Antje Sievers / 18.06.2007 / 18:44 / 0 / Seite ausdrucken

Der Literaturtipp zum Abgewöhnen

‘Die Girls von Riad’ von der saudi-arabischen Autorin Rajaa Alsanea ist auf der Spiegel-Bestsellerliste gelandet. “Jung, muslimisch, sexy” jubelte auch das Zentralorgan der gepflegten deutschen Hausfrau noch vor kurzem und attestierte dem “Tabubestseller” “die Sprengkraft einer Bombe”. Jung und muslimisch mag stimmen, sexy werden wir der ‘Brigitte’ wohl einfach glauben müssen, denn die Autorin ist bis über die Ohren in Burberryschal gewickelt und trägt eine Chanel-Sonnenbrille. “Tut mit leid, die Diskrepanz zwischen ihrem Buch und dem Kopftuch kann ich nicht verstehen” empörte sich daraufhin prompt ein Leserbriefschreiber. Eines gleich vorweg: Das Buch verdient den Riesenbohei in sämtlichen Medien nicht mal ansatzweise. Schon der Titel erfüllt den Tatbestand arglistiger Täuschung:…

 

Zuerst in Beirut als “Banat al-Riyad” erschienen, was schlicht ‘die Mädchen’ oder ‘Töchter Riads’ bedeuted, erscheint das Buch hier als ‘Die Girls von Riad’, was natürlich frecher und moderner klingt. Der Inhalt aber hält mitnichten, was der Titel verspricht. Zum einen ist dies Buch weder sensationell noch einmalig, denn Erlebnisberichte und Literatur von Frauen aus Saudi-Arabien gibt es schon seit fünfundzwanzig Jahren. Nur, dass sich anscheinend kein Schwein dafür interessiert hat.
Zum anderen tut mir jetzt noch der Unterkiefer vom Gähnen weh: Der Roman ist eine langatmig-orientalische Erzählung von Frauen aus der saudischen Oberschicht, für die umfangreiche Dienerschaft, der Chauffeur zur Uni sowie Wohnungen in Europa und Amerika für die kommode Auszeit von der Islamokratie selbstverständlich sind und die nur eine Sorge haben, nämlich Herz und Schmerz wie einst bei der seligen Courths-Mahler. Wen kann es noch groß überraschen, dass Beziehungen im Land der Geschlechterapardheit nunmal nicht funktionieren können? Der Islam ist selbstverständlich nicht schuld; der orientalische Mann ist halt von Natur aus eifersüchtig und Trost und Erklärung suchen die Girls von Riad in der Religion der ganz Einfältigen, der Astrologie.
Die Sichtweise der Autorin auf die westliche Welt, auf die USA, wo sie sich momentan auf Ihren Abschluss in Zahnmedizin vorbereitet, bevor sie in ihre Heimat zurückkehrt, ist eine typisch saudische; voll ungebremstem Rassismus wird eine japanische Rivalin als “schlitzäugige Äffin” bezeichnet und beim Anblick von Alcatraz schwafelt Alsanea etwas von dunkler amerikanischer Geschichte. Ein erschreckender Realitätsverlust, wenn man bedenkt, dass in der geliebten Heimat Alsaneas, der sie nach eigener Aussage niemals schaden würde, des Freitags Köpfe rollen und abgehackte Hände an Moscheetüren genagelt werden.
Die gute Muslimin und brave Patriotin läuft auch in den USA mit Schleier herum, weil für den Saudi nunmal überall Saudi-Arabien ist. Und weil der Bruder dabei ist und aufpasst, das klein Rajaa keine Dummheiten macht. Das gefährliche Werk ist kürzlich auch in Rajaa Alsaneas Heimatland erschienen. Was dem Buch dieser Knalltüte logischerweise die Sprengkraft eines Knallbonbons verleihen dürfte.

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