Rainer Bonhorst / 29.02.2020 / 06:00 / Foto: Dmytro Ivashchenko / 25 / Seite ausdrucken

Der Lonely Planet für die CDU

Natürlich ist der Stadtstaat Hamburg nicht typisch. Dort wird mit vertauschten Rollen gespielt. Die Hamburger CDU ereilte mit ihren 11,2 Prozent ein Ergebnis, das anderswo der dahinsiechenden SPD vorbehalten ist. Aber unabhängig von der Örtlichkeit – ein Wahlresultat, das mit der Einstelligkeit flirtet, ist zumindest ein Seelenschock für Veteranen der angeschlagenen Volkspartei. Unausgesprochen dürfte die Angst vor einem politischen Corona-Virus umgehen, der christliche und konservative Parteien in Kontinentaleuropa dahingerafft hat. Nur auf dieser merkwürdigen, Europa vorgelagerten britischen Insel ist mal wieder alles anders.

Unser nächster und größter kontinentaler Nachbar hat im konservativen Lager eine Art Häutung vollzogen. Die einst stolzen Republikaner, die auf eine ganze Galerie von Präsidenten zurückblicken können, haben sich ins Imaginäre aufgelöst. Viele ihrer Wähler haben dank Emmanuel Macron und seiner „En-Marche“-Bewegung eine neue Heimat gefunden. Man könnte von altem Wein in einem neuen Schlauch sprechen, hätte Macrons Verein nicht einen deutlich anderen Charakter als die dahin gegangenen Republikaner: breiter, populärer, vitaler.

Aber auch er wird bedrängt von der stärksten rechten Gruppe Europas, den Nationalisten der Marine Le Pen („Rassemblement National“). Frankreichs Konservative haben durch einen dramatischen Personal-, Etiketten- und Stilwechsel einen zweiten Wind bekommen. Aber der Untergang der alten Herren ist und bleibt ein Untergang.

Die völlig im Hintergrund verschwundene Christdemokratie

In Italien hat sich die Auflösung der Christdemokraten radikaler vollzogen. Dort hat allerdings eine Serie von Korruptions-Skandalen, die unter dem Motto „Mani pulite“    aufgedeckt wurde, den Untergang beschleunigt. Da verbietet sich ein Vergleich mit    Deutschland. Hierzulande wirkt eher das Merkel-Motto „In der Ruhe liegt die Kraft“ bedrohlich, weil es immer mehr zu einem „In der Ruhe liegt die Schwäche“ wird.

Es war aber nicht nur die Korruption, die Italiens einstige staatstragende Partei, die „Democrazia Cristiana“ zerrissen hat. Früh und lange hat sich die „Democrazia“ durch einen „historischen Kompromiss“ an der Regierung gehalten, indem sie sich nach links geöffnet hat. Die Öffnung ging so weit, dass sich die bürgerlich Konservativen von Italiens Euro-Kommunisten abhängig machten. Die Linke wurde dann sozialdemokratischer und immer stärker. Die Christdemokraten wurden schwächer und mussten sich auf ein Fünf-Parteien-Bündnis einlassen, um halbwegs stabile Verhältnisse scheinbar zu sichern. Und dann kamen die „sauberen Hände“ und brachten die schmutzigen Machenschaften etlicher Amts- und Würdenträger ans Tageslicht.

Die „Democrazia Cristiana“ war am Ende und löste sich nach links und rechts in Einzelteile auf. Es folgten Silvio Berlusconi und seine „Forza Italia“, Matteo Salvini und seine „Lega“ und Beppe Grillo mit seinen Fünf Sternen. Die „Cinque Stelle“ regieren jetzt zusammen mit dem sozialdemokratischen „Partito Democratico“, nachdem sie sich mit Salvinis „Lega“ überworfen haben. Salvini lauert weiter im Hintergrund, anders als die völlig im Hintergrund verschwundene Christdemokratie.

Ein Hoffnungsschimmer in Richtung Berlin

In Spanien hat sich der christlich-konservative „Partido Popular“ nach einem Absturz auf unter 17 Prozent wieder ein bisschen berappelt. Aber mit ihren derzeit 20 Prozent sind die Konservativen weit von den mehr als 40 Prozent früherer Zeiten entfernt. Sie sind Opfer neuer linker (Podemos) und rechter (Vox) Parteien, gegen die sich die Sozialdemokraten („Partido Socialista Obrero Espanol“) deutlich besser behaupten. Die Christdemokraten Spaniens sind zweifellos Absteiger, haben sich vor einem drohenden Untergang aber erst mal wieder gerettet. Wenn man so will: Eine Warnung und ein Hoffnungsschimmer in Richtung Berlin.

Den stärksten Hoffnungsschimmer liefert natürlich Österreichs Sebastian Kurz, der die dahin trudelnde ÖVP mit jugendlich zugreifender Rhetorik und Optik und einem klar konservativen Profil wieder nach oben getragen hat. Jetzt muss er das Kunststück vollbringen, klar konservativ zu bleiben und sich mit einem grünen Koalitionspartner zu vertragen. Seine Methode: Arbeitsteilung. Kurz befehligt die Einwanderungspolitik, die Grünen dürfen sich ums Klima kümmern. Mit Wiener Charme ist sowas möglich. Ob demnächst mit Berliner Schnauze, ist ungewiss.

Werfen wir spaßeshalber noch einen Blick nach England, wo eine betont linke Labour-Partei zerrupft wurde und ein betont nationaler Chef der Konservativen einen grandiosen Sieg davon trug. Rückschlüsse von der Insel auf den Kontinent sind kaum angebracht, da Boris Johnson fast im Alleingang als Brexit-Prophet aufgetreten ist. Also mit einem Thema, das auf dem Kontinent nur eine passive Rolle spielt, in Form von Hohn und Häme, Furcht und Schrecken. Ein kleiner Rückschluss sei vielleicht doch erlaubt: Eine kräftige Portion Charisma und eine deutliche Botschaft scheinen Wunder zu wirken.

Was diese kleine Reise durch Europa für die deutschen Christdemokraten und ihre Kanzlerschafts-Anwärter bedeuten mag, kann sich der Leser selber ausrechnen. Es sei denn, die europäische Szene hat gar nichts zu bedeuten, und in Deutschland ist mal wieder alles anders.

Foto: Dmytro Ivashchenko CC-BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Jochen Lindt / 29.02.2020

Merkel hat die CDU in einen Fanclub von Soros’ Open Society Foundations umgewandelt.  Was von der CDU übrig bleibt wird man sehen wenn Merkel weg ist.  Das Hamburger Ergebnis war ein Vorgeschmack.

Stefan Riedel / 29.02.2020

Von Boris lernen, heißt siegen! Lang lebe Trump. CDU? Ab in den Mülleimer der Geschichte. Kontinentaleuropa? Auslaufmodell. Wir sehen uns in den Höhlen!

Ina Johnas / 29.02.2020

Man kann einem möglichen Kunden nicht Hausverbot erteilen ( Brandmauer)  und sich dann wundern , daß er nicht in den Laden kommt .

giesemann gerhard / 29.02.2020

Sebastian Kurz - gleich alt wie mein Sohn - hat eben begriffen: Einwanderung und Umwelt- oder Klimaschutz passen nicht zusammen, weil beides menschengemacht. Also dämmt er die Zuwanderung ein und die Grünen dürfen sich einbilden, sie hätten was gerettet. Der Gewinner ist das Land. Tu Felix Austria.

E Ekat / 29.02.2020

Kurz? geht es um jenen Kanzler, der um seinen konservativen Koalitionspartner gebracht wurde, mit einer vorsorglich, vorab inszenierten Methode, die dann 2 Jahre auf Eis lag? Von der es genügend Untergrundwissen in der deutschen Medienlandschaft gab. Nur die Öffentlichkeit weiß bis heute nicht,  wer die Hintermänner waren.  Den Konservativen steht in dieser EU nicht nur der Zeitgeist entgegen. Die Österreicher wissen dies übrigens schon ein paar Jahre länger.

Rudolf George / 29.02.2020

Es gibt ein Schlüsselelement, das alt hergebrachte Parteien in die Knie zwingt: die Identitätspolitik. Dieses ideologische Gift, das im Mantel des Humanitären daherkommt, möchte die Zerstörung all dessen bewirken ,was den Westen groß gemacht hat. Die Vertreter der Identitätspolitik verfallen dadurch in eine Art von Suizidal-Masochismus, der alles zerstört, womit er in Berührung kommt, d.h. auch und gerade jene Parteien, die ihre alten Wurzeln kappen, um sich der neuen Ideologie hinzugeben, wie es die CDU macht.

Anton Weigl / 29.02.2020

Eine kleine Anmerkung. Die spanischen Christdemokraten sind bereits vor über 25 Jahren untergegangen . Sie wurden dann von der PP abgelöst. Die Partido Popular stand ursprünglich unter Franco- Verdacht. Die PP wurde erst später zu der EVP- Fraktion im Europa- Parlament zugelassen.

Sirius Bellt / 29.02.2020

Wer nix auf die Kette kriegt, der verschwindet früher oder später in der Bedeutungslosigkeit. Wer seinen inneren Wesenskern immer und immer wieder beharrlich verleugnet, den werden die Wähler abstrafen. Obwohl die SPD und auch die FDP bereits vorgemacht haben, wie es nicht geht, hat die CDU/CSU daraus keine Lehren gezogen. Wer die Nöte und Sorgen seiner Wähler konsequent ignoriert, der endet als Appendix.

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