Sie schreiben (in Folge 4): „Den heutigen Islamisten kann, muss man, im Rahmen ihres eigenen Glaubenssystems, ebenfalls Unglauben vorwerfen: Im Kampf gegen die „Ungläubigen“ (oder wen sie dafür halten und erklären) warten sie nicht auf Gottes Walten, sie halten sich lieber an sich selbst. Jedweder Terrorismus ist, religiös betrachtet, eine „Art Selbstermächtigung des Menschen“ (2) ohne Gott, im Namen Gottes und letztlich Gotteslästerung.“ Das ist meines Erachtens falsch. Sie sitzen dem allirgendwo heruntergebeteten Mantra auf, die drei monotheistischen Religionen seien im Grunde gleich. Folgt man Tilman Nagel („Angst vor Allah“ bzw. „Was ist der Islam“), so führt dieser Vorwurf in’s Leere. Denn im Islam gibt es keinen freien Willen des Menschen. Alles ist gottgewollt, selbst die Ungläubigen sind es. Allah ist stets tätig. Deshalb das allerorten zu hörende „Inshallah“, so Gott will. Den Menschen ist aufgegeben, SEINEM Weg zu folgen, wie es im Koran und den Hadithen niedergelegt wurde. Es gibt keine freie Entscheidung des Menschen. Die Annahme selbst darüber ist höchst lächerlich: Als könne man dem Allmächtigen irgendwie trotzen, wenn ER es nicht will. Der Glaube an IHN ist in sich rational, weil er die Einsicht in SEINE unbezweifelbare Allmacht ist. Als Ungläubiger den Gläubigen eine falsche Auslegung nahezulegen, ist strafwürdige Anmaßung. Denn ER richtet sich verständlich direkt an jeden Menschen und ist nicht interpretierbar. Selbst wenn hohe geistliche Führer von Koran und Scharia abweichen, ist Widerstand geboten.
Gehorsam gegen die Führer ist nur solange Pflicht, als sie Gott gehorsam sind. Das ist das endogene Radikalisierungspotential des Islam. Warum das Ganze? Weil ER den Menschen geschaffen hat, um IHN zu verehren. Dafür ist der Mensch auf der Welt. Darin liegt kein Zwang, es ist ganz leicht, denn die Umma, die beste menschlicheGemeinschaft, ist friedlich und voller Harmonie. Gott walten oder nicht walten zu lassen, die Entscheidung hat man nicht, das ist Illusion der Ungläubigen über ihre Autonomie.
Man soll IHN aktiv verehren. Denjenigen, die das besonders leidenschaftlich tun, den Dschihadisten, ist das süßeste Himmelreich schon auf Erden versprochen. Das Paradox, daß ER Bösewichter geschaffen hat und gewähren läßt, obwohl ER doch allmächtig ist, gehört, da spekuliere ich mal, zu den transzendenten Geheimnissen des Glaubens. Den Christen ist nicht klar, warum Gott das Böse überhaupt zuläßt. Die Juden streiten sogar mit ihm. Sie begreifen sich also als eigenständige Persönlichkeiten, jenseits von Gott, mit der Wahl, Gutes oder Böses zu tun. Im Islam dagegen ist alles in Gottes Hand. „Menschenwerk“ ist eitel und ist Illusion. Den Unterschied zwischen Gut und Böse lehrt der Koran. Wenn der Koran lehrt, Juden zu töten, so ist das gut und keine Interpretation kann das aufheben. Nur über den richtigen Zeitpunkt kann es Streit geben, denn oberster Grundsatz ist, der Umma zu nützen. Erinnert an die marxistischen Dialektiker: Was dem Klassenfeind nützt, ist schlecht, auch wenn es gut ist. Bleibt noch ein Blick in die Zukunft: SEINE Heere werden irgendwann, wenn es IHM beliebt, den letzten militärischen Sieg über die Ungläubigen erringen und die weltweite Umma errichten. Deshalb interpretiert jeder Dschihadist jeden Sieg als Bestätigung durch den Allerhöchsten. Das erinnert fatal an sozialdarwinistische Ideologien: Der Stärkere hat Recht, bzw. Allah wird SEIN Heer zum Siege führen. Ob das „reformierbar“ ist? Harari stellt in Homo Deus zu Recht fest, daß jede Religion letztlich das ist, was die Menschen aus ihr machen. Das widerspricht zwar fundamental dem Islam, bleibt aber dennoch richtig. Nur wann passiert das? Und ist es unsere, des Westens Aufgabe, den Islam zu reformieren?
“Ohne Judas‘ Verrat keine Kreuzigung und ohne Kreuzigung keine Auferstehung und letztlich kein Jesus als Christus.” Jenen Verrat durch Judas als zwingend für die Entfaltung von einer dadurch ursächlich ermöglichten Heilsgeschichte anzunehmen, das ist doch vollkommen unterkomplex. Wie viele weitere Verräter waren also im Umkreis von Jesus tatsächlich installiert, um aktiv zu werden, falls Judas versagt hätte? Die “Heilsgeschichte” wird doch wohl nicht dem Zufall überlassen gewesen sein?
2. Teil - Dennoch sind all Ihre Beiträge zum Thema höchst interessant und ich werde mir Ihr Buch besorgen. Womöglich bietet es jedoch mehr Aufschluß über Sie, als über das Thema. Dem Risiko setzt man sich aber immer aus, wenn man schreibt. Doch ich bin wirklich interessiert, denn das Thema beschäftigt mich schon viele Jahre. Bisher gab es nur wenige Bücher, die mich in der Darstellungsweise überzeugt haben, wie Schweitzers „Leben Jesu Forschung“. Das war die theologische Sicht, Sie sind Historiker, ich bin also gespannt. Allerdings ist es schwierig bei diesem Thema den Kern zu erfassen – er ist nicht greifbar, nicht über Namen und nicht rein geschichtswissenschaftlich. Aber das wollen Sie ja auch nicht…
1. Teil - Zitat: „Wir stellen nur fest: Judas/Jehuda ist in der israelischen und diaspora-jüdischen Welt als nationales Symbol nicht wirklich „in“, sondern eher „out“. Wer sich in der jüdischen Welt oder in Israel mit klassisch Jüdischem nicht identifiziert, identifiziert sich auch nicht mit Judas/Jehuda.“ Nun, Sie unterscheiden zwischen Israel, als der jüdischen Welt, und der diaspora-jüdischen Welt. Und ihr zweiter Satz mag für Israel zutreffen. Doch in der Diaspora gibt es sicher auch andere Gründe. Als eine Freundin von mir – mit dem Nachnamen Levit – vor ein paar Jahren entbunden hat, wählte sie extra einen nicht-jüdischen Vornamen für ihr Kind, aus Angst, es könne mit einem jüdischen Vor- und Nachnamen gefährdet sein. Das könnte es aber mittlerweile auch, wenn es Christian oder Christina hieße. Denn ihr Kind wurde in der 2. Klasse von einer muslimischen Mitschülerin angesprochen, weil es eine Kreuzkette trug (meine Freundin ist Russin und identifiziert sich nicht klassisch jüdisch). Das muslimische Mädchen sagte: gehörst du zu den Christen? Ich HASSE Christen! (zweite Klasse! wohlgemerkt und dazu in einem Land, das der Integration ekstatisch frönt, alledigns nur einseitig). Zu Judas Iskariot: Natürlich muß er von Jesus für besonders würdig befunden worden sein, ihm einen so schweren Dienst zu erweisen, das geht aber nicht nur aus dem nach ihm benannten Evangelium, sondern auch aus den synoptischen Evangelien hervor. Die judenchristliche Gemeinde war sich dessen wohl noch bewußt, denn, wie Sie schreiben, ohne den sogenannten „Verrat“ (es war wohl eher ein bedeutender Auftrag) „keine Kreuzigung und ohne Kreuzigung keine Auferstehung und letztlich kein Jesus als Christus.“ Lieber Prof. Wolffsohn, es hat den Anschein, als wären Sie aus dem Judenchristentum reinkarniert ;-) sonst hätte der Name Judas nicht diese Wirkung auf Sie. Gut, in Israel erscheint er heute weniger, ebenso wie Otto oder Albrecht hierzulande. Die biblische Sicht scheint da etwas zu kurz gefaß
Nachtrag zu Martin Luther: Der Mann hat sich auch furchtbar darüber aufgeregt, dass gläubige Juden dreimal am Tag im Achtzehn-Gebet auch die sofort nach Jesu Hinrichtung und Auferstehung hinzugefügte neunzehnte Bitte um Auslöschung der Christen beteten: „Den Verleumdern sei keine Hoffnung, und alle Ruchlosen mögen im Augenblick verloren sein, alle Feinde deines Volkes mögen rasch ausgerissen werden, und die Trotzigen schnell entwurzle, zerschmettre und demütige. Gelobt seist du, Ewiger, der du die Feinde zerbrichst und Trotzige demütigst.“ -//- Um Missverständnissen vorzubeugen: Luthers Schmähschriften gegen Juden finde auch ich unsagbar schrecklich und eines Christen absolut unwürdig. Aber Luther war eben auch nur ein sündiger Mensch, der der Vergebung bedurfte. Und insbesondere die Pietisten haben sich sehr schnell vom Judenhass distanziert.
Nachtrag zu @Joerg Machan: Schaul oder Saulus heißt Paulus bei den Juden; bei den Heiden heißt er Paulus. Saulus/Paulus war JUDE, beherrschte aber von Kindesbeinen an griechisch und verfasste seine Briefe an die Heidenchristen demzufolge auf griechisch, das zu jener Zeit allgemein – auch im Römischen Reich – verstanden wurde. Paulus betont seine Abstammung als Israelit, aus Abrahams Nachkommenschaft, aus dem Stamme Benjamin, Hebräer von Hebräern und außerdem Pharisäer aus pharisäischer Familie. Es besteht nicht der geringste Zweifel, dass Saulus/Paulus ein Jude war. (Apg. 21, 39; Apg. 22,3-5; Röm. 11,1; Phil 3,5) -//- Ihre Anmerkung zu „verraten“ im griechischen Urtext (der war wirklich griechisch = Septuaginta) ist richtig. Neben hebräisch und griechisch beherrschte Paulus auch aramäisch. Über die von Herrn Wolffsohn angesprochenen Themenkreise kann man wochen-, monate-, jahrelang diskutieren… -//- @Hans-Peter Dollhopf: Wen/was meinen Sie mit »ich habe es satt, dass wir Paten von Achgut hier für ein Projekt bezahlen, das dann von trittbrettfahrenden Schmarotzenden laufend gekapert wird!«? Ich bin auch eine dreifache Achse-Patin, fühle mich aber nicht gekapert. Vielleicht missverstehe ich Sie?
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