Chaim Noll / 03.02.2017 / 06:29 / Foto: Pete Souza / 7 / Seite ausdrucken

Der Mann, der nicht schweigen kann

Von Chaim Noll.

Wir hatten im Scherz gewettet, wie lange er es schaffen würde, zu schweigen. Man sah ihm an – und mehr noch seiner Frau Michelle –, dass sie das Weiße Haus ungern verließen. Acht Jahre sind eine lange Zeit, da kann es geschehen, dass man sich an eine Immobilie gewöhnt. Es hieß, das Paar werde nach Kalifornien fliegen, in den verdienten Urlaub. Am Strand sitzen, ein gutes Buch lesen, schweigen. Ich gab ihm vier Wochen. Die Wette hätte ich verloren: Schon nach zehn Tagen meldete er sich wieder zu Wort.

Obama war der elfte amerikanische Präsident in meinem Leben. Ich bin noch zur Zeit von Präsident Eisenhower geboren, habe also diesen, seinen Nachfolger Kennedy, dessen Nachfolger Johnson, dann „Tricky Dick“ Nixon, Gerald Ford, Carter, Reagan, Bush den Älteren, Clinton, Bush den Jüngeren, Obama und Trump erlebt, bisher insgesamt ein Dutzend US-Präsidenten, sehr unterschiedliche Männer, beliebt oder weniger, redegewandt oder eher zurückhaltend, doch noch keiner hatte es fertig gebracht, sich schon zehn Tage nach dem Amtsantritt seines Nachfolgers erneut in die Politik einzumischen.

Kein Wort gegen islamistische Terroristen

Nicht, dass er etwas Atemberaubendes gesagt hätte. Es war kaum mehr als die übliche Aufreihung von Stereotypen, die wir aus den acht Jahren seiner Amtszeit kennen. Diesmal: Er sei „fundamental“ dagegen, „Menschen auf Grund ihres Glaubens oder ihrer Religion zu diskriminieren“. Trotz des starken Adverbs „fundamental“ ein Bekenntnis, das niemandem wirklich zu nahe tritt. Vor allem nicht denen, die Menschen auf Grund ihres Glaubens oder ihrer Religion den Kopf abschneiden, sie mit Bomben in die Luft jagen, vergewaltigen oder aus ihrem Land treiben, was heute im Mittleren Osten jeden Tag zahlreich geschieht, und wogegen er, als er noch im Weißen Haus saß, wenig unternommen hat. Seine Stärke war auch damals das Reden.

“President Obama is heartened by the level of engagement taking place in communities around the country“, meldete ein Presse-Sprecher. Deutsche Medien übersetzten: „Es geht ihm ans Herz...“ Und fügten erklärend hinzu: nach amerikanischem Sprachgebrauch würde auch ein ehemaliger Präsident weiterhin mit „President“ bezeichnet und angeredet. Um uns schonend an den Gedanken zu gewöhnen, fortan Presse-Erklärungen von mindestens zwei Präsidenten zu lesen oder zu hören, von dem, der im Weißen Haus sitzt, und dem, der es ungern verlassen hat. Er fühlte sich dort wohl, umgeben von wärmenden Wolken der Zustimmung. Millionen Menschen in aller Welt haben Obama gern reden hören, er verstand es wie kein Präsident vor ihm, angenehme Gefühle auszulösen, grenzenlose Hoffnung zu schüren, diffuse Träume in Bewegung zu setzen, und vielleicht möchten sie ihn auch weiterhin hören, ob im Weißen Haus oder außerhalb, egal.

Die Welt noch mehr verwirren?

Ich gehöre zu denen, die ihn nicht so gern hörten. Er erinnerte mich in seinem pädagogischen Duktus, mit seinem bitteren, sendungsbewussten Gesicht, mit den berechneten schauspielerischen Effekten zu sehr an einen Sonntagsschul-Redner. Mir ging es wie Tom Sawyer in Mark Twains Roman: ich habe mich bei diesen rhetorisch brillanten Predigten schrecklich gelangweilt. Acht Jahre lang. Der Mechanismus war eigentlich bald zu erkennen: Auf die „fundamentalen“ Reden folgte nicht viel sinnvolles Handeln, und wenn doch einmal, richtete es sich kaum gegen jene, die „Menschen wegen ihres Glaubens oder ihrer Religion diskriminieren“.

Theoretisch könnten noch andere amerikanische Präsidenten Presse-Erklärungen abgeben, die mit der Formel beginnen: „The President says or thinks, agrees or disagrees...“. Denn auch Carter, die beiden Bushs und Clinton sind noch am Leben und im Besitz ihres Titels, außerdem die Fast-und-Eigentlich-Präsidentin Hillary. Müssen wir uns gefasst machen auf eine Mehr-Präsidenten-Herrschaft von zwei, drei oder fünf Regenten, die einander widersprechende Botschaften verkünden und die ohnehin verworrene Welt noch mehr verwirren?

Wahrscheinlich nicht. Die meisten Präsidenten genießen ihren Ruhestand und haben andere Beschäftigungen gefunden als großen Zuhörermassen mit unerfüllbaren Versprechen die Köpfe zu vernebeln. Nur von Obama werden wir noch viel hören. Aus dem einfachen Grund: Weil er sich selbst gern hört. Der „schwarze Messias“ ist er nicht gewesen, vielleicht reicht es zur Rolle eines Schatten-Präsidenten. Seine Auftritte erweckten schon immer den Eindruck, er selbst habe den größten Genuss davon.

Chaim Noll ist ein deutsch-israelischer Schriftsteller.

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Leserpost

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Jacke Berger / 03.02.2017

Obama ist einer der schlechtesten Präsidenten der US-Nachkriegsgeschichte. Er hat in 8 Jahren genauso viele Schulden angehäuft, wie alle US- Präsidenten vor ihm zusammen und die amerikanische Wirtschaft ist dadurch überhaupt nicht “gesund” .Seine Krankenversicherung für alle Amerikaner-“Obama care”  war von anfang an eine halbe Sache und ein Fehlkonstrukt. Er hat nichts unternommen gegen die Entstehung des IS, und Afghanistan ist deutlich"größere Baustelle”, als zu Zeiten vom J .W. Bush Obama hat auch 45 Millionen Afro- Amerikaner bitter enttäuscht. Nicht nur, dass die Lage der Schwarzen sich nicht verbessert hat. Noch nie in der US-Geschichte sassen so viele Afro-Amerikaner in der Gefängnussen und noch nie gab es so viele Einzelfälle von Erschiessugen schwarzer Amerikaner von den Polizisten. Was war gut in seiner Amszeit? Er konnte sehr gut reden, hat sein Handicap deutlich verbessert und hatte seit Jackie Kennedy die attraktivste ” first Lady” ins weisse Haus gebracht.

Theo Bicking / 03.02.2017

Die Obama Anwaltstory, die Leser Baumann andeutet, ist hoch interessant. Eigentlich kennen wir alle den Rahmen, angefangen von J.Carter. Im Buch “Pishing for Fools” wird die Geschichte der umgewandelten faulen Hypotheken nachgezeichnet. Es wäre wohlmöglich eine investigative journalistische Recherche wert, die Rolle der Obamas zu untersuchen. Könnte das Ergebnis, so fragt man sich,  in ein Watergate II münden?

Wilfried Cremer / 03.02.2017

Herr Noll, glauben Sie an Untote? Obwohl - mit den Päpsten ist es ja so ähnlich.

Dietrich Herrmann / 03.02.2017

Sonntagsschul-Lehrer - das trifft den Nagel auf den Kopf!!! Den Eindruck hatte ich auch immer, sehr lehrerhaft der Herr…  Wie sagte es eine CDU-Politikerin treffend: Einfach mal die Klappe halten. (Was für Politikerinnen schon eine krasse Kraftanstrengung bedeutet.) Aber der Obama-Speech war ja äußerst beliebt bei unseren Medien und vor allem bei unser aller großen Vorsitzenden.

Florian Bode / 03.02.2017

Wir leben in der Schneeflöckchenzeit. Der gute Wille zählt. Können und Handeln ist zweitrangig. Weil es Mühe macht. Erlebbar bei jedem Blockflötenauftritt in irgendeiner Grundschule. Obama und sein Wellnesss-speech waren der Traum jeder Kindergartentante bis hinauf zur obersten Leiterin der großen Betreuungsanstalt Germony.

JF Lupus / 03.02.2017

Obama war einer der großen Blender im weißen Haus. Nur heiße Luft und außenpolitisch nur Unsinn. Ein Trump ist mir hundertmal lieber.

H.Baumann / 67 / Rentner / 03.02.2017

Guten Morgen, vieleicht gehörte Obamas Loyalität niemals dem ganzen amerikanischen Volk?  In der FAZ gab es vor Jahren einen mehrseitigen Beitrag, und so etwas gibt es dort nicht jeden Tag, dass man den jungen, hoffnungsträchtigen Mann ausgesucht und gefördert hätte, um Großes zu vollbringen.  Wer das genau gemacht hatte, blieb im Nebel. Obama heisst mit 2. Vornamen Hussein. Was mich daran stört, ist, dass der offenbar islamische Hintergrund im Hintergrund blieb bzw. bleiben sollte.  Er blieb kenianischer Abkunft. Seine Grandmama ist eine nette alte Dame. Oft wurde sie später jedoch nicht vorgezeigt.  Verteilt Obama seine Loyalität gar ungleich? In dem Fall hätte man damit zu rechnen, dass er eine subversive Komponente aus Philadelphia mitbrachte.  Ein ehem. Vorstzender des deutschen BDI meinte, als Anwalt hätten Obama und seine Frau “Subprimes” Banken verklagt, die keine Hauskredite herausrücken wollten. Dabei hätte das jungen Paar “seine Millionen gemacht”.  Ein Gesetz des Erdnussfarmers, Jimmy Carter, schrieb zwingend vor, Hauskredite nicht zu verweigern.  Der Personenkreis der “Subprimes” hätte sich regelmäßig überschuldet, ohne Rücksicht auf Verluste, um dann durch Haus-Schlüssel-Abgabe den Kredtvertrag zu beenden. Trotz Gesetzes,  Obama hat gewusst, dass dieses Verhalten letztlich auf einen Betrug an Banken   (und ihren anderen Kunden) hinausläuft.  Die Verlustpapiere aus den Hauskrediten sind dann, “in undurchschaubar Bonds ” gebettet,  in die ganz Welt verkauft worden. Die Größenordnung liegt, nur im Fall Chinas, bei 325 Mrd. Dollar.  Insider der amerik. Finanzindustrie meinten ironisch dazu: “...die Chinesen haben uns den Irakkrieg finanziert !” Es ist wohl kaum zu glauben aber mgl. doch wahr, dass beide Obamas ebenfalls mit am Beginn einer Kette eines enormen Betrugssystems standen. Zumal die “Subprimes” oft noch weitere Kredite beanspruchten.  Diesmal für Reisen, SUV und alles was der ärmere Mensch so braucht.

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