Soviel zur Mentalität derer, die vorgeben, auf uns aufpassen zu müssen, damit wir nicht rückfällig werden. Danke, Frau Dannenberg! Schon 4½ Jahre alt und dennoch aktuell ist Wolfgang Röhl’s Beitrag mit dem treffenden Titel “Fang den Doktor! Die Stunde der Wikizianten” (networkedblogs.com/heFio).
Nie hätte ich gedacht, dass einmal in der Bundesrepublik zum Denunzieren aufgerufen wird. Als ehemalige DDR-Bürgerin kann ich auf nahezu 2500 Seiten Stasi-Akten verweisen. Ich weiß, was es heißt, denunziert zu werden. Nun fordert Herr Lewentz den Bürger auf, den Nachbarn, den Freund, ja, vielleicht einen ganz und gar Unbekannten zu belauschen und jedes Wort - vom Lauscher, je nach Lust und Laune, als “böse” interpretiert -der Polizei zu melden. Gab es das nicht schon mal? Unter Stalin? Unter Hitler? In China? Und in der glücklicherweise verschwundenen DDR? Hat Herr Lewentz überhaupt eine Ahnung, welchen miesen, verachtenswerten Charakterzügen er da huldigt? Als ich das Interview las, hatte ich nicht nur einen Kloß im Hals, das war schon ein ganzer Felsbrocken. Danke Sophie Dannenberg für den Artikel. Jetzt geht es mir schon etwas besser.
“Während der Beitrag über ‘70 Jahre Schuldbekenntnis der EKD’ lief, dachte ich darüber nach, ob wir deshalb Millionen illegale Einwanderer reinlassen. Wegen der [Nazi-]Schuld.” Für mich ist es ganz klar, dass die Weigerung Deutschlands, seine Grenzen und seine Identität zu schützen (ja, seine Identität überhaupt wahrhaben zu wollen) und sich mit den Immigranten hoffnungslos zu überfordern, ein Ausfluss des Schuldgefühls für die Naziverbrechen ist. Durch Überangepasstheit (“Habt mich bitte alle lieb”, oder gar: “mich gibt es eigentlich gar nicht”) versucht die Nation, das Nazi-Unrecht irgendwie wieder gut zu machen - ignorierend, dass dies nicht geht und dass durch diese Orientierung an der Vergangenheit, nicht an der Gegenwart, weiteres Unrecht geschaffen wird. Es schlummert in dieser Unterwürfigkeit auch gefährliche Überheblichkeit: das Reden über “die faulen Griechen” u.ä. in der Eurokrise und das Gefühl der moralischen Überlegenheit, das mit der deutschen Unterwürfigkeit einhergeht, zeigen dies deutlich. Das Nazi-Erbe wird nicht dadurch abgelegt, dass man immer nur genau das Gegenteil dessen tut, was ein Nazi täte. Ganz im Gegenteil. Von einer wirklichen, auch inneren, Überwindung der Nazizeit ist Deutschland weit entfernt.
“Mann muss den Mut haben, dies weiterzugeben.” So fabelhaft hier formuliert wird - in meinen Augen ist die Überschrift falsch gewählt. Vielleicht “Der Feigling in uns…”, ein Nazi ist definitiv etwas anderes. Wenn jemand Alpträume hat, in denen man beispielsweise alleine im Wald von Hunden verfolgt wird, dann gibt es nur eine hilfreiche Lösung: Man muss in den Wald gehen und sehen, ob sie da sind. Das Problem daran ist: Es ist nicht ungefährlich. Es könnten Hunde da sein. Das Weitergeben eines Verdachts ist für den Fall, dass man sich geirrt hat, im $ 241a StGB geregelt. Darüberhinaus kann jedermann in Deutschland, der einen Satz vom Typ “Ich bringe Dich um!” in der Öffentlichkeit ausspricht im Rahmen der Betreuungsgesetze in den psychiatrischen Schwitzkasten genommen werden, ohne Beteiligung eines Richters und auch für sehr lange Zeit, länger gegebenenfalls, als man für einen ausgeführten Mord in Haft sitzen würde. Die einzige Voraussetzung dafür ist, dass man Feinde hat, die in diesen grundgesetzfernen Sphären der Gesellschaft verkehren oder ausreichende politische Macht zur Willkür haben. (Herr Broder hat in diesem Zusammenhang mal davon geschrieben, dass er gerne ein Interview mit Horst Mahler führen würde, der ja sein Leben auf diese Weise in Eigeninitiative vollkommen in die Tonne getreten hat. Für einen Juristen absolut beschämend. Aber für alle anderen aufschlussreich. Nicht nur am Rand berührt das auch den Rat zum Schweigen an die Hauptangeklagte des NSU-Prozesses in München. Der ja von vielen nicht verstanden wird.)
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