte Karriere in einer Diktatur, der andere bei einer linken Zeitung oder im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Beide brauchen sich; der eine kann nicht ohne den anderen. Daher sind IM-Tätigkeiten und Schießbefehle unangenehme Vorfälle der Geschichte, sie stören aber im großen Narrativ des gutgemeinten Sozialismus. Gleiches würde man der politisch rechten Seite nie durchgehen lassen. Hier werden AfD-Politiker regelmäßig wie Aussätzige behandelt, wenn sie denn überhaupt noch eingeladen werden. Das Stück bei Markus Lanz, als Alice Weidel auftrat, dient hier als Paradebeispiel.

Bartsch als Chamäleon zweier Systeme

Und so ist es nur auf den ersten Blick verwunderlich, warum ein Sozialist in einer sozialistischen Diktatur ebenso Karriere machen konnte wie im bundesrepublikanischen Deutschland. Natürlich sind beide Systeme grundverschieden. Aber beide sind Herrschaftssysteme, die in Machtfragen ähnlich ticken. Man muss sich in einer Partei organisieren, eine Machtbasis schaffen, regelmäßig nicht nur über Leichen gehen, sondern auch für Leichen sorgen. Und man muss sich nicht zu schade sein, völlig wissentlich absoluten Unsinn zu erzählen. Bartsch ist wie viele andere hochfunktional. Er weiß um die Reaktionen von Aussagen. Er ist sich völlig im klaren, welches Wort beim Sender den gewünschten Effekt auslöst. Das Handwerk von Agitation und Propaganda lernte er in der FDJ. Nicht nur das hat er mit Angela Merkel gemeinsam.

Er tritt als Co-Spitzenkandidat gemeinsam mit einer radikalen Linken aus dem Westen, Janine Wissler, an. Damit fährt die Ex-SED den Kurs, den sie nach der Wende immer häufiger fuhr. Der alte DDR-Funktionär, sympathisch und smart, tritt mit einem Kandidaten aus dem Westen an, der linksradikaler nicht sein könnte. Die Trotzkistin Wissler war in der sozialistischen Linken und bei Marx21 aktiv. Beide werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Das ist überhaupt kein Problem für Bartsch. Und es scheint auch kein Problem zu sein für weite Teile der Öffentlichkeit.

Neben dem Fraktionssitz wurde er also zum Spitzenkandidaten gewählt. Das Whitewashing der SED geht in die nächste Runde. Bartsch gehört zu den wichtigsten Verharmlosern des DDR-Unrechtsstaates. Ein Wort, das der Mann aus Stralsund ablehnt. Er macht den Sozialismus, an deren Ende der Kommunismus steht, eine klassenlose Diktatur, salonfähig. Er ist in seiner Harmlosigkeit gefährlich. Hinter dem bescheidenen Lächeln steht ein knallharter Ideologe, der sich schon einmal mit einer Diktatur arrangiert hat. Und ich bin mir sicher: Sollte es eine nächste Diktatur geben, wäre Dietmar Bartsch wieder ganz vorne dabei.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Julian Marius Plutz‘ Blog Neomarius.

Foto: dietmar-bartsch.de

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Leserpost

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Hans-Peter Dollhopf / 15.05.2021

Herr Plutz, als erfolgreicher PDLer sind Sie bestens vertraut mit der Beurteilung von “Personal”. Ihre Profi-Beurteilung von Persönlichkeiten mitsamt ihrer Vita sind für Sie täglich Brot. Sie haben von Herrn Bartsch ein Profil erstellt und über seine Befähigung für ein Bundestagsmandat alles Nötige recherchiert. Ihr Job als HR-Manager ist getan! Jetzt liegt es an uns, dem Souverän und wahren Chef des Wahlkreises 14, Landkreis Rostock, am 26. September über die Verlängerung des Angestelltenverhältnisses zu entscheiden!

Andre Marschall / 15.05.2021

Sozialismus ist eine revolutionäre Ideologie, deren Bestreben es ist, die herrschende Ordnung gewaltsam über den Haufen zu werfen und nach dem Sturz des aktuellen politischen Regimes den Kommunismus zu implementieren. Der Kommunismus ist die utopische Vorstellung der klassenlosen Gesellschaft in der jeder gleich ist und die Ideologie-geblendet jeglicher naturgegebenen Hierarchie trotzen möchte. Trotzky war kein Revolutionär, er wollte den Demokratischen Prozess unterwandern und arbeitete durch demokratische politische Reformation auf das Ziel des Kommunismus hin. Während seine Ziele denen von Lenin und seinen Anhängern ähnelte, waren ihre Strategien allerdings unvereinbar, denn er war bewusster Teil des Establishment das es zu stürzen galt, und gestürzt wurden er und seine Anhänger in der damaligen turbulenten politischen Situation. Heutzutage verstecken sich die revolutionären Sozialisten hinter Balaklavas und marschieren hinter dem Banner der Antifa, während die Trotzkisten im Bundestag sitzen und sich mit dem Roten Banner der Linken schmücken (zugegeben, die sind auch noch klar verbandelt mit den Sozialisten in den Straßen) oder sich wie die Grünen als Wassermelonen verkleiden (nein nein, wir sind nur um die Umwelt besorgt, öko öko, sonst sind wir lupenreine Demokraten!). Und dann sind da noch die Jusos, die keinen sonderlichen Hehl daraus machen dass sie gerne moderne Stalinisten in Machtposition wären, aber da sie als Jugendfraktion der ältesten bürgerlichen Partei Deutschlands auftreten, werden sie vom gemeinen Volk nur wohlwollend als naiver Nachwuchs wahrgenommen, der politisch noch erwachsen werden muss und ihnen ihre politischen Positionen daher verziehen werden.

lutzgerke / 15.05.2021

Die BRD ist nur noch als Schatten da. 91 hat das Parlament die Umbruchstimmung genutzt, um Art. 23 GG auszulöschen und mit einem EU-Artikel zu ersetzen, 92 hat sie auf Basis des Artikels den Maastricht Vertrag ratifiziert. Artikel 23 hat eine Sogkraft wie ein Schwarzes Loch und die Bürgerrechte mit verschlungen.  Heraus kamen am anderen Ende die Pflichten für EU-Verknastete. Die findet man in der Charta der Grundrechte, an die sich sowieso keine Sau hält.Z.B. Artikel 3 Recht auf Unversehrtheit (2) Im Rahmen der Medizin und der Biologie muss insbesondere Folgendes beachtet werden: a) die freie Einwilligung des Betroffenen nach vorheriger Aufklärung entsprechend den gesetzlich festgelegten Einzelheiten, b) das Verbot eugenischer Praktiken, insbesondere derjenigen, welche die Selektion von Menschen zum Ziel haben, c) das Verbot, den menschlichen Körper und Teile davon als solche zur Erzielung von Gewinnen zu nutzen, d) das Verbot des reproduktiven Klonens von Menschen. Oder: Artikel 7 Achtung des Privat- und Familienlebens: Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung sowie ihrer Kommunikation. / Da fragt man sich, welche Person jetzt im Besonderen gemeint ist?

Dirk Jungnickel / 15.05.2021

War die Erleuchtete eigentlich wirklich SED - Genossin, wie es hier manchmal anklingt ??

Kay Ströhmer / 15.05.2021

Würden Sie solchen Figuren einen Gebrauchtwagen abkaufen? Eben, natürlich nicht. Abgehakt.

S.Müller-Marek / 15.05.2021

Ist und bleibt eine rote Socke mit Dreck am Stecken. Und solche Leute haben keine Achtung verdient. Schade, dass der Untergang der DDR Merkel und Konsorten nicht mitgenommen hat. Wäre uns viel erspart geblieben!

Horst Jungsbluth / 15.05.2021

Wilfried Düring: Danke für den Beitrag, kein Mensch kann etwas dafür, dass er in einer Diktatur leben und gewisse Dinge tun muss, die man in einer Demokratie nicht verlangen kann. Entscheidend ist, dass man sich einigermaßen anständig verhält und wenn man heute in der Bundesrepublik fassungslos miterleben muss, wie sich viele ohne diesen in einer Diktatur üblichen Druck verhalten, dann kann man nur konstatieren: Nichts dazu gelernt und dann noch mangelhaft!

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