Wolfgang Mayr, Gastautor / 27.02.2018 / 17:30 / Foto: Kokoo / 3 / Seite ausdrucken

Der Kulturkampf in Spanien geht weiter

Anna Gabriel, ehemalige Fraktionsvorsitzende der linken CUP im katalanischen Parlament, hat sich in die Schweiz abgesetzt. Damit entzog sie sich einer entsprechenden Vorladung des Tribunals Supremo in Madrid. Das Höchstgericht wollte Gabriel über ihre Rolle beim – vom Verfassungsgericht für illegal erklärten – Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober 2017 befragen. Die Verfassungsrichter stuften das Referendum auch als politische Rebellion ein. Gabriel wirft den spanischen Richtern vor, politisch zu agieren. Sie wirbt in der Schweiz für die Internationalisierung des fortdauernden Konflikts zwischen dem Zentralstaat Spanien und der Region Katalonien.

Die kritische Position von Anna Gabriel findet in der Schweiz Unterstützer. Franco Galli, Sprecher des Eidgenössischen Justizdepartements in Bern, sagte der Westschweizer Zeitung Le Temps, dass ein etwaiges Auslieferungs- oder Rechtshilfegesuch aus Spanien wohl chancenlos wäre. Da es sich „aller Wahrscheinlichkeit nach“ um ein „politisches Delikt“ handele, würde die Schweiz die spanische Justiz – im Sinne des Eidgenössischen Strafgesetzes und der Europäischen Menschenrechtskonvention – nicht unterstützen.

Eine Kampfansage an Katalanen, Basken und Galizier

Für eine weitere Verschärfung des kastilisch-katalanischen Konflikts sorgt die Parlamentsfraktion Ciudadanos. Deren jüngster gesetzlicher Vorstoß im spanischen Parlament ist eine Kampfansage an Katalanen, Basken und Galizier. Die progressiven Liberalen, so definieren sich die Ciudadanos, heizen den kastilischen Nationalismus an. Generalsekretär José Manuel Villegas legte dem Parlament in Madrid einen Gesetzesvorschlag vor, der für Spannungen zwischen dem Zentralstaat und den autonomen Regionen Katalonien, Baskenland und Galizien sorgen wird.

Villegas möchte den autonomen Regionen verbieten, die jeweilige Landessprache neben Kastilisch als Voraussetzung für die Aufnahme in den Öffentlichen Dienst vorzuschreiben. Die Nicht-Beherrschung der Landessprachen der autonomen Regionen soll künftig kein Ausschlussgrund mehr sein, die kastilische Sprache müsse aber beherrscht werden.

Die Ciudadanos wollen die Geschichte zurückdrehen und das Kastilische als einzige Amtssprache staatsweit durchsetzen, auch in den autonomen Regionen. Die Liberalen beerben die konservative Volkspartei PP. Bei den Regionalwahlen in Katalonien sind die Ciudadanos im Dezember 2017 mit dem Versprechen angetreten, das – so ihr Vorwurf – durch die Separatisten gefährdete Zusammenleben zu retten. Spitzenkandidatin Ines Arrimadas wetterte gegen den katalanischen Nationalismus, er gefährde die staatliche Einheit.

Kurzer Exkurs nach Süd-Kärnten 

Arrimadas und ihre Liberalen ähneln immer mehr den slowenenfeindlichen Freiheitlichen in Österreich. Im österreichischen Bundesland Kärnten experimentieren die Freiheitlichen und ihr konservativer Partner ÖVP erfolgreich ihre Politik der Germanisierung der slowenischen Minderheit. In der kürzlich genehmigten Landesverfassung schrieben beide Parteien fest, dass die deutsche Sprache die Sprache Kärntens ist. Nach dem Ersten Weltkrieg sprachen noch 100.000 Süd-Kärntner slowenisch, heute sind es laut Volkszählung nur mehr 15.000. Tendenz fallend. Das demokratische Kärnten führt fort, was NS-Kärnten 1938 initierte: Die Zerschlagung der zweisprachigen Schulen und des slowenischen Kulturlebens. Dieser „antislowenische Geist“ lebt noch immer fort.

Ciudadanos versucht, den antikatalanischen Geist aus der Franco-Diktatur wiederzubeleben. Arrimadas und ihre Liberalen traten im Wahlkampf mit erklärten Neo-Frankisten auf, unterstützen die Rajoy-Regierung und ihre Repressionspolitik in Katalonien. Ciudadanos wetterte gegen den Selbstbestimmungskurs der abgesetzten katalanischen Regierung und überbot in ihrer Hysterie auch den PP. Das verwundert nicht, Spitzenleute der Ciudadanos wie Carina Mejias waren einst im PP aktiv.

Die Ciudadanos lehnten 2005 das reformierte Autonomiestatut ab, ausgearbeitet von den spanischen Sozialisten PSOE und den katalanischen Links-Republikanern. Gleichzeitig bekannten sie sich aber zum Ausbau der Autonomie. Trotz ihrer Bekenntnisse zur Autonomie diskreditiert die eigene Vergangenheit die Ciudadanos-Liberalen als Dialog-Partner. 2013 beteiligte sich Ciudadanos an einer Großkundgebung in Barcelona für die territoriale Einheit Spaniens, gemeinsam mit der neofaschistischen Falange Espanola sowie weiteren rechtsradikalen Gruppierungen wie Plataforma per Catalunya und Casal Tramuntana. Im Parlament in Madrid verließen Ciudadanos-Abgeordnete eine Abstimmung, die die Verurteilung der Franco-Diktatur zum Inhalt hatte. Francisco Gambarte, der Spitzenkandidat von Ciudadanos für die Wahlen in Asturien, trat 2015 wegen einer Reihe antikatalanischer Hass-Tweets zurück. Einige Ciudadanos-Politiker sind außerdem in Korruptionsfälle verwickelt.

Vorwärts in die Vergangenheit!

EU-weit wurde Ciudadanos trotzdem gefeiert, als Schutzwall gegen den katalanischen Separatismus. Im Dezember 2017 wurden die Ciutadans/Ciudadanos mit 36 von 135 Sitzen stärkste Kraft in Katalonien. Den spanischen Freiheitlichen fehlen aber Partner für eine Regierungskoalition. Mit der Gesetzesinitiative gegen die Gleichberechtigung der katalanischen, baskischen und galizischen Regionalsprachen weisen die Ciudadanos den Weg zurück in die spanische Geschichte, in die Zeit von General Franco.

Das spanische Höchstgericht (Tribunal Supremo) hat den Enthaftungsantrag von Jordi Sànchez von der katalanischen Nationalversammlung ANC abgelehnt. Der ANC-Vorsitzende sitzt seit dem vergangenen 16. Oktober in Untersuchungshaft.

Den negativen Freilassungsentscheid kritisierte Gauri van Gulik, Direktorin von Amnesty International (AI) Europa. Van Gulik spricht von einer „exzessiven und unverhältnismäßigen Einschränkung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der Versammlungsfreiheit“.

Das Höchstgericht habe, stellte van Gulik fest, dieses „Unrecht“ sogar noch verschärft. Amnesty International forderte nachdrücklich die sofortige Freilassung von Sanchez und anderen katalanischen Aktivisten. Zudem müsse die Anklage wegen Aufruhrs und Rebellion fallengelassen werden, da sie ungerechtfertigt sei.

Sànchez wurde am 21. Dezember für das Bündnis Junts per Catalunya ins katalanische Parlament gewählt.

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Wilfried Cremer / 27.02.2018

Der spanische Stolz ist mehr als Nationalstolz. Die Rück- und Welteroberer der Landesmitte stehen gegen nie Eroberte da oben. Beide Seiten stur wie Stier.

U. Unger / 27.02.2018

Klasse Artikel, der zusammenfasst, was die Eurokraten wirklich planen. Eins weiß ich sicher, Multikulti ist dieser Umgang mit Minderheiten nicht. Wer leben will, was er denkt, dass für Ihn gut ist, darf das. Einzige Voraussetzung sie arbeiten für die Elite, und schön fröhlich deren Lieder singen. Selbst der abgewandelte Text: “Auch Separatisten sind für die europäische Völkerverständigung!”, wird nach einer Übergangsphase schrittweise eingedämmt und weggeknüppelt. Ein tolles Beispiel für die Doppelmoral der unsere Anführer anhängen, sie wollen das nicht, aber Sie müssen! Das Gegenteil wäre ja die freie, demokratische Gesellschaft, natürlich unter Wegfall des leistungslosen Reichtums der Funktionäre. Der Kreis schließt sich zum Netz DG. P.S.: Toller Vorschlag einer Kommentatorin: “Achse des Guten Demo.” Bin sofort dabei.

Fritz Blumer / 27.02.2018

Danke Herr Mayer, ein kompetenter und nötiger Artikel. Nicht nur in Deutschland werden der Rechtsstaat und die Meinungsfreiheit unterwanderten von jenen, die diese zu schützen sich verpflichtet haben. In Spanien ist die Gewaltenteilung außer Kraft, demokratisch gewählte Politiker sitzen wegen ihres Programms in Haft, ein Parlament wurde entmachtet, Madrid interveniert beim katalanischen Fernsehen, Bürger werden eingeschüchtert… und ganz Europa schweigt und schaut weg. Dass sich eine junge Partei, die ganz offen mit dem Franco-Faschismus flirtet, sich nicht entblödet sich als liberal zu bezeichnen, ist nur das letzte Indiz in der Beweiskette, wie tief die politische Kultur in Europa schon gesunken ist. Nur 2 kleine Detais: - Das Estatut 2005 wurde nicht von den spanischen, sondern (u.a.) von den Katalanischen Sozialisten PSC ausgearbeitet. Die Spanischen Genossen vom PSOE, mindestens so antikatalanisch wie PP, sind Ihnen dann in Rücken gefallen. - Ciudadanos würden sehr wohl Verbündete finden. zB die Sozialisten vom PSC, inzwischen eben so Spanien-nationalistisch wie der PSOE, würden wohl mit jedem paktieren, der ihnen ein Plätzchen in der Regierung verschaffen könnte. Die Katalanen haben aber auch 2017, wie schon 2015, die Mehrheit der Parlamentsitze wieder an die Separatisten vergeben. Also behauptet man jetzt mutig, man würde um sowieso keinen Preis koalieren. Man kennt das, der Fuchs und die Trauben…

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