Henryk M. Broder / 26.08.2013 / 20:37 / 9 / Seite ausdrucken

Der kleine Jakob und das große Geld

Früher wollten die lieben Kleinen wissen, wo die Kinder herkommen und wie sie dahin kommen, woher sie kommen. So brachten sie ihre Eltern in Verlegenheit. Heute müssen sie sich etwas mehr anstrengen, wenn sie Mutti und Vati sprachlos machen wollen. Dafür haben es Mutti und Vati viel leichter. Sie brauchen keine dummen Geschichten von Blümchen und Bienchen zu erfinden, sie klicken einfach auf die simpleshow des Carlsen Verlags und genau 60 Sekunden später sind alle Fragen über Verliebtsein, Verhütung und das “erste Mal” beantwortet. Etwas länger, nämlich drei Minuten und vier Sekunden, dauert die Vorstellung der fünf wichtigsten Institutionen der europäischen Union und was sie machen.

Bis jetzt hatten wir es mit Lara, Nele und Fin zu tun. Nun kommt aber Jakob ins Spiel. Er ist neun Jahre alt und wohnt in einer großen Stadt. Außerdem hat er eine besondere Fähigkeit, er kann zählen, schneller als jede Rechenmaschine. Und er sieht durch Taschen und Häuser hindurch, wenn darin Geld ist - Münzen oder Scheine. Lara, Nele und Fin können das nicht. Die interessieren sich nur für Sex und die EU. Der kleine Jakob aber weiß alles, “was du schon immer über Geld, Banken, Zinsen und wirklichen Reichtum wissen wolltest”. Deswegen heisst er auch Jakob und nicht Lara, Nele oder Fin. Und wo der kleine Jakob ist, da sind auch zwei finster dreinblickende arabische Semiten nicht weit, die “oft minutenlang wegen kleiner Preisunterschiede” diskutieren. Und “das nennt man feilschen”, sagt der kleine Jakob, denn da kennt er sich aus.





(Quelle: Die simpleshow erklärt: Geld. Carlsen Verlag GmbH, 2012)

Lustig, nicht wahr. So lernen die Kleinen schon ganz früh, was sie über Geld, Banken, Zinsen und wirklichen Reichtum wissen müssen, wie gefeilscht wird und dass der “kleine Jakob” schneller als jede Rechenmaschine zählen kann, weswegen er eben Jakob heisst und nicht Carsten, Uli oder Franjo.

Das hat natürlich nichts mit Vorurteilen oder Ressentiments zu tun, es ist Basiswissen kompakt. Und wenn die Kleinen alles über das Feilschen gelernt haben, werden sie aufgeklärt, warum sie keine Produkte aus israelischen Siedlungen in der Westbank kaufen sollen.

In der simpleshow des Carlsen Verlags.

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Annegret Müller / 29.08.2013

Lieber Herr Broder, mir fiel jetzt erst auf, dass der kleine Jakob, wie Charlie Chaplin gekleidet ist. Evtl. doch ein Tramp? Er, also der Jakob hat den Spezial-Geld-Röntgenblick und kann sehr schnell zählen.  Irgendwo ein verkanntes Genie… Hier in Mainhattan (Frankfurt am Main) ist im Museum Judengasse die Ausstellung: Juden und Geld. Jene läuft bis Oktober, klingt auch eher vorurteilsschürend. Neben dran ist die Bundesagentur für Arbeit (wollte diesem Museum nicht sagen, dass sie weitere Steinfundamente des Stedel fanden, wann wäre denn die Tiefgarage je gebaut worden, also verschwieg man es). Die Deutschen und ihr Geld!

Michael Geier / 27.08.2013

Als Hauptschüler kann ich nur etwas mit anschaulichen Beispielen und einfachen Bildern etwas anfangen. Komplexe Zusammenhänge ermüden mich und übersteigen zudem meinen Horizont. Als ich einen heute 85-jährigen Jesuiten-Pater (leistete als Jugendlicher Widerstand und landete im KZ, zu dessen Highlights diverse Nahrungsentzugsprogramme, analog Hungerbunker-Auschwitz, gehörten) mal fragte, wie es zu diesem absoluten Worst Case kommen konnte, sagte er, dass es zunächst nur die “unbemerkten Kleinigkeiten und “Nebensächlichkeiten” waren, die aber schlussendlich den “großen Konsens” erst ermöglichten. Die Tatsache(n), dass zum Beispiel der junge Liebhaber eines jüdischen Pärchens im Englischen Garten, von irgendeinem XY-Deppen, mit “Hey, Du scheiß Jude!”, angepöbelt wurde und man sich hier weder einmischte, noch für eine entsprechende Ahndung/Zurechtweisung des Täters sorgte, wurde irgendwann zu einer Art stillschweigend gelebten Normalität (Mainstream) - ob mit o. ohne schlechtem Gewissen.  Wie heißt es doch: “Kleine Ursache, große Wirkung” bzw. “Das Einfache ist wahr. Und das Wahre einfach”.  In diesem Sinne, danke, “kleiner Jakob”, für deine anmutigen Bilderlein und Beispiele.  Jetzt hab’s sogar ich kapiert, was du allen so lieb sagen wolltest.

Ronald M. Hahn / 27.08.2013

Lieber Herr Broder, welch ein Frust! Bei einem Titel wie “Der kleine Jakob und das große Geld” denkt ein schlichtes Gemüt wie ich natürlich sofort an den kleinen Jakob Augstein und erwartet, dass Sie uns erklären, wie dieser oberlinke Vogel an seine Millionen gekommen ist….! Hrumph!

Alma Ruth / 27.08.2013

Ist der Carlsen Verlag, ich meine die Führung, blöd, antisemitisch, heuchlerisch oder charakterlos? Oder all das zusammen? Von einem seriösen Verlag erwarte ich, daß er nicht jeden Stuß herausbringt, nur um des Gewinns wegen. So etwas ärgert mich maßlos. lg Alma Ruth

Eric Faber / 27.08.2013

Der schwarze Frack ist nicht ganz stilecht, aber zusammen mit der Kopfbedeckung reicht’s für die gewünschte Assoziation. Hätten sie den Hut weggelassen, hätte man’s fast für subtile Agitation halten können. Aber so ... Konspirativ wirken die Frau und der Mann im dritten Bild, mit ihrer Gesichtslosigkeit. Wer sich Hüte so bescheuert aufsetzt, hat das mit der Unauffälligkeit allerdings nicht ganz gepeilt.

Jürgen Seeholzer / 27.08.2013

Ich musste spontan an die kindlichen Welterklärungskomiks der Nazis aus den 30ern denken, nur dass Jakob dann Siegfried heißen und statt den arabischen jüdische Händler mitspielen würden. ;-)

Christian Weyland / 27.08.2013

Dem Funkturm nach wohnt der kleene Jakob in Berlin… da ist er ja schnell durch mit dem Zählen.

Robert Bond / 26.08.2013

Super! Beim Titel hab ich gedacht, Broder pinkelt wiedermal dem Augstein ans Bein. LOL!

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