Georg Etscheit / 13.09.2023 / 14:00 / Foto: Alexander Nikiforov / 33 / Seite ausdrucken

Der Maestro und die Klimakleber

Während einer Aufführung des Bayerischen Staatsorchesters beim renommierten „Lucerne Festival“ am vergangenen Freitag klebten sich zwei Klima-Aktivisten an die Bühne. Dirigent Vladimir Jurowski unterbrach verständnisvoll das Konzert für eine Ansprache der Störenfriede.

Die „Vierte“ ist Anton Bruckners bekannteste Symphonie. Sie trägt den Beinamen „Die Romantische“ und wartet mit viel warmem Hörnerklang und einer bewegten Jagdszene auf. Bruckners Es-Dur-Symphonie ist das einzige symphonische Werk des großen österreichischen Komponisten, das mit einem außermusikalischen Programm aufwartet. Bruckner begibt sich hier auf eine romantische Wanderung, beginnend mit einem Sonnenaufgang, vorbei an gewaltigen Berggipfeln, die die Kleinheit des Menschen und seines Wollens und Strebens symbolisieren. Es gibt die Illusion einer fröhlichen Liebschaft und den Sturz zurück in die Einsamkeit.

Wie in allen Symphonien Bruckners ist die zur Schau gestellte Harmonie brüchig. Halt bietet nur der Glaube an Gott, der immer wieder in großen Chorälen aufscheint. Doch auch dieser war schon zu Bruckners Lebzeiten nicht mehr unangefochten.

Von diesen komplexen historischen und musikologischen Hintergründen hatten die jungen Klimaaktivisten, die gerade ein Konzert des Bayerischen Staatsorchesters unter seinem Chefdirigenten Vladimir Jurowski kaperten, wohl keinen Schimmer. Sie suchten die große Bühne und den großen Auftritt. Und fanden ihn – mit tatkräftiger Unterstützung Jurowskis. Einer Unterstützung, die fatal an die Kollaboration deutscher Museen mit Klimaklebern erinnert, die sich an wertvollen Gemälden festleimten und erhebliche Schäden anrichteten.

Von Beruf „Psychomotortechnikerin“

Doch der Reihe nach: Das Bayerische Staatsorchester, also das Orchester der weltberühmten Bayerischen Staatsoper, absolviert gerade eine Tournee zum Jubiläum seines – sage und schreibe – 500-jährigen Bestehens. Bei einem Auftritt im Rahmen des renommierten „Lucerne Festivals“ am vergangenen Freitag standen neben Bruckners 4. Symphonie auch Richard Wagners Tristan-Vorspiel sowie Robert Schumanns Klavierkonzert in a-moll auf dem Programm.

Zum Ende des Dritten Satzes der Bruckner-Symphonie, dem bewegten Jagd-Scherzo, sprangen zwei Klimaaktivisten auf die Bühne des großen Saals des Kultur- und Kongresszentrums Luzern, klebten sich am Dirigentenpult fest und riefen Sätze wie „Wir haben einen Klimawandel, wir müssen jetzt handeln“. Aus dem Publikum wurde sogleich Protest hörbar, Medienberichten zufolge erschollen neben Buh-Salven auch Rufe wie „Raus, Gesindel!“, „Maul halten“ oder „Runter mit Euch!“.

Jurowski drehte sich daraufhin um, mahnte laut Süddeutscher Zeitung „mit einer Geste zur Mäßigung“ und dirigierte zunächst den Satz zu Ende – mit den Klebern in seinem Rücken. Dann begann er mit der jungen Frau zu verhandeln, einer gewissen Selina Lerch, 28 Jahre alt und laut SZ von Beruf „Psychomotortechnikerin“. Bei ihrem Mitstreiter handelte es sich um den 20-jährigen Anthony Zufferey, der „Internationale Beziehungen“ studiert. Beide engagieren sich für die Organisation „Renovate Switzerland“, die ähnlich agiert wie die „Letzte Generation“ in Deutschland.

Hernach verkündet Jurowski das Ergebnis seiner Gespräche: „Wir haben eine Abmachung getroffen. Die jungen Menschen sagen ihr Wort jetzt, wir hören ihnen zu – ohne zu kommentieren – und lassen sie ausreden. Danach werden wir den vierten Satz spielen.“ Es folgt noch eine kitschige Umarmung, woraufhin laut Jurowski die junge Frau in Tränen der Rührung ausbricht.

Begeistert von Jurowskis „Courage“

Als daraufhin wieder Proteste aus dem Auditorium zu hören sind, wird Jurowski pampig. In einem arrogant-schulmeisterlichen Ton stellt er sein Publikum vor die Wahl: „Ich habe mein Ehrenwort gegeben, helfen sie mir, es zu halten. Lasst sie reden, sonst gehe ich von der Bühne.“ Um seinen Worten Nachdruck zu verleihen, setzte er sich sogar wie ein Pennäler im Schneidersitz aufs Dirigentenpodium. Dann muss das Publikum einen kurzen Vortrag über den aktuellen „Klimanotstand“ über sich ergehen lassen, bis Jurowski Bruckners Symphonie zu Ende spielen lässt.

Die Feuilletons sind anderntags begeistert von Jurowskis „Courage“, der sich als wahrer Maestro erwiesen habe. Weil sich der gebürtige Russe schon seit längerer Zeit als überzeugter Klimaschützer gibt, persönlich ungern fliegt und seine Musiker am liebsten mit der klimafreundlichen Bahn zu Gastkonzerten reisen lässt, liegt ihm die grüne Münchner Journaille ohnehin zu Füßen. Jetzt habe er durch sein Verhandlungsgeschick mit den Klimaklebern souverän eine Eskalation verhindert.

Offenbar waren aber nicht alle so begeistert wie die Münchner Medien. Serge Dorny, der stets diplomatisch agierende Intendant der Bayerischen Staatsoper, formulierte am betreffenden Abend „gegenüber Journalisten“ etwas gewunden, dass sein Musikchef „wahrscheinlich richtig“ gehandelt habe, und aus dem Orchester war laut SZ zu vernehmen, dass man die Aktion keinesfalls als Ermutigung für Wiederholungstäter interpretiert wissen wolle. Das Lucerne-Festival ließ verlauten: „Wir bedauern sehr, dass das gestrige Konzert durch zwei Klimaaktivisten von Renovate Switzerland überraschend unterbrochen wurde. Grundsätzlich verstehen wir, dass man sich für die Anliegen der Natur einsetzt. Für die Art und Weise allerdings, wie die beiden Aktivisten gestern Abend agierten, haben wir überhaupt kein Verständnis.

Ans zahlende Publikum, dem mit ausdrücklichem Placet des umweltbewegten Dirigenten eine zwangsweise Lektion in Sachen Klimahysterie verpasst wurde, dachte offenbar niemand. Ebensowenig wie an die Integrität von Bruckners Symphonie, die förmlich auseinandergerissen und zur Hintergrundmusik einer politischen Protestaktion degradiert wurde. Besser wäre es gewesen, man hätte die Klima-Stürmer vom Ordnungsdienst aus dem Saal führen lassen und der Polizei übergeben und dann nach einer Pause die gesamte Symphonie noch einmal gespielt.

 

Georg Etscheit ist Autor und Journalist in München. Fast zehn Jahre arbeitete er für die Agentur dpa, schreibt seit 2000 aber lieber „frei“ über Umweltthemen sowie über Wirtschaft, Feinschmeckerei, Oper und klassische Musik, u.a. für die Süddeutsche Zeitung.

Foto: Alexander Nikiforov CC BY 4.0 via Wikimedia Commons

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Ludwig Luhmann / 13.09.2023

Submission is for losers ...

gerhard giesemann / 13.09.2023

Das meint Putin: So was will er nicht in Russland haben.

A. Ostrovsky / 13.09.2023

@S.Schleizer : >>Ein Wort: Unterwerfung.<< Versetzen Sie sich doch mal in die Rolle so eines Dirigenten. Der hat in seinem ganzen Leben noch nicht mit dem Gedanken gespielt, dass ihm mal so eine Verachtung entgegenschlägt. Der hat noch nicht begriffen, ob es gegen ihn oder gegen Bruckner ging. Der ist nicht in der Lage, das Geschehen zu erfassen, weil der sonst immer im Elfenbeinturm Dirigieren übt. Dafür hat er relativ souverän reagiert. Der spielt da nicht den Polizisten, das ist ja wohl klar. Aber hoffentlich hat er den Vertrag mit der Sicherheitsfirma genau durchgelesen, um denen so eine Vertragsstrafe draufzubrummen, dass die sofort den Laden schließen müssen. Die Psychomotortechnikerin hat doch einen Riss in der Schüssel. Die ist nicht für ihre Taten verantwortlich und gerichtlich hat das keinen Erfolg. Aber dafür sind doch die Jungs mit der Zwangsjacke zuständig gewesen, dass die nicht wieder ausbüxt. Die muss man verklagen, bis sie heulen. Wenn ich daran denke, als wir in dem Alter waren.,..  “Macht kaputt was Euch kaputt macht!”. Wir hätten diesen Ruf aufnehmen sollen und alles kurz und klein schlagen, bis von Bruckner, der Staatsoper, der Staatskanzlei und dem Staatssicherheitsdienst nichts mehr übrig geblieben wäre. WIR haben uns unterwerfen lassen. Wenn wir schon alles kaputt gemacht hätten, würden diese Narren heute nichts mehr zum kaputtmachen haben. Die würden dann dasitzen und mit Bauschutt speilen und jammern: “Es gibt nicht mehr kaputt zu machen, es ist alles schon kaputt.” Andererseits überlege ich auch wieder, ob das nicht doch falsch gewesen wäre, die Welt zu zerschlagen, nur weil es Verrückte gibt. Diese Gesellschaft scheitert daran, dass es Verrückte gibt. Aber die gab es IMMER! Die können nichts dafür. Aber wir doch auch nicht! Begreift einfach, dass man Euch das einredet, Ihr wäret verantwortlich.

S. Marek / 13.09.2023

@ Sabine Heinrich, leider ist Ihr scharfer Beobachtungssinn korrekt !  Und so werden diese Untertannen zum zweiten Mal in den letzten 100 Jahren zur willigen Trägern einer Katastrophe, um danach jede Schuld vor sich weisend wie bereits ihre Groß- bzw. Urgroßeltern gemacht vorhaben.

A. Ostrovsky / 13.09.2023

@Dietmar Herrmann : >>Vielleicht sollte man als Security ausnahmsweise einmal nicht die dümmsten, faulsten und feigesten Memmen einstellen, sondern Kerle mit situativer Orientierung und Einsatzbereitschaft, die die Klimakleber schon an Tofugeruch und Dummchenvisage erkennen und bei allerersten Anzeichen für Gezicke mit einem festen, aber diskreten Hebelgriff an die Luft befördern. In einigen Spielhallen und Discos gab es solche Typen. Das grüne Gewölbe hat sich leider auch nur auf Nasenbohrer irgendeiner Zeitarbeitsfirma verlassen, die dem Raub mit offenem Maul auf ihren digitalen Spielzeugen zusahen.<<  Aber ich bitte Sie! Die Leute sind doch nicht dumm. Die verstehen nur nichts.

A. Ostrovsky / 13.09.2023

Ja, aber. Man muss aufpassen, wenn man immer die Verrückten wie ganz normale Leute behandelt, dass man danach nicht die ganz normalen wie Verrückte behandelt. Es ist eine Frage der eigenen Position. Manche scheitern schon an der doppelten Verneinung und dann sind jähe Wendungen um 360 Grad nicht mehr ausgeschlossen. Das ist noch nicht das Schlimmste, aber man verliert dabei den Kompass. Und wie soll man dann die Brille wiederfinden, um die Uhrzeit abzulesen? Mancher sagt dann spontan “ich gehe jetzt ins Bett” meint aber, ähh jetzt habe ich vergessen, was… daran kann ich mich Ich gar nicht erinnern. Wer zählt die Schüsse? Des Kaisers neue AI.

Thomin Weller / 13.09.2023

@Dietmar Herrmann / 13.09.2023 Thema Security. Es ist beachtlich das inzwischen bei vielen ALDI,REWE, PENNY, EDEKA Märkten eine Security angestellt ist und im Geschäft patrouilliert. Der Flurfunk vermeldete letzte Woche folgendes. In Hamburg Süd-Ost weigerten sich ALDI, PENNY, REWE und andere die Lebensmittelgrundversorgung noch aufrecht zu erhalten. Es gab massive Probleme mit Terroristen, speziell Einmänner/frauen, mit ohne Messer, hauptsächlich Migranten. Die haben so viel Waren gestohlen(Musik als Ware?) das die größten deutschlandweiten Betreiber nicht mehr wollten. Da kam dann die Lokalpolitik auf die Idee das sämtliche Diebstähle aus Steuergeldern klamm heimlich ersetzt werden, hauptsache die Grundversorgung ist gesichert. Der Flurfunk wird sich in Hamburg mit Fakten verfestigen, das wird seinen Lauf nehmen.  In den Öffis musst Angst haben ein Messer in den Bauch zu bekommen, im Konzert sind dann die anderen Terroristen vorhanden. Das beste Shithole aller Zeiten, mit europaweitem Resonanzraum vieler Hohlköpfe.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Georg Etscheit / 03.11.2024 / 12:00 / 0

Cancel Cuisine: Dubai-Schokolade: süß, teuer, nichtssagend

Die auf TikTok und Instagram gehypte Süßigkeit Dubai-Schokolade ist nichts weiter als ein hoffnungslos überteuertes Mitbringsel und wird sicherlich nicht lange Trend sein. Bei meinem…/ mehr

Georg Etscheit / 27.10.2024 / 12:00 / 11

Cancel Cuisine: Wein und Wahrheit

Wer hätte nicht gern eine Weinflasche, auf deren Etikett der nette Diktator oder Polit-Verbrecher seines Vertrauens abgebildet ist? Deutsche Touristen, die in Italien unterwegs waren,…/ mehr

Georg Etscheit / 24.10.2024 / 06:20 / 91

Bauern exkommunizieren die Katholische Kirche

Die Katholische Kirche ist dabei, auch diese letzte, treue Klientel zu vergraulen: die Bauern. Grund ist ein Papier der Deutschen Bischofskonferenz zur Agrarpolitik, das auch von…/ mehr

Georg Etscheit / 21.10.2024 / 10:00 / 48

„Agrarsoziologin“ gegen „Wutbauern“. Wer produziert Bullshit, wer Lebensmittel?

Eine junge Frau, in den Medien gerne als "Agrarsoziologin der Universität Göttingen“ vermarktet, unterstellt kritischen Bauern gerne „rechtsextreme bis rechtspopulistische“ Tendenzen. Das ging vor Gericht…/ mehr

Georg Etscheit / 20.10.2024 / 12:00 / 8

Cancel Cuisine: Böfflamott

Der Names für das bayerische Schmorgericht Böfflamott ist erklärungsbedürftig. Man muss allerdungs nicht polyglott sein, um hier die Verbalhornung eines französischen Ausdrucks zu vermuten. Schöne…/ mehr

Georg Etscheit / 13.10.2024 / 12:00 / 20

Cancel Cuisine: Buletten

Die scheinbar so triviale Bulette ist gar nicht so simpel wie man im ersten Moment glauben könnte. Viele „Tatort“-Kommissare sind an ihrem Essverhalten zu erkennen,…/ mehr

Georg Etscheit / 06.10.2024 / 12:00 / 25

Cancel Cuisine: Unfein dining

Festliche Vielfalt der Bestecke, Tischwäsche, Tischsitten und klassischer Service scheinen nach und nach aus der Gastronomie zu verschwinden. Ich hatte vor Jahresfrist schon einmal den…/ mehr

Georg Etscheit / 06.10.2024 / 10:00 / 39

Die Katholische Kirche und Corona – die Staatsgläubigen

Wie in der Corona-Zeit in gravierender Weise die (Heils)-Interessen der Gläubigen missachtet wurde. Unter jenen Institutionen, die sich willig dem Corona-Narrativ unterwarfen, das regierungsamtliche „Pandemie“-Regime exekutierten…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com