“... die elektronische Gesundheitskarte im Rahmen der neuen Telematik-Infrastruktur.” Wahrscheinlich wird die noch mehr Ärzte ins Ausland treiben. Was geht in den Hirnen vor, die so etwas erfinden, und was in denen, die das noch gut heißen und die Patienten, wie Ärzte damit “beglücken??” Der Leserbrief von Herrn Bartscherer ist auch sehr aufschlußreich. Armes Deutschland, was wird mit Dir gemacht ?
NB: Jeder Praxisrechner am Netz war schon immer ein Einfallstor und damit Zeichen unverantwortlichen Handelns!
Sehr geehrter Herr Matthes, vielen Dank für Ihren Artikel. DiesesThema brennt vielen Kollegen unter den Nägeln und paart sich mit dem Gefühl des Ausgeliefertseins und der Ohnmacht. Aus diesem Grunde schrieb ich vor einer Woche an unseren Minister. Ob er drauf antwortet und ob es was nützt ist nicht gewiss. Wichtig ist nur, dass wir uns dies nicht mehr tatenlos gefallen lassen. Meinen Brief veröffenliche ich an dieser Stelle und hoffe, dass dessen Weiterverbreitung zum Nachdenken im Bundesministerium für Gesundheit veranlasst. Dr. Rüdiger Pfeifer Sehr geehrter Herr Minister Gröhe, sicher sind Sie von den Sondierungsgesprächen schon genug beansprucht und haben wenig Zeit, sich um Details im Gesundheitswesen zu kümmern. Mit dem Onlinerollout der eGk sehe ich aber große Probleme auf uns zu kommen und sehe mich daher veranlasst Ihnen zu berichten. Seit November 2017, also seit zwei Monaten hat der Online-Rollout begonnen. Die erforderlichen Hardwarekomponenten wurden erst zu diesem Zeitpunkt zertifiziert und werden seitdem von einem Alleinanbieter zu sehr hohen Preisen angeboten. Die Gematik-Partner haben Ihnen und der Welt den Start des Online-Rollouts zum 01.07.2017 verkündet um selbst nicht sanktioniert zu werden, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch jegliche Hardwarekomponenten fehlten. Deshalb müssen die Versäumnisse der Gematik-Partner nun von den Arztpraxen ausgebadet werden. Dies beginnt mit der Refinanzierung. Eine hundertprozentige Refinanzierung der Anschlusskosten an die Telematikinfrastruktur war nur für das 3.Quartal 2017 vorgesehen (in dem es noch keine Hardwarekomponenten gab). Im 4. Quartal 2017 gab es nur noch eine 90-prozentige Refinanzierung, im Quartal 1/18 nur noch 80%. Dementsprechend groß ist der Unwillen der Ärzte, unter diesen Umständen einen Anschluss an die Telematikinfrastruktur zu veranlassen. Die Androhung von Sanktionen wie Honorarkürzungen bei Ärzten und Budgetkürzungen bei den Körperschaften fördern eher das Scheitern des Projektes. Zum Jahresende wird dieses Problem eskalieren und im kommenden Jahr werden die Arztpraxen den Klageweg gegen die von Ihnen verfügten Honorarkürzungen beschreiten. Von den drohenden Honorarkürzungen werden auch Praxen betroffen sein, die aus objektiven Gründen keine Möglichkeit haben, Zugang zur Telematikinfrastruktur zu bekommen. Das sind vorrangig Landpraxen, denen ein Internetzugang fehlt. Aber auch die Praxisgemeinschaft in meiner Nachbarschaft, in der nun drei Ärzte an ihrer Praxisrezeption drei e-Health-Kartenterminals installieren müssen. Dies ist ein räumlich und organisatorisch unzumutbarer Zustand. Von älteren Kollegen hört man, dass sie ihre Praxis möglicherweise eher schließen werden, um dem hohen finanziellen, organisatorischen und technischen Aufwand zu entgehen. Die Einführung der eGk wurde vor 14 Jahren als digitale Revolution angepriesen. Die damals versprochenen und erhofften Leistungen der eGk hätten auch wirklich den Datenaustausch in unserem Gesundheitswesen erheblich vereinfachen können, doch Datenschutz und Patientenrechte limitieren die bedingungslose Einführung des gläsernen Patienten. Deshalb ist heute aus dem einst vielversprechenden Projekt ein Milliarden Euro teures Monstrum geworden, dass niemandem nützt und von den Ärzten nicht gewollt wird. Versichertenstammdatenmanagement (VSDM) ist die einzige Funktion, die nach dem Anschluss einer Arztpraxis an die Telematikinfrastruktur funktionieren soll. Aber zu welchem Preis? Auch der Bund der Steuerzahler kritisierte das Projekt in seinem Schwarzbuch des vergangenen Jahres als Milliardengrab, veraltet und nutzlos. Sehr geehrter Herr Minister, Sie sind in der misslichen Situation, ein von Ihrer Amtsvorgängerin, der SPD-Ministerin Ulla Schmidt aufgelegtes und vom Beitragszahler zu finanzierendes Prestigeprojekt weiter durchziehen zu müssen, obwohl bereits niemand mehr an einen Sinn oder Nutzen des Projekts glaubt. Der in diesem Jahr zu vollziehende Anschluss von 300.000 Arztpraxen wird Praxisausfälle und 1,2 Milliarden Euro kosten und künftig jährlich 360 Millionen Euro an Servicekosten. Den IT-Anbieter wird`s freuen, doch der Patientenversorgung geht dieses Geld verloren und potenziert schon bestehende Probleme. In der Görlitzer Region wird sich der schon bestehende Ärztemangel in den nächsten 5 Jahren massiv verschärfen. Besonders ländliche Regionen sind dann ärztlich unterversorgt. Verbleibende Ärzte werden durch Honorarverteilungsmaßstäbe und Degression bestraft, wenn sie zusätzliche Patienten in ihren Praxen behandeln. Sehr geehrter Herr Minister, noch haben Sie die Möglichkeit, das Prestigeprojekt eGk zu stoppen und dem Beitragszahler ein mit dem BER-Flughafen vergleichbares Desaster zu ersparen. Fördern Sie stattdessen die Ansiedlung von Arztpraxen in unterversorgten Regionen, beseitigen Sie leistungsschädliche Kostendämpfungsmechanismen, zeigen Sie den Menschen im Land, dass Sie sich um deren Sorgen und nicht um die der IT-Branche kümmern. Hochachtungsvoll Dr. Rüdiger Pfeifer
Lieber Kollege Matthes, herzlichen Glückwunsch an Sie und alle Kollegen, die in einem Gebiet mit VDSL leben. Wir können uns glücklich schätzen, daß es “nur” 13 Sekunden sind, die für das VDSM eingeplant sind. Es soll da allerdings noch Kollegen geben, die mit dem Modem arbeiten müssen, da die Netzagentur mit dem Ausbau des Datennetzes noch nicht überall so weit ist. Die werden, ob sie am System teilnehmen wollen oder nicht, es rein technisch gar nicht können. Werden aber gleichwohl mit der 1%Regel abgestraft werden. (Da freue ich mich schon auf die Klagen bis hoch zum höchstrichterlichen Entscheidungsgremium.) Auch ist rein versicherungstechnisch noch nicht geklärt, was bei einem Systemausfall durch einen gehackten Zentralcomputer geschieht mit: Verdienstausfall, Erpressungen durch gestohlene Daten, Lahmlegen der gesamten Gesundheitsstruktur durch eingeschleuste Viren auf die Praxisserver usw. usf. Ein Klassenkamerad aus Abiturzeiten, der sich nach seinem Informatikstudium intensiv mit IT-Sicherheit beschäftigte, war bereits 1 Jahr nach Beginn dieses Projektes aus der Entwicklung ausgestiegen, da er die sicherheitstechnischen Lücken für nicht schließbar hielt. Sie dürfen auch nicht vergessen, daß die sogenannten Konnektoren nach bisherigem Stand nach 5 Jahren ausgetauscht werden müssen, da sie dann als nicht mehr sicher gelten. Der Einbau darf übrigens nur mit einer entsprechenden Sicherheitsüberprüfung der Techniker erfolgen, sowas kann schon mal bei Stufe 2 bis zu einem halben Jahr dauern, bei Stufe 3 entsprechend länger. Die Softwarehäuser sind da sehr erfreut. Dazu kommt die Auslieferung der Geräte. Viagra wurde in der Anfangszeit mit dem Werttransport in die Apotheken gebracht, wer weiß ob die Werttransporteure alle die entsprechende Prüfung für den Transport der Konnektoren haben. IT-Sicherheit ist unseren Gesundheitsverwaltern in KBV und Ministerien ein absolutes Fremdwort, so daß man ihnen diese Mogelpackung unterjubeln kann, wie einst den Verkehrsgewaltigen die LKW-Maut. Wenn ich daran denke, wie lange es brauchte, bis die in der heutigen Form funktionierte, dann sehe ich die Gesundheitsversorgung durch IT eher lahmgelegt als durch den Ärztemangel.
Jetzt weiß ich endlich, warum immer mehr Landarztpraxen zumachen. Es ist nicht so, dass immer weniger Ärzte auf‘s Land wollen. Es ist der fehlende Breitbandausbau außerhalb der Ballungszentren, der eine ärztliche Versorgung scheitern lässt. Da es Gegenden in Deutschland gibt, in denen Bits und Bytes noch mit Meldereitern transportiert werden, würde ein Patient mit dem Wunsch nach einem Rezept für seine Bluthochdrucktabletten eher am Herzinfarkt dahinscheiden, bevor das Placet der Kasse da ist.
Lieber Herr Kollege, vielen Dank für Ihren schönen, sarkastischen Überblick über die zu erwartenden kleinen “Kollateralschäden” bei Einführung der Telematik-Ifrastruktur (TI). Schön hier auf der Achse mal etwas zu diesem Thema zu lesen, das trotz seiner Wichtigkeit und Bedrohlichkeit in der allgemeinen Wahrnehmung außerhalb von Fachkreisen praktisch nicht präsent ist. Dabei handelt es sich hier um ein Projekt orwellscher Prägung und einen Systembruch allererster Güte, was leider in Ihrem Beitrag nicht so ganz pointiert herausgearbeitet ist. Letztlich wird hiermit nämlich ein Kernelement der ärztlichen Berufsausübung, die ärztliche Schweigepflicht ausgehebelt (oder zumindest in tödliche Gefahr gebracht). Es ist nämlich keneswegs so, daß die Daten der Patienten auf den niedlichen kleinen Kärtchen gespeichert werden sollen. Nein, diese sind nur Schlüssel zur großen, amorphen TI-Cloud, wo unsere Patientendaten auf irgendwelchen Servern mehr oder weniger sicher lagern. Und daß da über kurz oder lang mehr oder weniger legale Begehrlichkeiten entstehen dürften, sollte eigentlich jedem einleuchten. Aber wahrscheinlich bin ich einfach nur zu paranoid und kann in meiner Beschränktheit das höhere Wohl einfach noch nicht erkennen. Als durchaus technikaffiner Arzt, Praxisinhaber und eigener Systemadministrator weiß ich sehr genau, warum ich meine Praxissoftware offline halte. Mal sehen, wie lange ich das noch durchhalte, denn in dem schönen TI-Gesetz ist ist auch gleich noch die erpresserische Daumenschraube für renitente schweigepflichtige Offliner eigebaut: wer nicht mitspielt, bekommt kumulativ pro Jahr 1% Honorarabzug. Hätte ich nur noch 5 Jahre bis zur Rente, wäre das keine Frage, aber ich muß wohl noch ein wenig länger mitspielen. Auch noch zu erwähnen wäre die ungeheure Geldverbrennung durch dieses Kassen- und IT-Lobbyprojekt. Wurden wir doch vor wenigen Jahren im Rahmen der Einführung der “eGesundheitskarte” auf Kosten der Versicherten mit neuen Kartenlesern zwangsbeglückt, so ist jetzt festzustellen, daß diese für die kommende TI gar nicht tauglich sind, also nochmal eine Runde teurer Elektronikschrott aus Versichertengeldern. Konnte man vor ca. 5 Jahren wohl noch nicht ahnen. Auch interessant, daß es nach meinem Kenntnisstand bisher genau eine (1) Firma gibt, die zugelassene Konnektoren (das ist die Blackbox zum Anschluß) anbietet, was natürlich einen fairen Preiswettbewerb ermöglicht. Nun ja wir Deutschen haben in den letzten Jahren viele fette Kröten schlucken müssen, ohne daß es zu einem massiven Aufschrei gekommen wäre, insofern habe ich da wenig Hoffnung, lehne mich jetzt einfach mal zurück und hoffe, daß das TI-Projekt sich was vom großen Vorbild BER abguckt. Freundliche Grüße und schönen Skiurlaub! Michael Bartscherer P.S. Dieser Leserbrief wurde mit einem von der Praxis-EDV getrennten Linux-PC verfasst :-)
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