Der Autor ist Neuropsychologe, Arzt für Psychiatrie und Neurologie, Geriater und außerplanmäßiger Professor für Psychiatrie. Wir baten ihn um einige vorläufige Gedanken zum Attentäter von Magdeburg.
Offen gestanden fällt es mir schwer – nach allem, was diesbezüglich in den letzten Jahren vorgefallen ist – zum Thema migrantischer Kriminalität noch etwas zu schreiben. Das ist einfach zu trostlos, und die Aussichten auf durchgreifende und vor allem rasche Besserung sind angesichts der hier tonangebenden Parteien und ihrer Vertreter zu düster. Sei es drum.
Als ich noch am späten Abend der Terrorfahrt von Magdeburg Tweets des Attentäters aus den letzten zwei oder drei Jahren las, war mein erster Gedanke: Hier haben wir es mit einem Wahnkranken zu tun. Am ehesten, das zeichnete sich nach einigen Recherchen zwei Tage später für mich ab, in der Variante einer beim Täter schon länger vorhandenen, sich in den letzten Jahren allerdings akzentuierenden wahnhaften Persönlichkeitsstörung, möglicherweise aber auch in Form einer in den letzten Jahren neu aufgetretenen wahnhaften Störung oder vielleicht gar einer Schizophrenie, die gegenwärtig nicht sicher auszuschließen ist.
Mein zweiter Gedanke war natürlich, wie unglaublich es eigentlich ist, dass ein Asylbewerber – neben anderen Verfehlungen – 2013 einer deutschen Ärztekammer unverhohlen mit einem schweren Anschlag drohen kann, ohne sofort in Abschiebehaft genommen zu werden, um bald darauf das Land auf Nimmerwiedersehen zu verlassen. Auch wenn mich das, bei nüchterner Betrachtung, natürlich nicht wirklich überraschen kann.
Eine forensisch-psychiatrische Einrichtung
Der folgende Gedanke ging dann in die Richtung, ob wir es hier überhaupt mit einem studierten Mediziner zu tun haben. Oder doch mit jemandem, der von den im internationalen Vergleich laxen deutschen Kontrollen bei Migranten oder Asylanten profitiert hat, die einfach behaupten, Arzt zu sein und vielleicht sogar so etwas wie ein universitäres Abschlusszeugnis vorlegen können.
Befördert wurden solche Überlegungen durch die mittlerweile vorliegenden Aussagen von Mitarbeitern aus seiner letzten beruflichen Wirkungsstätte, sinnigerweise einer forensisch-psychiatrischen Einrichtung, in der man ihm den Spitznamen Dr. Google gegeben hatte. Es handelt sich allerdings nicht um eine forensische Klinik für Seinesgleichen, sondern speziell für Straftäter mit einer Suchtproblematik, die dort ihre Haftzeit absitzen.
Innerhalb der Status-Hierarchie ärztlicher Tätigkeiten vielleicht nicht unterste Schublade, aber auch nicht weit davon entfernt. Nach Aussagen von Mitarbeitern schien es eher nicht so, dass wir es hier tatsächlich mit einem Arzt oder gar Facharzt zu tun haben könnten. Aber, in diesem Falle trügt der Schein offenbar. Was zu der Frage führt, wie viele Augen wie oft zugedrückt wurden, bis er endlich Facharzt für Psychiatrie war.
Bochum, Hannover und zuletzt Stralsund
Besonders irritierend dabei ist natürlich, dass sich hier jemand unter den Augen von Fachkollegen über einen doch wohl längeren Zeitraum psychisch mehr und mehr aus der realen Welt verabschiedete – deutlich sichtbar an seinen zunehmend irren Tweets – die er in beträchtlicher Zahl für eine ebenso beträchtliche Anzahl von Followern absetzte. Aber, so mein Erklärungsversuch, dürfte der Attentäter zum einen von seinem ihn adelnden Migrantenstatus profitiert haben und zum anderen vom angespannten Arbeitsmarkt für Ärzte. Eine in der tiefen mitteldeutschen Provinz gelegene forensische Suchtklinik ist sicherlich froh über jeden Arzt, der bereit ist, hier zu arbeiten – und da lässt man denn auch gerne mal fünf gerade sein.
Der Attentäter hatte ganz offensichtlich früher einmal andere Vorstellungen über seine medizinische Karriere in Deutschland. Das offenbart sich, gibt man seinen Namen – Taleb Al Abdulmohsen – bei Google Scholar ein, der Suchmaschine für wissenschaftliche Literatur. Dann ergeben sich überraschenderweise drei Treffer, und zwar wissenschaftliche Veröffentlichungen zwischen 2010 und 2013. Als Adressen des Autors sind jeweils die psychiatrischen Abteilungen von Universitätskliniken angegeben – in chronologischer Reihenfolge: Bochum, Hannover und zuletzt Stralsund, wo der Attentäter offensichtlich den Großteil seiner psychiatrischen Weiterbildungszeit absolvierte.
Es handelt sich bei den Veröffentlichungen jeweils nicht um eigene Untersuchungen, sondern um zwei Artikel in der Zeitschrift Medical Hypothesis, in denen es, wie der Name bereits vermuten lässt, um bestimmte hypothetische Überlegungen geht, die jeweils noch durch entsprechende Studien zu belegen sind. Bei der dritten Veröffentlichung, aus 2013, handelt es sich um einen ausführlichen Brief, den immerhin das American Medical Journal publiziert hat und in dem möglicherweise bereits paranoide Ideen anklingen: Er wirft direkt und unverhohlen dem Chef einer psychiatrischen Abteilung der MHH vor, ihm seine Idee von einer Studie zur Behandlung von Angstpatienten mit Botox „geklaut“ zu haben. Der habe ihn damals nämlich abblitzen lassen. Ein Jahr später jedoch hätten zwei seiner Mitarbeiter genau eine solche Studie publiziert.
Vor diesem Hintergrund des Scheiterns seiner Karrierevorstellungen, was sich ganz offensichtlich auch an der Uniklinik Stralsund fortsetzte, wird es nachvollziehbarer, dass er sich ab etwa 2015 vermehrt für nicht-medizinische Probleme interessierte. Gemeint ist hier vorrangig sein ganz spezieller Kampf gegen den Islam, der schließlich mündete in einem Massenmord an Nicht-Muslimen. Was allerdings erst möglich wurde durch eine ideologisch fixierte, erfahrungsresistente Migrationspolitik – ergänzt um ein Sicherheitskonzept des Magdeburger Weihnachtsmarktes, das diesen Namen nicht verdient.
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Wolfgang Meins ist Neuropsychologe, Arzt für Psychiatrie und Neurologie, Geriater und apl. Professor für Psychiatrie. In den letzten Jahren überwiegend tätig als gerichtlicher Sachverständiger im zivilrechtlichen Bereich. Er berichtete für Achgut.com unter anderem ausführlich zum Attentat von Hanau.